Wie bewährt sich das MAN-Topmodell TGX 18.560 im glühenden Kurztest
auf heimischem Boden?
Einen realistischen und mit den Mitbewerbsmodellen vergleichbaren
Verbrauchswert bei einem 40 Tonnen Lkw zu erfahren, verlangt nach
ziemlich perfekten Testbedingungen. So um die 18 Grad Celsius
Außentemperatur und ein normales Verkehrsaufkommen auf einer Strecke
von rund 500 Kilometern wären ideal.
Bei fast 40 Grad und dichtem Urlaubsverkehr wird die Aufgabe schlicht
und ergreifend zu einer "Mission: Impossible", zumal hier auch die
ständig mit voller Leistung arbeitende Klimaanlage, der höhere
Rollwiderstand der Reifen oder die der Leistungsentfaltung nicht
zuträgliche extrem heiße Ansaugluft in die Verbrauchswertung mit
einfließen.
Andere Fachmagazine, die mehr "Wetterglück" und damit keinen
butterweichen Asphalt unter den Rädern hatten, kamen beim
MAN-Topmodell TGX 18.560 übereinstimmend auf einen Verbrauch von rund
26 Litern. Ein Wert, der als sehr effizient einzustufen ist und den
wir an dieser Stelle gerne glauben wollen.
Nur, wer ihn wirklich braucht
Viele Unternehmer werden dies wohlwollend zur Kenntnis nehmen und
dennoch nicht zum TGX 18.560 greifen. Ein Truck muss Geld verdienen,
womit nicht genutzte Leistung in erster Linie teuren Ballast
darstellt. Nur diejenigen, die ständig voll ausgeladen und mit
entsprechendem Zeitdruck durch Europa rollen, spricht MAN mit diesem
Modell wirklich an. Und vielleicht kann sich auch noch der ein oder
andere selbstfahrende Chef, der sich was gönnen will, für das
Flaggschiff begeistern. Alle anderen finden bestimmt auch im
weitreichenden Angebot an deutlich schwächeren TGX-Modellen ihr
Wunschfahrzeug.
Top of the League
Wenn es aber schon der stärkste Motor sein darf, dann auch gleich die
größte Kabine, so wie es sich für ein Topmodell gehört. Vollgeräumt
mit allen Dingen, die das Trucker-Leben nicht nur schöner und
bequemer, sondern auch sicherer machen, findet sich hier enorm viel
Lebensraum -ganz egal, ob allein oder zu zweit gefahren wird. Zwei
große Betten verstehen sich da fast schon von selbst, zumal sie
tagsüber platzsparend an der Kabinenrückwand hochgeklappt werden
können.
Ganz auf Komfort zielt auch der mit Leder bezogene Fahrersitz, derüber mehrere Stufen erklommen werden will. Die ziemlich intuitiv
ausgelegte Einstellung von Sitz und Lenkrad ist schnell erledigt, die
Übersicht in alle Richtungen geradezu großartig.
Steigungen? Kein Problem!
Den Gurt fixiert, den 15-Liter-Sechszylinder zum Leben erweckt, die
Steuerung für das voll automatisierte Getriebe auf "D" gestellt und
den Federspeicher gelöst, braucht es nur noch den rechten Fuß, der
für den Startschuss verantwortlich ist. Neuerdings funktioniert das
Losfahren dabei noch sanfter und auch das gefürchtete Zurückrollen
kann mittels "MAN Easy Start" elektronisch ausgeschlossen werden.
Ein wenig wankend und die viele Kraft spürbar verarbeitend (2.700 Nm
stehen bereits bei 930 U/min parat) setzt sich der TGX bei
durchgedrücktem Gaspedal rasch in Bewegung und erstürmt die steil
ansteigende Autobahnauffahrt hin zur Wiener Außenringautobahn
souverän. Die 40 Tonnen Gesamtgewicht sind hier fast nicht zu merken.
