Wir erleben gerade eine Revolution: Das Auto wird Teil des Internets.
Diese Vernetzung erhöht die Sicherheit und den Komfort. Doch wie
Datenschützer meinen, könnte am Ende der Entwicklung ein gläserner
Autofahrer stehen.
Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Handy, den schwarzen,
zweieinhalb Kilogramm schweren Klotz mit ausziehbarer Antenne und dem
briefmarkengroßen, grau-grünen Display? Und haben Sie noch vor Augen,
respektive in den Fingern, wie Sie Ihr erstes SMS verschickt haben
und für die Eingabe eines Buchstabens mehrmals auf die gleiche Ziffer
drücken mussten? Seien Sie ehrlich, im Jahre Schnee hat uns diese
Technik begeistert, heute fühlt es sich an, als wäre das bereits ein
halbes Jahrhundert her. Uns geht es zumindest so. Damals hätten wir
uns nicht vorstellen können, dass wir heute ein Smartphone in die
Hand nehmen, das flach und leicht wie eine Scheibe Gouda ist, keine
Tasten hat, sondern im Prinzip nur noch wie ein einziger, großer
Bildschirm aussieht. Hätte uns damals jemand erzählt, dass wir 2015
mit unseren Handys hochaufgelöste Fotos machen und an Freunde
verschicken können, im Internet surfen, es als Navigationsgerät
nutzen und über Apps Kleidung kaufen, den Urlaub buchen oder eine
Sportwette abschließen werden,hätten wir dieser Person milde ins
Gesicht gelächelt.
Vernetzung macht die Autos smart
Die Wahrheit ist, eineähnliche Evolution ist derzeit bei Autos im
Gange. Und diesmal sehen wir die Entwicklung deutlicher. Wer nämlich
regelmäßig die Funktionen und Dienste seines Smartphones nützt, kann
sich leicht vorstellen, wohin die Reise geht. In wenigen Jahren
werden die Autos Teil des Internets sein, mit eigener IP-Adresse
online gehen und sich untereinander über Glatteis, Geisterfahrer oder
freie Parkplätze "unterhalten". Moderne Autos wissen aber noch mehr,
weil schon heute bis zu 80 Datenträger Informationen speichern. Kurz:
Es weiß, wie schnell gefahren wird. Es weiß, wohin gefahren wird. Es
weiß, wann und wo der Fahrer eine Pinkelpause macht. Es weiß, wer ihn
anruft, wer ihm Mails schreibt und sogar was darin steht. Zur
Verdeutlichung: Allein das Steuergerät eines Airbags sammelt Werte zu
Tempo, Beschleunigung, Motordrehzahl und darüber, ob der Fahrer
angeschnallt ist oder sich andere Personen im Fahrzeug befinden. Das
alles sind wichtige Parameter, um den Airbag im Fall eines Unfalls
korrekt zu zünden. Und es sind wichtige Informationen für Rettung und
Feuerwehr, die automatisch über das kommende Notrufsystem eCall
alarmiert und über die Schwere des Crashs, Fahrzeugposition und
Anzahl der Insassen informiert werden. Dieses System wird die
Überlebenschancen erhöhen. Keine Frage, das hat Qualität. Und dennoch
hat diese Verbesserung auch ihren Preis -in doppelter Hinsicht:
Zum einen können Hacker Sicherheitslücken nutzen und die Systeme
manipulieren. So wie es etwa kürzlich bei BMWs "ConnectedDrive"
passiert ist. IT-Kriminelle hatten aufgrund einer mangehaften
Verschlüsselung unbemerkt Zugriff auf die Elektronik von 2,2
Millionen Fahrzeugen -konnten so die Autos etwa in sekundenschnelle
über den Mobilfunk aufsperren. Zweitens lässt sich über die im Auto
vorhandenen Daten ein Bild über das individuelle Verhalten hinterm
Steuer, tägliche Wege, persönliche Gewohnheiten und Vorlieben
zeichnen -wenn sie dauerhaft gespeichert werden.
Daten sind flüchtig
Genau in diesem Punkt tut sich eine rechtliche Grauzone auf, denn
derzeit ist nicht klar definiert, wer der Eigentümer dieser Daten ist
und wer Zugriff darauf hat. Datenschützern stößt diese Situation
äußerst unangenehm auf, weil jedem wirtschaftlich denkenden Mensch
klar sein muss, dass diese -an sich lobenswerten -Services nicht
umsonst in unsere Autos einziehen werden, sondern über neue
Geschäftsfelder finanziert werden müssen. Das Argument, es sei in
Ordnung, wenn Autos diese Daten automatisch an die Hersteller senden,
lassen Kritiker also nicht durchgehen. Das Problem: Daten sind keine
physische Sache, stehen nicht in der Verfügungsgewalt eines Einzelnen
und haben deshalb streng genommen auch keinen Eigentümer. Aus dem
gleichen Grund lassen sich sie sich auf einfachste Weise
vervielfältigen und an Dritte weitergeben.
Fahrer muss Schleusenwärter bleiben
Datenschützer plädieren daher seit dem 52. Deutschen
Verkehrsgerichtstag in Goslar für die Einführung eines eigenen
Datenschutzgesetzes für Autos auf europäischer -wenn nicht sogar
globaler - Ebene. Weiters fordern sie, dass der Fahrer in Zukunft
darüber bestimmen können muss, welche Fahrzeugdaten er freigeben
möchte. Im Sinne eines Schleusenwärters also entscheiden kann, welche
Informations-Türen er für die Übertragung öffnen und welche er lieber
verschlossen halten möchte.
