Firmenflotten und Fuhrparks bestehen so gut wie ausschließlich aus
Dieselfahrzeugen. Wie lang noch? Für den Diesel heißt es: Entweder es
gibt Fahrverbote in Städten oder es wird noch so richtig teuer.
Technologie, Wirtschaft und Politik sind in einem extremen
Spannungsfeld. Augen zu und durch wird es nicht mehr spielen.
Für den Dieselantrieb wird es ernst. Jahrzehntelang wurde er von der
Autoindustrie gepusht: effizient, sparsam, hohes Drehmoment,
technisch fortgeschritten, mit Meilensteinen wie Turboaufladung oder
Commonrail. Immer sauberer dank Rußpartikelfilter und ähnlichen
Raffinessen. Stickoxide? Bekommen wir schon in den Griff. Für
Fuhrparkmanager gab es faktisch keine Alternative.
Dann kam der Dieselskandal. Der Volkswagen-Konzern ist
hauptbetroffen, aber Ermittlungen gibt es in mehreren Konzernen. Der
Zulieferriese Bosch wird von Behörden und Experten verdächtigt, eine
der komplexesten Software-Lösungen in der Geschichte des Automobils
entwickelt zu haben, mit nur einem Ziel: dass das Fahrzeug selbst
erkennt, wann es auf dem Prüfstand steht. Und automatisch Verbrauch
und Emissionen runterfährt, auf ein Niveau, das mit einem realen
Fahrbetrieb nichts mehr zu tun hat. Es folgten Ermittlungen, Razzien,
Dramen, Rücktritte, Klagen, Prozesse. Mit dem sekundären Ergebnis,
dass nun allerorts über die Zukunft des Dieselmotors spekuliert wird.
Schwierige Interessenskonflikte
Man muss kein Prophet sein, um vorauszusehen, in welche Richtungen es
gehen wird. Augen zu und durch, wie es mancher Automanager gerne
hätte, wird wohl keine Option mehr sein. Im Wesentlichen wird es um
zwei Aspekte gehen: Erstens, wie radikal werden Fahrverbote in den
Metropolen aussehen? Und wie werden sie exekutiert werden? Zweitens,
zu welchen Kosten werden die Systeme zur Stickoxid-Minderung in den
Abgassystemen, also vor allem Selective Catalytic Reduction (SCR),
verkauft werden. Wie wirtschaftlich werden Erwerb und Betrieb eines
Diesel-Pkw künftig sein können? Und: Reicht das? Dazwischen werden
Industrie und Politik stehen. Erstere muss ihr Businessmodell
verteidigen, unter anderem gegen die Erwartungen von Investoren, die
nur mehr von Elektromobilität und autonom fahrende Autos hören wollen
und dem Aktienkurs von Tesla Motors zusehen, wie er durch die Decke
schießt. Und dann erzählen Vorstände der traditionellen Autoindustrie
über das doch noch vorhandene Potenzial des Dieselmotors, von "Clean
Diesel" und ähnlichem.
Eine Frage der Kosten
Die Technologie wäre mit SCR ja vorhanden, also mit der Einspritzung
einer wässrigen Harnstofflösung in einen Abgas-Katalysator, wobei
Ammoniak gebildet und Stickoxide aufgespaltet werden. Mit dieser
Technologie erzielt man in Lkw beeindruckende Ergebnisse. Es gibt
40-Tonner, die bessere Emissionswerte haben alsein Kleinwagen. Nur
bei einem 40-Tonner gehen die Kosten für die Abgasreinigung im
Gesamtpreis unter. Bei einem Kleinwagen sind ein paar Tausender mehr
entscheidend darüber, ob ihn überhaupt jemand kauft. Entwickler wie
AVL List in Graz setzen deswegen auch auf die milde Hybridisierung
von Ottomotoren für kleine Fahrzeuge, von Dieselmotoren für größere.
Abwartende Politik ...
