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Überleben durch Veränderung

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Die Digitalisierung und die Vernetzung der Fahrzeuge zwingen die Autohersteller zur Anpassung ihrer Strukturen, Arbeitsweise und Innovationstempo. Sie müssen sich vom Produzenten zum Mobilitätsdienstleister wandeln - auch, um das autonomfahrende Auto auf die Straße zu bringen. Derzeit hapert es allerdings nicht nur an überalterten politischen Rahmenbedingungen.

Connected Mobility - The Automotive Revolution": Das Thema der diesjährigen "Autocontact"-Fachtagung in Graz hätte nicht besser gewählt sein können, hat sich das Land und die steirische Industrie doch gerade unter der Schirmherrschaft des Autoclusters ACStyria als Testregion für autonomfahrende Autos beworben. Und auch das passt wie der Sterz zur Schwammerlsuppe, mischen doch in der Steiermark beheimatete Unternehmen wie Magna, AVL List, AT&S, Infineon oder Dewetron bei der Entwicklung des vollautomatisierten Fahrzeugs ganz vorn mit. "Mit der Entwicklung des autonomen Fahrzeugs entsteht für unsere Zulieferbetriebe ein Markt mit mehreren Milliarden Euro", ist sich ACStyria-Geschäftsführer Franz Lückler sicher.

Politik muss nachjustieren

Davor ist allerdings die Politik gefragt. So verlangt etwa Magna-Steyr-Vorstand Gerd Brusius schnelle Anpassungen: "Um die Wettbewerbsfähigkeit der steirischen Automobilunternehmen zu erhalten und 50.000 Arbeitsplätze zu sichern, brauchen wir die Möglichkeit, autonomes Fahren im rechtlichen Rahmen hierzulande testen zu können." AT&S-CEO Andreas Gerstenmayer vertritt die gleiche Position: Die Politik müsse den notwendigen Rechtsrahmen schaffen, damit in der Steiermark vor der Haustür getestet und geforscht werden könne.

Woran hapert"s?

Konkret verlangt die Industrie eineÜberarbeitung des Artikel 8 des internationalen Wiener Übereinkommens von 1968, das vorschreibt: "Jeder Führer muss dauernd sein Fahrzeug beherrschen." Das bedeutet: Selbstfahrende Autos sind derzeit ein Ding der Unmöglichkeit, liegt ihr Sinn doch gerade darin, dass der Fahrer die Kontrolle über das Fahrzeug an den Autopiloten abgibt. Der Autocluster ACStyria fordert daher den zuständigen Verkehrsminister auf, eine "Ausnahmeregelung für autonomes Fahren in der Steiermark zu ermöglichen".

Weitere Probleme zu lösen

Ganz abgesehen davon, hat auch die Autoindustrie in puncto autonomfahrende Fahrzeuge noch einige Hausaufgaben zu machen. So geht etwa ACStyria- CEO Lückler davon aus, dass sich die Autoindustrie bis ins Jahr 2030 gravierend verändern wird. Neben "hocheffizienten Antrieben" (Stichworte: CNG, E-Antrieb, Hybridisierung, Plug-in-Technologie und Wasserstoff) wird auch "die fortschreitende Digitalisierung" - und mit ihr auch das autonome Fahren - "massiv an Bedeutung gewinnen".

Martin Hausschild, Leiter des Verkehrsmanagements bei der BMW Group, formuliert es noch schärfer: "Wir werden nicht überleben, wenn wir uns nicht verändern!", da auf die Automobilindustrie "in den nächsten Jahren mehr Neuerungen als in den letzten 100 Jahren" zukommen werden.

Von Produzent zum Dienstleister

Die Kernfrage für die Autoindustrie lautet nämlich: Können sich die Konzerne vom Autoproduzenten zum Mobilitätsdienstleister wandeln? Denn ist das Auto erst mal Teil des Internets-der-Dinge, kommuniziert also mit anderen Fahrzeugen, der Infrastruktur und kann wie ein Smartphone mit Apps und Programmen ausgestattet werden, sind völlig neue Produkte und Services gefragt. Oliver Bahns, Global Director Automotive bei Hewlett-Packard, mahnt deshalb: "Die Entwicklung der Sharing Economy zwingt die Hersteller dazu, die Verschiebung von Käufern zu Nutzern zu akzeptieren und bedienen zu müssen". Auch wenn "dasAuto noch sehr lang das wichtigste individuelle Verkehrsmittel bleiben werde", müsste die Industrie deshalb an der Neudefinierung der Hersteller-Besitzer-Verknüpfung arbeiten: "Es entstehen durch die Vernetzung mehr Berührungspunkte zum Kunden, da er Apps kaufen oder Concierge-Services nutzen wird". Der Schlüssel liege laut Bahns im Faktum, diese Kundenkontakte möglichst effizient und gezielt zu nutzen. Die Krux an der Sache: Wenn ein Hersteller die Digitalisierung beziehungsweise die Konnektivität verschläft, dann wird er nie ein selbstfahrendes Auto produzieren, da autonomfahrende Fahrzeuge ohne Vernetzung keinen Datenaustausch vollziehen können, ergo also gar nicht funktionieren können.

