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Nüchtern betrachtet: Die Zukunft des Verbrennungsmotors

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Audi

So blumig die Elektrowelt auch erscheinen mag, sie kann dem Verbrennungsmotor noch lange nicht das Wasser reichen. Das hat viele Gründe, die auch langsam bei den Konzernen wieder ankommen.

Es ist fast wie eine große Party unter Blumenkindern. Alle sind per Du, die Sonne scheint, man hat sich lieb, dreht die Musik nicht zu laut auf, raucht nicht, trinkt nicht, und freut sich, dass die Zukunft ursuper wird. Der Elektromobilität wird ein gewaltiges Potenzial zugesprochen, als zeitgemäße Fortbewegung, die niemandem weh tut. Doch bei allder Euphorie darf man eines nicht vergessen: Irgendjemand muss in dieser Spaßgesellschaft ja auch die Arbeit erledigen und Geld verdienen. Und das sind nach wie vor die Verbrennungskraftmaschinen.

Es ist tatsächlich so, dass bei den ganzen Marketing-Feuerwerken man schnell den Eindruck bekommen könnte, Benzin und Diesel stünden endgültig am Abgrund und sind am Markt eigentlich kaum mehr präsent. Die Ankündigungen zahlreicher Regierungen und Hersteller, fossil befeuerte Aggregate verbieten oder nicht mehr herstellen zu wollen, entfachen nur noch mehr eine verfrühte Grundsatzdiskussion, die wie ein Clash der Weltansichten wirkt. So wie zwischen Millenials und Baby Boomern oder zwischen He-Man und Skeletor. Umso wichtiger ist es, die Sache einmal neutral zu betrachten, da nicht nur die Elektromobilität unter diesem künstlich erzeugten Druck leidet, sondern auch der Hubkolbenkollege viel zu früh abdanken müsste. Wie steht es also wirklich um den Motor, der uns alle seit mehr als 100 Jahren antreibt und dies auch noch längere Zeit tun wird?

Unklare Definitionen

"Man muss hier in drei Gruppen differenzieren", sagt Professor Helmut Eichlseder, Leiter des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik an der TU Graz. "Zum einen geht es um die Reduktion von Schadstoffemissionen, dann um den Verbrauch, am wesentlichsten aber ist der dritte Punkt, die Treibhausgasrelevanz." Bei Punkt eins gibt es durchaus Positives zu berichten: "Hier haben wir mit der Euro-6D-Norm extreme Verbesserungen erreicht. Otto-und Dieselmotoren schenken sich hier nicht mehr viel bei den Absolutemissionen", so Eichlseder weiter, wobei natürlich die Frage ist, wie es hier weitergehen wird. "Ein wichtiger Begriff ist ,zero impact', für den es aber keine technische Definition gibt. Ich habe für mich eine gemacht, die in die Richtung geht, dass deutlich weniger Schadstoffe zur Luftqualität beigetragen werden, als im Hintergrund einer sauberen Umgebung enthalten sind. Da würden wir etwa bei Stickoxidemissionen, die die Hauptkomponente sind, bei unter 30 Milligrammpro Kilometer kommen. Das ist zum heutigen Stand der Technik kein unüberbrückbarer Schritt mehr und machbar. Zwar mit Aufwand, aber machbar."

Und zudem auch noch ziemlich genau der Grenzwert, der derzeit für die Euro-7-Abgasnorm diskutiert wird, allerdings noch nicht festgeschrieben ist, und genau hier liegen für Eichlseder die wahren Probleme in der Entwicklung. "Selbst wenn ich als Ingenieur von einem bestimmten Grenzwert ausgehe, die Randbedingungen bleiben immer noch ungeklärt. Wie groß ist zum Beispiel die Strecke, die ich diesem Wert zuordnen muss? Wenn ich zum Beispiel keinen Meter fahre, dann ist der erste Partikel, der aus dem Auspuff kommt, bereits für einen unendlich hohen Wert verantwortlich. Solang die Rahmenbedingungen also noch offen sind, kann keiner sowohl Technik als auch Kosten definieren."

