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WLTP & RDE: Mehr Praxisnähe, mehr Sauberkeit

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Neue Abgastests hängen wie ein Damoklesschwert über der Autoindustrie. Während die Ingenieure schwitzen, um die Motoren entsprechend sauber zu machen, ist so mancher Flottenkunde ob der neuen Spielregeln verunsichert. Wir versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen und erklären die neuen Testprozedere und deren Auswirkungen. Von Stefan Schmudermaier

Trotz guter Verkäufe im Vorjahr ist die Autobranche nervös. Und das nicht nur in Österreich, sondern europaweit. Grund ­dafür ist der neue Verbrauchszyklus WLTP, das Kürzel steht für „World ­Harmonized Light Vehicles Test Procedure“ und geistert bereits seit Monaten durch die Medien. Und wo genau liegt das Problem, ­könnte man nun fragen. Nun, grundsätzlich geht es um mehr ­Transparenz, was den Treibstoffverbrauch der Fahrzeuge anbelangt. Was für den Käufer eine zunächst durchaus gute Nachricht ist. Bei näherer Betrachtung könnte sich das aber ins Gegenteil drehen, auch für Firmen­kunden. Denn durch die neue Messmethode wird sich der ausgewiesene CO2-Ausstoß für die allermeisten Modelle erhöhen. Und damit eigentlich auch NoVA und Sachbezug, die ja beide an den ­Verbrauchs- beziehungsweise ­Emissionswert gekoppelt sind. Eigentlich deshalb, da das Finanzministerium bereits durchblicken hat lassen, bis inklusive 2019 weiterhin den NEFZ-Zyklus zur Berechnung heranzuziehen. Und auch mit dem Auslaufen der NEFZ-Angaben 2021 wurde eine Diskussion zur Umstellung mit den Interessensvertretern in Aussicht gestellt. Bleibt zu hoffen, dass man sich dann auch noch daran erinnert.

 

Heißes erstes Halbjahr?

Die Nervosität auf Seiten der Kunden sollte damit etwas eingedämmt sein, die Branche selbst ist aber ob der Umstellung stark gefordert. Zudem werden einige Modelle schlichtweg aus dem Programm fallen, da es zu großer Investitionen Bedarf, um die Fahrzeuge auf die neuen ­Regeln hochzurüsten. Seit September 2017 müssen neu homologierte Modelle bereits nach WLTP getestet werden, ab September 2018 gilt das auch für bestehende Fahrzeuge. Einige Importeure gehen daher davon aus, dass das erste Halbjahr bei den Verkäufen spürbar über 2017 liegen wird und sich der Markt im Herbst abkühlt. Hinter den Kulissen läuft die Arbeit jedenfalls bereits auf Hochtouren, denn die Ermittlung des CO2-Ausstoßes wird wesentlich komplexer als das ­bisher der Fall war.

 

NEFZ, WLTP & RDE: Das steckt hinter den Kürzeln

Da es immer wieder vorkommt, dass zwar mit den Kürzeln NEFZ, WLTP oder auch RDE (Real Driving Emissions) jongliert wird, aber ein entsprechendes Detailwissen fehlt, wagen wir einen kleinen ­Exkurs in die Welt der Technik. Vergleichen wir den auslaufenden NEFZ, also den Neuen Europäischen Fahrzyklus, mit WLTP. Im Zuge eines Vortrages vor den Mitgliedern des Fuhrparkverband Austria erklärte Dr. Werner Tober, u. a. wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Fahrzeug­antriebe und Automobiltechnik an der TU Wien, Sachverständiger und technischer Experte für das Verkehrsministerium, in einem sehr ­spannenden Referat die Unterschiede der Messverfahren. „Im ­ersten Teil erfolgt die so genannte Fahrwiderstandsermittlung“, so Tober, „die dient im anschließenden Rollenprüfstandtest als Grundlage.“

Hinweis: Den Überblick zu den Begriffen finden Sie hier zum Download. 

