Mit dem Sprinter hat Mercedes die große Klasse der leichten
Nutzfahrzeuge in den letzten 20 Jahren geprägt, ausgerechnet zum
runden Geburtstag will ihm jetzt ein in der Türkei gebauter Koreaner
in die Suppe spucken. FLOTTE&Wirtschaft hat Newcomer und
Klassenprimus einem Vergleichstest unterzogen.
Ob schwäbische Hausmannskost oder fernöstliche Spezialitäten,
Geschmäcker sind bekanntlich unterschiedlich. Bei den leichten
Nutzfahrzeugen spielt das persönliche Stilempfinden durchaus eine
Rolle, Hauptkriterien bei der Anschaffung solcher Transporter sind
aber freilich andere. Laderaum, Nutzlast undnicht zuletzt
Wirtschaftlichkeit stehen im Lastenheft ganz oben. In den letzten
Jahren haben sich im Segment der großen Lieferwagen fixe europäische
Größen etabliert, angeführt vom Mercedes Sprinter, der dieser Klasse
seinen Namen gibt. Ab sofort will aber auch Hyundai mit dem H350 ein
Stückvom durchaus schmackhaften Kuchen.
Schicke Hyundai-Optik
Im Gegensatz zum kleineren H1 wurde der H350 speziell für Europa
entwickelt, gebaut wird das als Kastenwagen und Fahrgestell
erhältliche Modell - der Minibus wird in Österreich aktuell nicht
angeboten - in der Türkei. Der erste Eindruck ist gut, sehr gut
sogar. Die Frontpartie wirkt gefällig, im Innenraum dann die erste
echte Überraschung: Das Cockpit des H350 lässt nicht nur den
Sprinter, sondern auch den gesamten Mitbewerb im wahrsten Sinn des
Wortes alt aussehen. Das frische Design mit den gefälligen Farb- und
Materialakzenten könnte ohne Probleme auch in einem Pkw verbaut sein,
so wertig wirkt das ganze. Ein Radio samt USB- Anschlusssorgt
aufpreisfrei für Unterhaltung, ebenfalls serienmäßig sind unter
anderem Tagfahrlicht, Berganfahrhilfe, ESP, Bordcomputer,
Zentralverriegelung mit Fernbedienung und ein Fahrerairbag, der
Luftsack für den Beifahrer ist - wie auch beim Sprinter - extra zu
bezahlen. Eine Bluetooth-Freisprecheinrichtung gibt es beim
Basismodell "Eco" im H350 weder für Geld noch gute Worte, dafür ist
sie im "Business"-Modell serienmäßig verbaut. Der Blick in die
Preisliste weist diese Variante ohnedies als empfehlenswert aus, für
2.000 Euro Aufpreis (alle Preise in diesem Artikel sind Netto-Preise)
gibt es neben Bluetooth auch eine Einparkhilfe hinten, elektrisch
einstell-und beheizbare Außenspiegel, eine Klimaanlage, Tempomat,
Radiofernbedienung und vieles mehr. Darüber hinaus verwöhnt das 2.500
Euro teure Business-Plus-Paket mit Navigationssystem samt
Rückfahrkamera, LED-Tagfahrlicht, Lichtsensor und CD-Player.
Magere Basisausstattung im Sprinter
Der Sprinter ist in der Basisausführung nicht nur optisch, sondern
auch in Sachen Ausstattung eine Spur nackter als die Basis des H350.
Mercedes verlangt sogar für das Radio 195 Euro Aufpreis, inkludiert
darin aber auch gleich die Freisprecheinrichtung. Auch die
Zentralverriegelung schlägt mit 120 Euro zu Buche. Empfehlenswert ist
auch hier der Griff zu einem Package wie etwa dem Klima-Paket. Für
652 Euro wird der deutsche Kastenwagen mit Klimaanlage, Komfort-
Fahrersitz samt Armlehne und einem vierfach verstellbarem Lenkrad
aufgerüstet. Beim Navigationssystem vertraut Mercedes auf ein Modul
von Becker, das unterm Strich792 Euro kostet.
Mercedes punktet mit zahlreichen Assistenzsystemen
Bei den Sicherheitssystemen hat Mercedes wiederum die Nase vorn. Beim
Sprinter ist ein Seitenwind-Assistent, der den Kastenwagen durch
Lenkkorrektur in der Spur hält, ab Werk dabei, gegen Aufpreis (zum
Teil auch in Paketen) gibt es darüber hinaus einen Spurhalteeinen
Fernlicht-und den gerade bei solchen Fahrzeugen wichtigen
Totwinkel-Assistenten. Abgerundet wird das Angebot durch den
Collision Prevent Assist, der die Gefahr eines Auffahrunfalls
vermindert.Diesem geballten Assistenzeinsatz hat Hyundai nur wenig
entgegenzusetzen. Mit ABS, ESP, Berganfahrhilfe oder einem
hydraulischen Bremsassistenten - alles auch beim Sprinter Serie -
sieht der H350 hier doch deutlich schlechter aus.