Statistische Unschärfe

Dafür wäre es jedoch allerhöchste Zeit, denn ein Blick in die aktuelle Zulassungsstatistik zeigt, wie wichtig Benzin und Diesel nach wie vor sind. Zwar ging der Anteil des Selbstzünders von Jänner bis Mai 2021 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 38,6 auf 25,8 Prozent zurück und auch der Benziner hält "nur" mehr 40,8 anstatt der letztjährigen 46,3 Prozent. Im Vergleich zu den 10,8 Prozent der E-Mobile (plus 6,5 %), die auch nur dank der massiven Förderungen zustande gekommen sind, ist das aber immer noch ein gewaltiger Vorsprung, der nicht so schnell eingeholt werden kann. Zu groß ist vor allem ein Vorteil, den Firmenkunden besonders schätzen: die ungeheure Energiedichte des flüssigen Sprits. So viel Power in so kleinen Tanks lässt sich in Akkus einfach nicht unterbringen, geschweige denn in Minutenschnelle nachtanken und Reichweite generieren.

Hitzige Entwicklung

Grundsätzlich geht es bei einer Wärmekraftmaschine immer darum, die Effizienz zu steigern. Ein derzeit optimal laufender Motor ist ein Kompromiss aus den von ihm verlangten Ansprüchen. Dinge wie Bohrung, Hub, Kompression, Ventilöffnungszeiten und so weiter gelten meist als fixe Größe, dabei würde jeder Drehzahl-und Lastzustand eigentlich ganz individuelle Stellgrößen verlangen, um wirklich optimal zu laufen. Nur ist das technisch meist unmöglich. Das schlaue Mittelmaß gilt als Maß der Dinge. Was noch dazukommt: Gut 50 Prozent der Energie, die während der Zündens von Benzin oder Dieselin den Brennräumen freigesetzt wird, verpuffen aufgrund thermodynamischer Grundsätze in reiner Wärme. Und diesen gewaltigen Anteil muss man auf Teufel komm raus irgendwie weiter reduzieren. Um eines gleich vorwegzunehmen: Die großen Schritte sind nicht mehr zu erwarten. Das Reduzieren von innerer Reibung durch bessere Lager, Leichtlauföle, Zylinderbeschichtungen oder bessere Kolbenringe bewegt sich in minimalen Bereichen. Auch das immer weitere Optimieren der Brennräume, um das Gemisch noch effizienter zu verbrennen – je besser das Gemisch im Brennraum verteilt und genutzt wird, desto weniger muss man einspritzen –, ist schon auf einem derart hohen Niveau, dass man fast vom Optimum sprechen kann. Auch die flächendeckende Verwendung der Turboaufladung ist nur ein Zeichen dafür, dass es Zeit für wirklich neue Technologien wäre. Nur um einmal ein Bild davon zu bekommen, wie fortgeschritten der "Vertreterdiesel" vor der Tür heutzutage schon ist. Bei einem aktuellen TDI-Motor zum Beispiel stecken Einspritzdüsen, die Sensoren verbaut haben, die das Schließen der Nadeln überwachen, um möglichst exakt Kraftstoff einzuspritzen. Sie können pro Arbeitstakt bis zu neun Mal Diesel abgeben, wobei die Mengen nicht einmal so groß wie ein Stecknadelknopf sind. Und das bei einem Einspritzdruck von 2.200 bar, um eine höchstmögliche Zerstäubung zu gewährleisten. Und da haben wir von Zylinderabschaltung, variabler Turbinengeometrie, Schaltsaugrohren, variabler Ventilsteuerungoder Niederdruck-Abgasrückführung noch gar nicht gesprochen.

