Dieselskandal und WLTP-Problemeändern nichts an der Innovationskraft
der deutschen Marken VW, BMW und Daimler, die damit erneut die
vorderen Plätze der Innovationsstudie des Center of Automotive
Management belegen. Etwas weiter hinten wird es aber richtig
interessant, denn dort sind gleich acht chinesische Hersteller unter
denTop-25-Konzernen. Ein Novum.
Die Automobilindustrie ist und bleibt eine Wachstumsbranche. Und
China einer der wichtigsten Absatzmärkte überhaupt. Um das zu
erkennen, reicht ein kurzer Blick in die Statistik. Seit dem Jahr
2000 stieg die globale Produktion von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen
von 56 auf 91,6 Millionen im Jahr 2016. Bis 2030 prognostiziert das
Center of Automotive Management (CAM) ein Wachstum auf 116 Millionen.
Während laut Experten der Markt in den USA und Europa eher stagnieren
wird, bietet China - den niedrigen Motorisierungsraten und dem
steigenden Wohlstand der Bevölkerung sei Dank -weiterhin
Wachstumspotenzial. Das wirkt sich mittlerweile auch auf einen
anderen Bereich aus: Innovationen. Dafürspricht ebenfalls die
aktuelle Innovationsstudie des CAM aus dem deutschen Bergisch
Gladbach, die damit alljährlich die größten Innovatoren der
Automobilbranche küren und für 2018 erstmals acht chinesische
Hersteller unter den Top-25-Konzernen listen.
Verbrenner bald Vergangenheit?
Auf Rang 13 -noch vor Traditionsmarken wie Fiat-Chrysler, Renault
oder Mazda -findet sich mit NextEV (Marke "Nio") der beste
chinesische Hersteller. Er konnte im Untersuchungszeitraum zwar noch
kein Serienfahrzeug präsentieren, überzeugte dafür mit 47
Innovationen. Aktuell sind unter den Top 20 der Automobilkonzerne
vier OEM chinesischer Herkunft. Dass im Land der Mitte der Druck auf
die westlichen Produzenten sukzessive erhöht wird, zeigt ein Blick in
die Vergangenheit. Vor zwei Jahren fand sich mit Geelyund deren
dominanter Marke "Volvo" lediglich ein chinesischer Hersteller unter
den 20 Besten. Besonders im Fokus stehen bei den chinesischen
Herstellern die Forschungsgebiete alternative Antriebe und Vernetzung
beziehungsweise autonomes Fahren. Das Feld der Verbrennungsmotoren
hingegen wird fast vollständig ausgeblendet. Dem gegenüber stehen
beispielsweise General Motors und Fiat-Chrysler, die mit 22
beziehungsweise 27 Prozent noch einen recht hohen Teil ihrer
Innovationsaktivität in diese Technologie investieren.
Tesla fällt zurück War die erste Assoziation mit dem Namen Tesla vor
wenigen Jahren noch "innovativ", sorgt Gründer Elon Musk derzeit mit
anderen Sachen für Schlagzeilen. Freilich, die Ingenieure haben
dennoch weiterhin interessante Ideen. Besonders was die
Zukunftsfelder Connectivity, ADAS und reine E-Mobilität betrifft, die
86 Prozent der Gesamt-Innovationsstärke der Marke ausmachen. Dennoch
rutschten die US-Amerikaner zwei Plätze auf Rang fünf zurück. Dort wo
Tesla top ist, haben die deutschen Hersteller Aufholbedarf. Das
bestätigt Studienleiter Stefan Bratzel: "Die deutschen
Automobilhersteller sind trotz Dieselskandal und Bedrohungen durch
neue Akteure die Innovationsführer in wichtigen Zukunftsfeldern. Im
Bereich der Elektromobilität zählen sie jedoch eher zu den "Fast
Followern" und müssen Rückstände schnell aufholen." Dennoch belegen
die Deutschen die Top-Plätze. Volkswagen -derzeit weltweit
absatzstärkster Automobilhersteller -darf sich mit seinen Marken
"Audi", "Porsche", "VW"&Co auch innovationsstärkster
Automobilkonzern nennen. Mit 233 Innovationen, davon 45
Weltpremieren, landeten die Wolfsburger vor den anderen deutschen
Autobauern BMW und Daimler, die die Plätze tauschten.
