Dass Alkolenker und echte "Raser" aus dem Verkehr gezogen werden
müssen, steht außer Zweifel. Doch wie steht es um die vielen anderen
Verwaltungsübertretungen, die in den vergangenen Monaten teils
empfindlich teurer geworden sind?
Vor kurzem machte ein internes Schreiben der Wiener Polizei in den
Medien die Runde. Die "Sehr geehrten Herren
Polizeiinspektionskommandanten" wurden darin aufgefordert, deutlich
mehr Verkehrsstrafen einzuheben: Es sei trotz Personalmangels
"durchaus leistbar, dass jeder voll exekutivdienstfähige
Exekutivbeamte jeder Polizeiinspektion pro Monat durchschnittlich 10
VStV-Anzeigen durchführt". Derzeit seien es dagegen nur 4 bis 5
Anzeigen pro Polizist.
Ein klarer "Befehl zum Abkassieren", wie die "Krone" schrieb? Das
Wiener Landespolizeikommando ruderte schell zurück. Dass sich durch
die mediale Aufmerksamkeit etwas am Bestreben ändert, die
Strafeinnahmen in die Höhe zu treiben, glaubt indes kaum jemand.
Massiv gestiegene Strafen
"Das Zurücknehmen seitens des Wiener Landespolizeikommandos war
logisch, aber nicht wahnsinnig überzeugend", sagt Mag. Martin Hoffer,
Leiter der ÖAMTC-Rechtsabteilung. Er verweist darauf, dass die
Strafhöhen "gerade in den letzten 5 Jahren massiv angestiegen" seien:
"Auf einer Freilandstraße um 12 Stundenkilometer zu schnell unterwegs
zu sein, kostet in manchen Bundesländern bereits 50 Euro."
BeimÖAMTC hat man die ungefähre Höhe der einzelnen Verkehrsstrafen
zusammengetragen. Einige Beispiele: Das "Überfahren von Sperrlinien
oder Sperrflächen" kostet bei einem sofort erteilten Organmandat 36
Euro, bei Zustellung einer Anonymverfügung 35 bis 80 Euro. Die
"Behinderung von Radfahrern aufder Radfahrerüberfahrt" kommt auf 58
bis 72 Euro. Hat sich der Radler der Überfahrt nur "erkennbar
genähert", werden 20 bis 70 Euro fällig. "Nicht Blinken vor dem
Fahrtrichtungswechsel" kostet 21 Euro per Organmandat beziehungsweise
36 bis 42 Euro per Anonymverfügung, das "Missachten einer
Fahrstreifensignalisierung" 21 beziehungsweise 70 Euro. Wer vergisst,
bei Besserung der Sichtverhältnisse die Nebelschlussleuchte wieder
auszuschalten, wird bei Anhaltung im Ortsgebiet mit 21 und im
Freiland mit 36 Euro bestraft. Die entsprechenden Anonymverfügungen
kosten 36 bis 60 Euro.
Kein Durchblick im Strafendschungel
Wieso klaffen die Beträge soweit auseinander? Die Antwort: Je nach
Bundesland werden ganz unterschiedliche Beträge einkassiert. Was wo
wie viel kostet, ist für den Normalbürger kaum herauszufinden. "Dabei
wäre es sehr wichtig, die Strafen öffentlich zugänglich zu machen,
damit sie wirklich jeder kennt", bedauert Hoffer. Er hegt den Wunsch
nach einer bundesweiten Harmonisierung, macht sich aber keine
Illusionen über eine baldige Realisierung.
Der derzeitige Strafendschungel macht es den Behörden einfacher,
Strafen dort und da "anzupassen", ohne dass es zu einem bundesweiten
Aufschrei kommt. So geschehen zuletzt in Oberösterreich: Dort wurde
zum Jahreswechsel das Strafmaß der Anonymverfügungen an das
empfindlich höhere Niveau der Bescheide nach Ermittlungsverfahren
angeglichen. Eine Geschwindigkeitsübertretung von mehr als 10 km/h im
Ortsgebiet kostet seither 50 statt 29 Euro, bei mehr als 20 km/h
wurde die Strafe gar von 35 auf 70 Euro verdoppelt. Im Gegenzug wird
in solchen Fällen von Ermittlungsverfahren abgesehen. Das Land
verdient also doppelt: Einerseits durch die teureren
Anonymverfügungen, andererseits durch die Senkung der
Verfahrenskosten. Verkauft wurde die oberösterreichische Änderung mit
dem vorhersehbaren Mäntelchen der Steigerung der Verkehrssicherheit.
Mehr zahlen für die Umwelt?
In Wien bemühte die grüne Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou "den
Weg des konsequenten Klimaschutzes und der Feinstaubbekämpfung", um
die jüngste Verteuerung von Parkgebühren und Parkstrafen dem Wahlvolk
einigermaßen schmackhaft zu machen: Die Kurzparkscheine wurden dort
zum 1. März um knapp die Hälfte teurer, die Pönale für Falschparken
oder Parkzeitüberschreitung soll "gegen Ende des ersten Halbjahres"
von 21 auf 36 Euro erhöht werden. Die "Pauschalierung für
Nicht-Begünstigte" wurde gar von 1.524 Euro auf 2.544 Euro pro Jahr
angehoben. Die von der Stadtregierung ebenfalls angestrebte
Ausdehnung des Parkpickerls auf weitere Bezirke wurde mancherorts von
den Bezirksvertretungen durchgewunken, anderswo durch
Bürgerbefragungen verhindert. Die Folge sei "Chaos pur", so Burkhard
Ernst, Gremialobmann des Fahrzeughandels: "Die Autofahrer wissen
überhaupt nicht mehr, wie es weitergehensoll."
Zynismus statt Nachhaltigkeit
Dass beispielsweise der Führerschein weg ist, wenn ein Autofahrer im
Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder auf Überlandstraßen um mehr als
50 km/h zu schnell unterwegs ist, ist verkehrserzieherisch durchaus
sinnvoll; dass die Entziehungszeit bei Wiederholungsdelikten oder
noch größeren Temposünden sukzessive ansteigt, ebenfalls. Doch die
echten "Raser" sind eine verschwindend kleine Minderheit.
Der Radarsheriff unmittelbar hinter dem Ortseinfahrtschild, der
(womöglich auf Druck seiner Vorgesetzten) fleißig Anzeigen verteilt,
wird ebenso wenig zur Verkehrssicherheit beitragen wie ein teureres
Parkpickerl die Feinstaubemissionen senkt. Mit dem Auto gefahren wird
in aller Regel deshalb, weil es dazu keine Alternative gibt -gerade
für jene beruflichen Vielfahrer, die Jahr für Jahr zehntausende
Kilometer auf den heimischen Straßen abspulen. Dass diesen
Leistungsträgern undurchsichtige Strafen und exorbitante Belastungen
als dem Gemeinwohl dienend verkauft werden, ist der ultimative
Zynismus in der heimischen Verkehrspolitik.