Bei der Treibstoffeffizienz hat die Autoindustrie gewaltige
Fortschritte gemacht. Dennoch sind die Verbrauchsangaben der
Hersteller im Alltag nur in den seltensten Fällen zu erreichen. Ein
Missverständnis oder gar ein böses Spiel?
Die europäischen Verbraucherschutzverbände testen Kühlschränke,
Mobiltelefone, Wasserenthärter, Holzöfen - und natürlich Autos. Rund
120 Fahrzeuge werden jährlich unter anderem in Hinblick auf ihren
Spritverbrauch unter die Lupe genommen. Dabei gebe es zum Teil
eklatante Unterschiede zu den Werksangaben, berichtet Ing. Rudolf
Heintzl, Experte beim Verein für Konsumenteninformation (VKI): "Je
kleiner die Autos sind, desto größer sind die Differenzen."
Laut dem VKI liegen die tatsächlichen Verbräuche um 20 bis 30 Prozent
über den Herstellerangaben. Derartige Werte lassen manche Konsumenten
vor den Richter ziehen.
Urteile mit Vorbildwirkung
Österreichische Urteile in Sachen Normverbrauch sind vergleichsweise
rar, zuletzt endeten zwei Fälle mit Vergleichen. Anders in
Deutschland, wo die rechtlichen Voraussetzungen weitgehend gleich
sind: Schon 1996 habe der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden,
dass ein Mehrverbrauch von 13 Prozent "nicht unerheblich" sei,
berichtet der Wiener Anwalt Dr. Martin Brenner. Später wurde diese
Zumutbarkeitsgrenze auf 10 Prozent gesenkt. Im Juni 2011 urteilte das
Oberlandesgericht Hamm, dass ein Mehrverbrauch von 8,45 Prozent nicht
zur Rückabwicklung eines Autokaufs berechtige. Sehr wohl handle es
sich aber um einen "relevanten Mangel", sodass der betroffene
Hersteller zum Ersatz der Spritmehrkosten, zu einer
Kaufpreisminderung und zur Übernahme der Prozesskosten verurteilt
wurde. Sollte man also eilig vor den Kadi ziehen, wenn im
Bordcomputer ein höherer Spritverbrauch aufscheint alsim
Verkaufsprospekt? "Nicht so eilig", mahnt Brenner: Zuvor muss
erwiesen werden, dass es sich tatsächlich um einen objektiven
Mehrverbrauch handelt und nicht bloß um das Resultat rasanter
Fahrgewohnheiten. Das erfordert einen Test am Prüfstand, der
beispielsweise bei der Technischen Universitätin Wien mit 4.500 Euro
netto zu Buche schlägt.
Schönheitsfehler beim Testzyklus
Derartige Nachweise sind wichtig, denn durch die Bank verweisen die
Autobauer in ihren Unterlagen darauf, dass der Normverbrauch gemäß
des "Neuen Europäischen Fahrzyklus" (NEFZ) ermittelt wurde. Dieser
dauert knapp 20 Minuten und besteht aus einem 780 Sekunden langen
"City-Zyklus" sowie 400 Sekunden simulierter Überlandfahrt. Die
Umgebungstemperatur beträgt während der Messung 20 bis 30 Grad. Ein
wesentlicher Vorteil gegenüber dem früher üblichen "Drittel-Mix":
Auch Kaltstartbedingungen, die bekanntlich mehr Sprit erfordern,
werden erfasst.
Bei anderen Kriterien ist der seit 1996 verwendete NEFZ dagegen weit
von der Verkehrsrealität entfernt: Geschwindigkeiten über 120 km/h
werden überhaupt nicht berücksichtigt, die im Zyklus durchgeführten
Beschleunigungen von 0 auf 50 km/h nehmen endlose 26 Sekunden in
Anspruch. Licht, Klimaanlage und weitere verbrauchssteigernde Systeme
sind beim NEFZ ausgeschaltet. Kein Wunder, dassKonsumentenschützer
wie Heintzl eine Änderung der Testpraxis fordern.
Vorsicht, Steuerfalle!
Tatsächlich arbeitet die EU an einem neuen Verbrauchszyklus. Ein
fixes Datum für dessen Einführung steht noch nicht fest, Experten
rechnen aber mit einem Zeitfenster zwischen 2015 und 2020. Die neue
Norm könnte weltweit gelten, während in den USA und Japan bislang
ganz andere Maßstäbe angelegt werden. "Das würde den Weg zu einer
weltweit einheitlichen Fahrzeugzulassung erleichtern", meint Dr. Max
Lang, Cheftechniker des ÖAMTC.
Der Autofahrerklub warnt aber auch vor einem entscheidenden Nachteil,
den ein "realitätsnäherer" Verbrauchszyklus gerade in Österreich
haben könnte: Schließlich gibt es hier das europäische Unikum "NoVA",
also eine vom Normverbrauch abhängige Steuer. "Bei einem
verbrauchsintensiveren Testzyklus müsste die NoVA analog reduziert
werden, sonst bedeutet das nichts anderes als eine Steuererhöhung auf
Kosten der Autofahrer", gibt Lang zu bedenken.
Bleifuss oder technisches Gebrechen?
"Wann immer wir uns mit diesem Thema beschäftigen, erhalten wir auch
Zuschriften von einigen Mitgliedern, die mit ihren Autos die
Verbrauchsangaben deutlich unterschreiten", lächelt Lang. Das zeigt:
Es liegt im Wesen eines normierten Wertes, dass er von der Praxis
abweicht.
Ein guter Anhaltspunkt ist der Normverbrauch aber schon jetzt. Sollte
er tatsächlich so signifikant überschritten werden, dass es sich
nicht nur um das Resultat einer etwas flotteren Fahrweise handeln
kann, sondern ein technisches Gebrechen oder ein Konstruktionsfehler
angenommen werden muss, ist der Weg zum zertifizierten Prüfstand
ratsam. Ansonsten gilt vor allem eines:Der beste Tester ist der
Autofahrer selbst. Schließlich weiß nur er, wie sein Fahrzeug Tag für
Tag bewegt wird.