Spritziger H350
Kommen wir zu den Motoren. Mercedes bietet vier Turbodiesel mit einer
Leistung von 95 bis 190 PS, einen Benziner mit 156 PS sowie ein
darauf basierendes und gleich starkes Erdgas-Aggregat an. Im H350
gibt es zwei Ausbaustufen des 2,5-Liter-Turbodiesel-Motors mit 150
bzw. 170 PS. Wir haben zum Topmodell gegriffen und dieses mit dem
Sprinter 316 CDI mit 163 PS verglichen. Beide Fahrzeuge sind damit -
auch vollgeladen - ausreichend motorisiert. Im Alltag zeigt sich der
Selbstzünder des Hyundai eine Spur spritziger als der des Mercedes.
Der hat dafür (trotz längeren Aufbaus) auf unserer Verbrauchsrunde
die Nase vorn, wenn auch nur knapp. 9,63 Liter/100 km waren es beim
Sprinter, 9,97 Liter beim H350. Der H350 hat mit 12,85 Metern
übrigens den kleineren Wendekreis alsder Sprinter mit 13,4 Metern,
der punktet dafür mit der besseren Lenkung, die mehr Rückmeldung
liefert.
Ergonomie-Unterschiede
Im direkten Vergleich der beiden Transporter konnten wir auch andere
Vorzüge oder Defizite aufdecken. Der Sitzkomfort ist beim Sprinter
nicht zuletzt aufgrund der etwas längeren Sitzfläche besser, die
Punkte für die Bedienergonomie gehen allerdings an den Hyundai. Die
Instrumente sind besser ablesbar, beim Mercedes ist etwa die Anzeige
des Bordcomputers geradezu winzig geraten. Die praktische
Radiofernbedienung am Lenkrad kostet bei beiden Testprobanden
Aufpreis. Ein Unentschieden gibt es bei den Ablagen,
dankenswerterweise haben sowohl Mercedes als auch Hyundai ihren
Modellen genügend davon spendiert.
Der Hyundai schluckt bis zu fünf Euro-Paletten
Das letzte ist zugleich eines der wichtigsten Kapitel in diesem
Vergleich, Laderaum und Zuladung. Der Sprinter punktetähnlich wie
bei den Motoren mit großer Vielfalt, nicht weniger als vier Längen
und drei Höhen sind in dieser Klasse ungeschlagen. Der H350
beschränkt sich auf die beliebtesten Varianten und kommt mit Hochdach
und in zwei Längen. Um den Vergleich fair zu gestalten, ziehen wir
beim Mercedes nicht die Abmessungen des Testautos, sondern jene des
mit dem Hyundai vergleichbaren Radstandes heran. Mit einer Länge von
6,195 Metern übertrifft der H350 den Sprinter dann um knapp 27
Zentimeter, was sich auch beim Ladevolumen bemerkbar macht. 10,5
Kubikmeter sind es beim Mercedes, mit 12,9 Kubikmetern übertrifft ihn
der Hyundai klar, er liegt ziemlich genau zwischen der langen und der
extralangen Variante des Sprinter. Das bringt dem Koreaner auch den
Vorteil, dass er nicht weniger als fünf Euro- Paletten schlucken kann
und den Raum so ideal ausnutzt.
Klarer Nutzlast-Vorteil für den Sprinter
Bei einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen liegt die
Nutzlast des langen H350 bei 990 Kilogramm. Der Sprinter packt hier -
je nach Ausstattung - zwischen 1.300 und 1.425 Kilogramm und
entscheidet diese Wertung somit klar für sich. Bei der Anhängelast
hat indes wieder Hyundai mit drei Tonnen die Oberhand, beim Mercedes
ist bei zwei Tonnen Schluss.
(K)eine Frage des Preises
Die Preisliste des Hyundai H350 L3H2 mit 150 PS beginnt bei 30.790
Euro, die 170-PS-Variante 2.5 CRDI Business startet bei 33.390 Euro.
Auf den ersten Blick ziemlich knapp am Mercedes Sprinter 316 CDI mit
34.013 Euro dran, relativiert sich das Bild ausstattungsbereinigt
etwas. Addiert man die beim Hyundai serienmäßigen Features beim
Mercedes hinzu, wächst der Preisvorteil des H350 auf rund 4.000 Euro.
Unterschiede gibt es auch bei Garantie beziehungsweise
Gewährleistung. Wer sich bis Ende 2015 für einen Hyundai H350
entscheidet, bekommt drei Jahre Garantie ohne Kilometerbegrenzung,
Mercedes bietet beimSprinter ein 4-Jahres-Wertpaket, allerdings nur
bis maximal 120.000 Kilometer. Unterm Strich kommt es also nicht nur
auf das Einsatzgebiet des Fahrzeuges an, sondern auch auf den
persönlichen Geschmack.
Details zu Preisen, Ausstattung und der Restwertentwicklung finden
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