Aus für die Gummi-Paragraphen

Zunächst unterscheiden sich NEFZ und WLTP noch gar nicht ­voneinander. Bei beiden Verfahren muss das Fahrzeug aus circa 130 km/h ausrollen, in 10-km/h-Schritten wird dabei die Zeit ­gestoppt. Die Fahrbahn muss eben und trocken sein und darf nur geringe Windgeschwindigkeiten aufweisen, wobei es beim WLTP zu einer Windkorrektur kommen kann. Bei den Umgebungstemp­eraturen gibt es beim NEFZ keine Vorgaben, bei WLTP muss man sich in ­einem ­Temperaturfenster zwischen plus 5 und plus 35 Grad Celsius ­bewegen. Bei den Aerodynamik-Optimierungen wird künftig wohl zurückhaltender als bisher agiert. So mancher Hersteller hat bisher die Fugen bei der Karosserie abgeklebt, wodurch der Luftwiderstand und somit auch der Fahrwiderstand spürbar geringer wurde. Optimiert wurde auch bei den Reifen­dimensionen, für die NEFZ-Tests war die Verwendung der zweitbreitesten Variante vorgeschrieben. Wenn ein Hersteller zum Beispiel zwei ident breite Reifen in der Erstausrüstung hat, wurde eine dritte, schmälere Version zusätzlich aufge­nommen, mit der dann – ganz ­legal – der Test gefahren wurde. ­Apropos legal, die Hersteller ­haben natürlich alles daran gesetzt, den Test bis an seine Grenzen auszunutzen: „Der Test ist mit der Zeit gewachsen, ursprünglich dienten die Messungen nur dazu, um zu kontrollieren, ob der Katalysator funktioniert. Viele Richtlinien sind einfach nicht mehr konform mit modernen Autos. 2009 wurde ein Beschluss gefasst, einen neuen, weltweit gültigen Test­zyklus, nämlich WLTP, ins Leben zu ­rufen.“ In den USA ist die Übernahme von WLTP allerdings noch offen.“

Deutlich mehr Praxisnähe

Zurück zum Testprozedere. Wäre NEFZ nicht auf Teufel komm raus optimiert worden, lägen die Fahrwiderstände zwischen zehn und 60 Prozent (!) höher. Kein Wunder, dass die Praxisverbräuche ­immer mehr vom Normverbrauch ­ab­weichen. Wurde der Fahrwiderstand berechnet, wird ­selbiger auf dem Rollenprüfstand abgebildet, ­womit wir beim 2. Teil des Messverfahrens ­angelangt ­wären. Unter Laborbedingungen, sprich ohne Sonne, Regen, Wind, Kurven, Steigungen oder Gefälle wird hier ein fix vorgegebenes Geschwindigkeitsprofil gefahren. Und auch das unterscheidet sich deutlich zwischen NEFZ und WLTP. So wurde etwa die mittlere Geschwindigkeit von 34 auf 47 km/h angehoben, die Höchstgeschwindigkeit von 120 auf 130 km/h. Die Beschleunigungsvorgänge sind deutlich stärker und einen Konstantfahranteil, sprich längeres Fahren mit identer Geschwindigkeit, gibt es gar nicht mehr. Zudem sind die Schaltpunkte nicht mehr fix vorgegeben, sondern werden spezifisch ermittelt. Unterm Strich also alles Maßnahmen, die deutlich mehr Praxisnähe haben als bisher.

Jedes Extra wirkt sich künftig auf den Verbrauch aus

Diese Tatsache könnte auch Auswirkungen auf künftige Motorengenerationen haben, schließlich sind die Downsizing-Triebwerke – ­Motoren mit wenig Hubraum und Turboaufladung – vielfach ein ­Ergebnis der im Hinblick auf den NEFZ-Test gemachten Optimierungen. Die Techniker haben auch die Start-Stopp-Automatik hinterfragt, hier wurde aber auch mit der neuen Norm die Sinnhaftigkeit ­be­stätigt. Durch WLTP werden die Normverbräuche gegenüber NEFZ um durchschnittlich 20 Prozent steigen, bei kleinvolumigen Motoren ­übrigens mehr als bei großen. Was den Auto-Importeuren je nach Land und Steuergesetz besonders Bauchschmerzen verursachen dürfte, ist die Tatsache, dass künftig jede Sonderausstattung beim CO2-Ausstoß berücksichtigt wird. Umgelegt auf Österreich bedeutet das, dass sich nach der Übergangsfrist durch den Kauf von Extras – von breiteren Reifen oder einer Dachreling bis zu allen gewichtsrelevanten Ausstattungen – auch NoVA und Sachbezug ändern können. Die dahinterliegenden Berechnungen halten aktuell ganze Abteilungen auf Trab, schließlich müssen die ­Daten zum Beispiel im Online-Konfigurator hinterlegt sein.