Und die Politik? Die wartet, bis die nächsten Wahlen vorbei sind. In
Deutschland die Bundestagswahlen im September, in Österreich die
Nationalratswahlen im Oktober. Danach: Fahrverbote, das Ende des
Steuerprivilegs beim Diesel? Als der österreichische Umweltminister
Andrä Rupprechter (ÖVP) Ende März die Wahrheit auszusprechen wagte
und sagte, dass sich Dieselfahrer auf höhere Kosten einstellen
müssten, wurde er öffentlich abgewatscht. Auch von den eigenen
Leuten. Er ist ja auch Landwirtschaftsminister. "Wir lehnen eine
einseitige Besteuerung für Dieselfahrzeuge ab! Der Klimawandel darf
nicht auf den Rücken der Bauern und einer Mehrzahl der Pkw-Besitzer
ausgetragen werden", tönte es beispielsweise aus der ÖVP Burgenland.
Fahrverbote für Regierungskarossen?
SPÖ-Verkehrsminister Jörg Leichtfried vermied dabei tunlichst jede
Festlegung, weiß er doch, dass "seine" Arbeitnehmer auch zu einem
guten Teil Diesel-Pkw lenken. Auf Verteuerungen von Energie für die
arbeitende Bevölkerung reagiert die Arbeiterkammer immer verärgert.
Kurze Zeit später ließ Leichtfried sich von den Grünen per
parlamentarischer Anfrage erwischen, hauptsächlich mit seinem
Diesel-Audi-A8 unterwegs zu sein, statt mit dem kürzlich
medienwirksam vorstellten Elektroauto des Ministeriums. Auch der
Regierungsfuhrpark besteht selbstverständlich aus Diesel-Limousinen.
Könnte es sein, dass die Regierungskarossen irgendwann nicht mehr
nach Wien hinein dürfen? Die Fahrverbote liegen im Vollzugsbereich
der Städte. In den Kommunen schafft es die Öko-Lobby oft genug, Angst
aufzubauen und die Politik zu bestimmen. Doch beim Verkehrsproblem
verlieren die Einwohner zusehends die Geduld. Da sind ihnen
wirtschaftliche Interessen des Standorts egal. Gegen teureren Diesel
protestieren vor allem die Landwirte und die Frächter. Beide haben
eher selten innerstädtische Standorte. Beide sind wichtige Geldgeber
der konservativen Seite. Politisch ist also genug Stoff für Konflikte
vorhanden.
Halbherzige Lösungen werden nicht reichen
Aber auch Ferdinand Dudenhöffer, gern interviewter Autoprofessor von
der Universität Duisburg, sieht den "klimafreundlichen Diesel" als
"Mythos" und nennt die Clean-Diesel-Vorhaben der deutschen
Autoindustrie im "Handelsblatt" eine "Mogelpackung". Der
Autoindustrie wirft Dudenhöffer vor, keine ausreichenden Angaben überUmrüstmodalitäten und Kosten zu machen."Wenn es am Ende des Tages für
alle Beteiligten, in allererster Linie für unsere Kunden und die
Kommunen, zu einem Win-win kommen kann, dann werden die Hersteller
sicherlich auch dabei sein", sagte Daimler-AG-Vorstandschef Dieter
Zetsche. Audi und BMW zeigten nach Gesprächen mit der
Umweltministerin Barbara Hendricks ebenfalls Bereitschaft. Aber
anzunehmen, dass ausgerechnet die Autoindustrie, die vor massiven
Kosten für E-Mobilität und andere Entwicklungen steht, alleine die
Kosten übernimmt, wäre blauäugig. Zuletzt hörte man, die deutsche
Regierung wolle unbedingt noch fixe Zusagen vor den Wahlen.
Dudenhöffer: "Ob die Autobauer es tatsächlich bezahlen werden, wie
die Umweltminister das fordern, ist fraglich. Wir wissen eigentlich
gar nichts -außer, dass die Politik jetzt Druck auf die Autobauer
aufbaut, Umrüstungen durchzuführen. Umrüstungen sind immer nur die
halbe Lösung." Im Fall der Dieselzukunft werden halbe Lösungen wohl
aber nicht reichen. In einem Interview mit der
T-Mobile-Internetplattform sagt Dudenhöffer, dass all die
Unternehmen, deren Flotten und Fuhrparks jetzt aus Dieselfahrzeugen
bestehen, sich "wohl oderübel andere Autos kaufen müssen. Das ist
traurig, aber das lässt sich nicht mehr ändern."