Darauf reagierten die Automobilhersteller bereits, in dem sie ihre
Produkte wie etwa die "DiBox" des Volkwagen-Konzerns (siehe Seite 20)
oder das "connect me"-Modul von Mercedes-Benz mit diesen
Privatsphäre-Einstellungsmöglichkeiten versehen haben. Ein weiterer
Schritt in Richtung konsequentem Datenschutz stellt außerdem das
"European Privacy Seal" dar. Damit werden jene Lösungen für das
vernetzte Auto zertifiziert, die besonders hohe Standards beim
"Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten,insbesondere des Rechts
auf Privatsphäre in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener und
personenbeziehbarer Daten im Bereich der elektronischen Kommunikation
sowie den freien Verkehr dieser Daten" gewährleisten.
Autofahrer nach wie vor skeptisch
Aus Sicht der Hersteller ist es freilich verständlich, dass sie
Interesse an möglichst umfassenden und vielfältigen Datensätzen
haben, da dies die Vermarktung von Zusatzservices erleichtert. Und
wer die Entwicklung beim Smartphone beobachtet und registriert, wie
unbekümmert und angstfrei viele User ihre Daten Google, Facebook und
Co zur Verfügung stellen, darf davon ausgehen, dass sie dies auch
ohne größere Bedenken bei ihren Autos tun werden. Kein Wunder: Viele
schätzen nun einmal den Komfort, der durch personalisierte Daten
entsteht. Beispielsweise wenn einem das Fahrzeug zur Mittagszeit
automatisch den Weg zur nächsten Filiale seiner
Lieblings-Fast-Food-Kette vorschlägt, oder er - aufgrund der
Überwachung des eigenen Fahrstils - eine geringere
Versicherungsprämie zahlen muss.
Rückschlüsse auf persönliche Gewohnheiten möglich
Dass aufgrund dieser Daten jedoch auch Rückschlüsse auf die Ernährung
und in weiterer Folge Vermutungen über den Gesundheitszustand gezogen
werden können, ist vielen vielleicht nicht bewusst. Das ergab
zumindest eine Studie der Fachhochschule Köln. Sie fand heraus, dass
die Idee von eCall an sich von 38 Prozent der Befragten als
"großartig" und von 37 Prozent als "sehr gut" eingestuft wurde. Die
Krux an der Sache: Je mehr die Fragen ins Detail gingen, desto
skeptischer wurden die Befragten. So lehnten es etwa 86 Prozent ab,
dass die Hersteller Infos über Geschwindigkeit und Insassen erhalten.
Und 85 Prozent waren dagegen, dass der Versicherer erfährt, ob die
Gurte angelegt waren und ob das Tempo-Limit eingehalten wurde.
Stattgefunden hat die Befragung übrigens im Jänner 2013, zu einem
Zeitpunkt, wo die Buchstaben-Kombination "NSA" von den meisten
deutschsprachigen Europäern noch als Abkürzung für "Nachsendeauftrag"
verstanden wurde ...
Was muss ein Arbeitgeber beachten, wenn er seine Firmenfahrzeuge mit
Ortungssystemen ausrüstet?
In Betrieben mit Betriebsrat gilt:
Nach dem Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) ist die Verwendung von
Kontrollmaßnahmen oder technischen Kontrollsystemen, sofern diese die
Menschenwürde berühren, grundsätzlich nur dann zulässig, wenn vorab
der Betriebsinhaber mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung
abgeschlossen hat. Beim Einsatz von Kontrollsystemen wie
beispielsweise GPS- Ortungssystemen in Firmenfahrzeugen kommt es auf
die Kontrollintensität (Permanenz der Kontrolle,
Abgleichungsmöglichkeiten mit anderen Systemen, Aufzeichnungsdauer
und Auswertungsmöglichkeiten der Daten etc.) und darauf an, welches
Interesse der Arbeitgeber an der Verwendung der Systeme hat. In der
Regel sind solche Systeme jedenfalls zustimmungspflichtig. In einer
Betriebsvereinbarung können durch eindeutig nachvollziehbare Regeln
Offenheit und Klarheit über den Zweck des Systemeinsatzes sowie eine
Beschränkung der Auswertungsmöglichkeiten geschaffen werden.
Misstrauen oder sogar Angst vor übermäßiger Kontrolle im Betrieb
werden dadurch hintangehalten.
In Betrieben ohne Betriebsrat gilt:
In betriebsratslosen Betrieben dürfen solche Kontrollmaßnahmen wie
der Einsatz von GPS-Ortungssystemen nach dem
Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG, § 10) nur mit
Zustimmung der einzelnen Arbeitnehmer durchgeführt werden. Die
Arbeitnehmer können ihre Zustimmung, sofern keine schriftliche
Vereinbarung über ihre Dauer getroffen wurde, jederzeit widerrufen.
Aufgrund des typischen Verhandlungsungleichgewichts im
Arbeitsverhältnis ist es auch bei Einwilligungen nach § 10 AVRAG
ratsam, auf Schriftlichkeit und Transparenz zu achten.