Praxistests als Ergänzung

Um zu überprüfen, wie sich der Schadstoffausstoß unter realen ­Bedingungen entwickelt, gibt es zusätzlich zu WLTP noch RDE, „Real Drive Emission“. Das Testfahrzeug führt das Labor quasi huckepack mit und ermittelt mit verschiedenen Fahrern und auf definierten Strecken den realen Schadstoffausstoß, mit Schwerpunkt auf NOX und Partikel. Da die Vergleichbarkeit durch Wettereinflüsse und unterschied­liche Streckenprofile aber nicht so exakt möglich ist wie bei WLTP, ist RDE eine zusätzliche ­Messung. Die ist aber insofern wichtig, als derzeit die Typge­nehmigungen der NOX-Werte im NEFZ und jenen im Realbetrieb oft um mehr als das hundertfache voneinander abweichen. Das gehört künftig der Vergangenheit an, so Tober: „Je mehr Fahrzeuge mit zumindest Euro-6d-TEMP auf unseren Straßen unterwegs sind, desto drastischer fällt die Verbesserung der Luftqualität in Zukunft aus.“

 

Euro 6 ist nicht gleich Euro 6

Aufpassen muss man bei der genauen Definition der Abgasnorm. Die neuen Prüfverfahren WLTP und RDE erfüllen nur jene Fahrzeuge, die nach der erwähnten Euro-6d-TEMP-Norm eingestuft sind, Euro 6 ­beziehungsweise Euro 6a/b/c erfüllen diese Norm nämlich noch nicht. Tober rechnet damit, dass sich einige Hersteller in bestimmten Segmenten vor allem vom Dieselmarkt zurückziehen könnten, da der Aufwand für die Abgasnachbehandlung schlichtweg zu groß wird. Der Produktionspreis für einen durchschnittlichen Vierzylinder-Turbo­diesel – ohne Entwicklungskosten – liege bei rund 1.400 Euro, für eine entsprechende Abgasnachbehandlung sei nochmals eine ähnliche Summe zu veranschlagen.

 

Das Fazit

Zunächst liegt der Ball bei den Fahrzeugherstellern, ihre Modellpalette auf WLTP und RDE vorzubereiten. Die Verbraucherinformationen wie Prospekte müssen übrigens noch nicht zwingend adaptiert werden, die EU-Kommission empfiehlt eine einheitliche Umstellung mit dem 1. ­Jänner 2019. Für die Kunden gibt es vom Finanzministeriums ­noch eine Schonfrist bis Ende 2019. So lang werden – mittels eines ­speziellen Umrechnungsfaktors – die WLTP-Werte in NEFZ-Werte zurück­gerechnet,diese bilden weiter die Basis für NoVA und Sachbezugsgrenze, die aktuell ja bei 124 Gramm pro Kilometer liegt und jedes Jahr um ­weitere drei Gramm fallen wird. In diesem Zusammenhang ist zu hinterfragen, ob auch die Car-Policys, die oftmals CO2-Grenzen beinhalten, auf NEFZ- oder WLTP-Daten ­zugreifen, was einen, je nach Fahrzeug, gravierenden Unterschied ausmachen kann. Besonderes Augenmerk sollte auch auf jene Autos ­gelegt werden, die jetzt auf Basis des aktuellen NEFZ-Wertes angeschafft, aber erst nach Inkrafttreten der WLTP-Norm ausgeliefert beziehungsweise zugelassen werden, da es hier zu unterschiedlichen Angaben beim CO2-Ausstoß kommen kann. Eines gilt laut Tober übrigens als fix: Das neue WLTP-Testverfahren ­bietet den Herstellern so gut wie keine Möglichkeit mehr, Lücken auszunutzen. Zudem hat die Typgenehmigungsbehörde die Möglichkeit, das Fahrzeug jederzeit zu überprüfen. Sollte es durchfallen, würde die Typgenehmigung des entsprechenden Modells zumindest wackeln. Und das will sicher kein Hersteller riskieren. •

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