Doppelte Dosis

Wo es in letzter Zeit Fortschritte gab, ist ein Bereich, der seit des Dieselskandals immer mehr an Bedeutung gewonnen hat: die Abgasnachbehandlung. Twindosing zum Beispiel ist ein System, das 80 Prozent weniger Stickoxide ausstößt als ältere Systeme, indem es die vorhandene Physik des Motors für sich nutzt. So kommen nicht einfach nur zwei SCR-Katalysatoren zum Einsatz. Einer davon sitzt samt Ad-Blue-Einspritzung besonders nahe am Motor, um dank der heißen Abgase nach dem Turbolader schneller auf Betriebstemperatur zu kommen und auch schon in der Warmlaufphase im optimalen Wirkungsbereich zu sein. Der zweite Kat sitzt am Unterboden, wo die Abgastemperaturen schon rund 100 Grad kühler sind und kümmert sich sozusagen um den Rest. Für Eichlseder ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung: "Primär geht es bei den Emissionen um die Abgasnachbehandlung. Da gibt es unterschiedliche Ansätze, die auch mit den räumlichen Möglichkeiten zu tun haben. Der Weg geht in Richtung Heizstrategie, etwa eine elektrisch unterstützte Abgasnachbehandlungsheizung, der sogenannte E-Kat. Und mit dem richtigen Thermomanagement ist bei Betriebstemperatur dann fast jeder Wert möglich."

Einsparungspotenzial bei 30 Prozent

Beim zweiten Punkt, dem Verbrauch, führt für den Professor kaum ein Weg an der Elektrifizierung vorbei. "Das Potenzial ist zwar nicht endlos groß, aber kann je nach Anwendung bei bis zu 30 Prozent liegen. Das klingt zunächst nicht aufregend, kann aber entscheidend sein." Natürlich geht es hier nur um Hybrid-und Mild-Hybrid- Konzepte, also alles ohne Stecker. Plugin-Lösungen bergen da natürlich mehr Potenzial, nur ist deren Nutzen extrem vom Nutzerverhalten und Fahrprofil abhängig. Mit leeren Akkus sind diese Autos meist kontraproduktiv und schonen dank Kaufförderungen oft nur den Geldbeutel. Bergen solch staatliche Aktionen die Gefahr, Entwicklungen zu blockieren? Eichlseder: "Es kommt immer auf die politischen Rahmenbedingungen an. Wenn man zum Beispiel die Möglichkeit hat, über einen Teil der Flotte, der rein batterieelektrisch ist, Strafzahlungen zu entgehen, dann werde ich den Aufwand neuer Techniken nicht betreiben."

Ein Fall für Asien

Greift der Staat nicht ein, hat das massive Auswirkungen auf die Entwicklung, wie ein Blick nach Fernost zeigt. "In Asien rauft man schon um entscheidende Prozentpunkte", so Eichlseder weiter. "In Japan etwa gibt es eine große Forschungsinitiative für Verbrennungsmotoren, da ist ein Wirkungsgrad von 50 Prozent das Ziel. Und im Nutzfahrzeugbereich ist das bereits realistisch." Hyundai zum Beispiel überarbeitet die Nockenwellenverstellung noch weiter, verspricht dabei ein Potenzial von vier Prozent in der Leistung, fünf Prozent beim Spritverbrauch und sogar zwölf bei der Reduktion von Abgasen. Noch spannender ein Konzept von Nissan: die variable Verdichtung. Durch einen Stellmotor, der aufgrund der Gaspedalstellung und anderer Parameter den Zylinderhub über einen kleinen Hebel verändert, kann das Verdichtungsverhältnis so zwischen 8:1 und 14:1 verändert werden. Gleichzeitig ändert sich der Hubraum von 1.970 bis zu 1.997 Kubikzentimeter. Mit dem Konzept soll viel Drehmoment in unteren Drehzahlbereichen und eine hohe Füllung bei hohen Touren erreicht werden.

Was für den gebürtigen Oberösterreicher ein großer Schritt in der Entwicklung sein würde? "Ein Punkt, der interessant wird, aber noch nicht gelöst ist, ist die Frage des Magerbetriebs. Man geht bewusst vom stöchiometrischen Verhältnis weg, nur ergibt das bei der Abgasnachbehandlung derzeit noch nicht gelöste Probleme. Hier würde man noch viel erreichen, aber ob das gelingt, ist noch nicht klar." Und bei Punkt drei, der Treibhausgasrelevanz, da geht es überhaupt um alles andere als innermotorische Maßnahmen. "Hier ist der Wirkungsgrad gar nicht so wichtig", meint Eichlseder, "da hat man den größten Hebel über e-Fuels. Denn nur so kann man auch auf die bestehende Flotte eingreifen."

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