Was treibt die Flotten der Zukunft an? Wird eine Antriebsform die
führende Rolle übernehmen oder wird es ein Neben-und Miteinander
aller geben? - Viele Fragen, die vier Experten umfassend und
gegensätzlich beantworteten und letztendlich doch recht versöhnlich
argumentierten.
Das Podium war wie immer hochkarätig besetzt. Dipl.-Ing. FH Peter
Jurik, Fachverband der Gas-und Wärmeversorgungsunternehmungen, Prof.
Dipl.-Ing. Dr. h. c. Jürgen Stockmar, TU Wien, Prof. Dr. Ferdinand
Dudenhöffer, Center Automotive Research, und Dipl.-Ing. Heimo
Aichmaier, Austrian Mobile Power, diskutierten heiß über die
treibende Kraft von Morgen. Stockmar brach als erster eine Lanze für
diese über 150 Jahre alte Erfindung:
Verbrenner nach wie vor ein Renner
"Der Verbrennungsmotor wird noch eine große Zukunft vor sich haben,
vor allem im Lkw-Flottenbereich. Denn wenn Sie den Energieinhalt
eines 200-Liter-Lkw-Tanks in eine Batterie umsetzen, wiegt diese über
sechs Tonnen und kostet über 130.000 Euro -viel zu schwer und zu
teuer! Ja, wir haben das große Problem CO2 und müssen dringend etwastun. Aber auf dem Weg vom 100-prozentigen Verbrennungsmotor zum
100-prozentigen Elektroantrieb gibt es viele Stufen und
Brückentechnologien, Hybridfahrzeuge beispielsweise. Und ist der
Verbrennungsmotor mit allen derzeit möglichen emissionsreduzierenden
Maßnahmen ausgerüstet, lassen sich seineEmissionen stark reduzieren.
Wenn sich allerdings die Industrien nach wie vor zum Beispiel
weigern, einen beheizbaren SCR- Katalysator einzuführen, werden wir
politisch und umwelttechnisch ein Problem haben."
Der Faktor Mensch verbindet
Aichmaier, per se begeisterter Anhänger und Vertreter der
Elektromobilität, pflichtete Stockmar partiell bei: "Wir dürfen
keinen Religionskrieg zwischen Antriebssystemen vom Zaun brechen,
sondern wir müssen die Mindsets der Personen ändern, das
Mobilitätsverhalten überdenken und Produkte auf den Markt bringen,
die möglichstin Österreich und Resteuropa entwickelt sind, sonst hat
das ganze keinen Sinn! Was uns alle verbindet, ist der Faktor Mensch:
In jedem Fahrzeug sitzt jemand und fährt von A nach B, weil er
entweder geschäftlich oder privat seinen Ort verändern will. Die
E-Mobilität ist vielleicht nicht die Lösung für das komplette
Mobilitätssystem, aber ein wesentlicher Beitrag für die
Dekarbonisierung der Energiebereitstellung für Mobilität.
Grundvoraussetzung dafür sind erneuerbar erzeugte Energien. Übrigens
habe ich aufgrund des Vortrags von Professor Dudenhöffer (S. 18)
ausgerechnet, dass jeder achtzehnte in drei Jahren seinen Fuhrpark
auf Elektromobilität umgestellt haben muss, damit wir die 95 Gramm
schaffen "
Infrastruktur schon vorhanden
Jurik gibt Gas, obwohl er um die Vorteile des Elektromotors Bescheid
weiß: "Ein Elektromotor ist sicher die effizienteste Form, um Energie
in Bewegung umzuwandeln. Man muss sich allerdings den gesamten Zyklus
des Fahrzeugs überlegen, den Wirkungsgrad nicht bei der Batterie bis
zum Motor ansetzen, sondern bei der Herstellung der Energie, des
Stroms. Aktuell haben wir im Winter 50 Prozent Importstrom mit
deutlich höherem fossilen Anteil, weil die erneuerbare Stromerzeugung
im Winter nicht da oder geringer ist. Strom kann man nicht speichern,
Gas hingegen schon. Unsere Gasspeicher können nicht nur 90
Terawattstunden speichern -der österreichische Stromverbrauchliegt
noch ohne E-Mobilität bei etwa 70 bis 75 Terawattstunden -, sondern
es gibt auch schon die Infrastruktur, die Tankstellen, die Leitungen.
Man darf die Gasmobilität also nicht vergessen, wir sehen sie als
Teil der Zukunft."
Neue Batterien kommen
Dudenhöffer hat seine Zweifel: "Zum Erdgas: Wir machen das seit 30
Jahren, es floppt seit 30 Jahren -warum sollte das in den nächsten
zehn Jahren poppen, wo wir gerade beim Ausrollen der Elektromobilität
sind? Sorry, ich glaube nicht an Gas. Und ja, wir brauchen einen
Übergang zur E-Mobilität, aber denken Sie dran: Beim
batterieelektrischen Auto stecken wir in der Stunde null, beim
Verbrennungsmotor in der Stunde 140, da gab es schon viele
Innovationen. Da Kobalt sehr teuer ist, bin ich mir sicher, dass
Kollegen in meinem Umkreis Batterien entwickeln werden, deren
Kobaltanteil geringer ist. DieBASF gibt Milliarden aus, um anderes
Kathodenmaterial zu machen. Ich bin daher zuversichtlich, dass neue
Batteriegenerationen schneller kommen, als wir uns das vorstellen
können."
Die Schlussplädoyers
Durchaus konträre Ansichten von namhaften Fachleuten. Was also tun,
damit sich unsere Welt substanziell emissionsfrei verändert? Die
Experten ziehen relativ geeinte Resümees.
Stockmar: Meine Forderung ist: Wir brauchen völlig neue
Batterietechnologien, von der Herstellung bis zum Recycling. Wir
brauchen einen erheblich höheren Grad von erneuerbarer Energie und
zwar nicht nur in Österreich, sondern weltweit. Ansonsten wird uns
die Dekarbonisierung, die dringend notwendig ist, um das Klima zu
retten, nicht gelingen.
Jurik: In den letzten zehn Jahren hat sich so viel geändert, dass ich
vorsichtig wäre mit Prognosen, was sich in den kommenden Jahren alles
tut. Die Elektrifizierung wird zunehmen. Schwer zu sagen, ob eine
neue Technologie kommt oder sich die Brennstoffzelle so entwickelt,
dass sie marktreif ist. Ich bin gespannt. Gas wird jedenfalls wichtig
sein, geben Sie also Gas bei der Flottenumstellung. Für die Rettung
des Eisbären!
Aichmaier: Am besten hat man sowohl Erdgas-als auch Elektroautos im
Fuhrpark und setzt sie optimal ein. Wir müssen es in unseren Köpfen
ankommen lassen, um zu sagen: Okay, ich will einen sauberen Fuhrpark.
Ich will zu den 95 Gramm vorausschauend beitragen und bestelle ein
entsprechendes Fahrzeug, um der Gesellschaft zu helfen, ihre Ziele zu
erreichen. Laut Professor Dudenhöffer brauchen wir von 180.000Fahrzeugen, die auf den Markt gebracht werden, nur 20.000
Elektrofahrzeuge, um unsere Ziele zu erreichen. Es liegt an den
Fuhrparkverantwortlichen, diese auf die Straße zu bringen!
Dudenhöffer: Ich glaube, in China wird es sehr schnell gehen. 2030
wird es große Städte geben, in denen nur mehr elektrisch gefahren
wird. Und in Europa? Schauen wir mal, kein Mensch weiß das.