Erst kurzvor Hochstrass fällt der Zug minimal hinter die erlaubten
80 km/h zurück. Kein Grund zur Sorge, andere Trucks fahren gerade
noch mit Schrittgeschwindigkeit über diesen Berg, zählt diese Stelle
doch zu den steilsten Anstiegen, die einem bei der Querung Europas
begegnen können. Dies macht auch die Abfahrt deutlich, auf der sich
der aktivierte Tempomat redlich Mühe geben muss, um die hier
erlaubten 60 km/h nicht zu überschreiten. Dass der Technik
(Stichwort: Intarder) dabei richtig warm wird, verrät eine
Warnleuchte, die im Prinzip nur darüber informiert, dass der Truck
jetzt vielleichtein paar Stundenkilometer schneller unterwegs sein
wird, als dies eigentlich programmiert ist. Fühlt sich komisch an,
hat aber keinerlei Auswirkungen auf die Fahrt an sich. Das gewohnt
souveräne Gefühl stellt sich sodann auf der nächsten Steigung wieder
ein und auch an das auf der Landstraße etwas indirekte Fahrgefühl,
ausgelöst durch die besonders weiche Luftfederung, wird mit jedem
Autobahnkilometer mehr zur Alltäglichkeit.
Am und nicht im Auto
In dieser Form gewöhnungsbedürftig ist für alle, die nicht ständig
MAN fahren, auch der verhältnismäßig kompakt gehaltene, ergonomisch
perfekte Fahrerarbeitsplatz, der stets ein wenig den Eindruck
vermittelt, am und nicht wirklich im Auto zu sitzen. Jene, die hier
leben, werden das "Wohnzimmer" vermutlich sehrzu schätzen wissen.
Auch werden Profis dieses etwas abgehobene Gefühl durch Routine
kompensieren. Wer generell mehr Bezug zum Fahrzeug braucht - um nur
ein Beispiel zu nennen -ist bei der Schwestermarke Scania besser
aufgehoben.
Über jeden Zweifel erhaben ist dafür das 12-Gang-TipMatic-Getriebe
samt optimiertem Rangiermodus und Freischaukelfunktion, das schnell
schaltet, ohne Unruhe ins Fahrzeug zu bringen. Dies ist besonders
deutlich spürbar, wenn der über ein sehr komplettes topografisches
Wissen verfügende Tempomatdas Tempo vorgibt. Auch auf bekannten
Strecken ergeben sich somit Situationen, in denen der wissende
Tempomat schlauer agiert als dies der Fahrer in der Regel tut. Immer
besser, wenngleich noch lang nicht richtig souverän, wird auch das
Abstandradar, wobei moderne Pkw-Modelle hier weiterhin gefühlvoller
am Werk sind, was auch an den geringeren Massen und der leichteren
Beschleunigung liegen mag.
Der Fahrer sitzt im Glashaus
Uneingeschränkt souverän zeigt sich der große TGX bei der Übersicht.
Riesengroße Fensterflächen und kein noch so kleiner Bereich, der
nicht über einen der zahlreichen und durchwegs elektrisch
verstellbaren Spiegel einsehbar ist. Der Sicherheit dienlich sind
auch der Notbrems-und der Spurhalteassistent.Beide Systeme sind ab
1. November 2015 für neue Lkw-Modelle verpflichtend.
Patriotisches Fahrgefühl
In der Rolle des Topmodells noch mehr als sonst dem Mitbewerbsdruck
ausgesetzt, ist es dem TGX 18.560 hier in erster Linie durch
Leistung, Qualität, niedrige Servicekosten und ein harmonisches
Gesamtpaket möglich, potenzielle Kunden zu überzeugen. Insgesamt
nicht mehr so topmodern gestaltet (gilt speziell für den
Fahrerbereich), wie sich das der eine oder andere vielleicht wünscht,
ist das Raumangebot und der damit verbundene Praxisnutzen unverändert
sehr beeindruckend. Hinzu kommt, dass man mit dem MAN auch gegenüber
dem Kunden gut, aber keineswegs übertrieben angezogen auftritt, was
wiederum bestimmt kein Nachteil ist. Nicht zu vergessen ist auch die
immer noch hohe österreichische Wertschöpfung der zwischenzeitig dem
Volkswagen Konzern eingegliederten MAN-Lkw- Produktion, die
hierzulande viele Arbeitsplätze sichert.