Neue Mentalität etablieren

Start-ups oder andere Konzerne würden sich bei den digitalen Dienstleistungen freilich einfacher tun, meint Hausschild und verweist auf Google, Apple&Co, die verstärkt die Autoindustrie mit neuen Konzepten und Services aufmischen. So hat die fortschreitende Fahrzeugvernetzung und die Sharing Economy schon in den vergangenen Jahren zu einer Vielzahl von neuen Mobilitätsdienstleistungen (z. B. Mitfahrzentrale, CarSharing, MyTaxi, ParkNow, Moovel, Uber etc.) geführt, die mittlerweile auch von den etablierten Autobauern bespielt werden. Dennoch ist die Branche laut dem Volks-und Betriebswirt Helmut Becker, der über 40 Jahre für BMW tätig war und nun Institutsleiter des IWK München ist, "nach wie vor auf der Suche nach einem neuen Geschäftsmodell", wobei "schlussendlich allein der Kunde entscheiden wird, welche Technologien sich durchsetzen werden oder nicht". Und da gelte der Grundsatz: "Alles was gegen den Markt - die Natur - ist, hat auf Dauer keinen Bestand." Für ihn ist die Angst der Autoindustrie vor Google und Co jedoch überzogen: "Eskann keiner kommen und sagen: Ich hab" da ein Handy und häng" da jetzt ein Auto ran." Gute Autos zu bauen sei keine Kleinigkeit, "dafür brauche man mehr als ein paar abgeworbene Ingenieure".

Offene Fragen

Dass die Autoindustrie ihre Aufgabe und Konkurrenten ernst nimmt, merkt man auch daran, dass in der Diskussion nun auch völlig neue Aspekte auftauchen. So stellte etwa Jens Lagenberg, Projektleiter bei der Volkswagen Konzernforschung, in seinem Vortrag die "Auto-Mensch-Schnittstellen" in den Fokus. Lagenberg: "Wenn der Lenker das vollautomatisierte Fahrzeug in technisch schwierigen Situationen überwachen muss, welche Tätigkeiten erlauben wir ihm dann und wie überwachen wir ihn? Geben wir ihm nur Tätigkeiten im Auto, die wir ihm jederzeit auch wieder wegnehmen können?" Auch hier spiele die Rechtsunsicherheit eine große Rolle, schließlich sei noch völlig unklar, wer für den Schaden an Leib und Leben hafte, wenn etwa "dem Fahrer seine Laptop-Tastatur bei einem Crash ins Gesicht tätowiert wird". Im Zuge des laufenden Volkswagen-Projekts "AdaptIVe" wird laut Lagenberg gerade an einem Katalog gearbeitet, der diese offene Punkte klären soll.

Unfälle akzeptieren F

ür Hanno Miorini, Vice President Sales bei der Robert Bosch AG, ist die Entwicklung hin zum unfallfreien Fahren zwar "eine gesellschaftliche Verpflichtung", dennoch müsse man sich auch auf Unfälle von selbstfahrenden Fahrzeugen einstellen: "Man wird solch tragische Einzelfälle akzeptieren müssen, weil der gesamtgesellschaftliche Nutzen (Anm.: weniger Verkehrstote) überwiegt." Bis dieser Ernstfall erstmals eintritt, werden aber ohnehin noch mindestens zehn Jahre vergehen. Zeit genug, um auch die Konsumenten an die selbstfahrenden Wagen zu gewöhnen. Der Autovisionär und Querdenker FrankRinderknecht ist sich ohnehin sicher, dass es noch dauern wird, bis "die Menschen sich auf die selbstfahrenden Autos einlassen und ihnen vertrauen werden". Erst wenn die Software so weit entwickelt sei, dass sie "selbstständig lernen und interpretieren kann", würde sich eine Breitentauglichkeit einstellen. Insofern sei es wichtig und richtig, dass "die Entwicklung schrittweise vorangeht" und sich von den heutigen Assistenz-Systemen ausgehend hin zu Advanced-Assistenz-Systemen vollziehe, bevor Fahrzeuge vollautomatisch fahren dürfen.

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