Aufsteiger&Absteiger Größter Aufsteiger des Jahres ist der
Toyota-Konzern. Gegenüber dem Vorjahr ging es um elf Ränge auf Platz
vier nach vorn. Die Japaner konnten besonders mit der Tochtermarke
"Lexus" und der Neuauflage des Modells LS für eine Reihe hoch
bewerteter Innovationen - beispielsweise ein teilautonomer
Autobahnpilot oder ein Fußgänger-Ausweich-Assistent -sorgen und
punkten. Mit einem Anteil von 51 Prozent der Innovationen in den
Zukunftsfeldern Connectivity und ADAS korrigierte Toyota damit
Defizite der Vergangenheit. Acht Prozent der Innovationsstärke
investiert übrigens auch Toyota in den Verbrennungsmotor. Ebenfalls
deutlich innovativer als in der Vergangenheit zeigt sich der indische
Tata-Konzern mit seinen britischen Marken "Jaguar" und "Land Rover".
Aktuell auf Platz sieben konnte sich Tata gegenüber dem Vorjahr um
sechs Ränge verbessern. Zur Gesamtzahl von 46 Indexpunkten tragen
dabei die Marke "Land Rover" 54 Prozent und Jaguar 40 Prozent bei.
Etwas innovationsschwächer waren in diesem Jahr Hyundai und
Fiat-Chrysler. Während die Südkoreaner drei Plätze einbüßten und sich
nun auf Rang zehn wiederfinden, ging es für FCA nach einem starken
Platz acht 2017 auf die 14 zurück. Im Vorjahr standen noch 77
Einzelinnovationen in der Statistik, im aktuellen
Betrachtungszeitraum waren es mit 35 fahrzeugtechnischen Neuerungen
weniger als die Hälfte.
Safety first!
Analysiert wurden in der CAM-Studie 1.223 fahrzeugtechnische
Innovationen von 36 Automobilkonzernen (89 Marken). Dabei zeigte
sich, dass der Fokus auf Sicherheits- und Fahrerassistenz-Systemen
liegt. 27 Prozent der Innovationen kommen aus diesem Bereich.
Dahinter folgen Bedien-und Anzeigekonzepte (17 Prozent),
Fahrzeugkonzepte (15 Prozent), Informations- und
Kommunikationssysteme (12 Prozent), alternative und konventionelle
Antriebe (jeweils knapp zehn Prozent) und Interieur (sieben Prozent).
Gegenüber dem Vorjahr sank jedoch die Gesamtzahl der Innovationen um
zwölf Prozent. Ebenfalls bei zwölf Prozent - und damit fast
gleichbleibend - liegt der Anteil der Weltneuheiten. In Summe dürfen
sich 150 Innovationen als das bezeichnen.
Zur Studie Die kostenpflichtige Gesamtstudie "AutomotiveINNOVATIONS
2018" identifiziert auf Basis vonüber 1.200 kategorisierten und
einzeln bewerteten, fahrzeugtechnischen Neuerungen des Jahres 2017/18
die Zukunftstrends von 36 Automobilkonzernen mit 89 Marken aus
Europa, Japan, Südkorea, Indien, den USA und China. Um die Fragen
nach aktuellen und zukünftigen Innovationstrends der
Automobilindustrie sowie deren Playern umfassend zu beantworten,
bewertet das CAM seit 13 Jahren pro Quartal mehrere Hundert
fahrzeugtechnische Innovationen nach etwa 50 definierten Kriterien
wie Technologiefeld, Innovationstyp, Originalität, Reifegrad und so
weiter. Weltneuheiten, die in Serie verfügbar sind,werden höher
bewertet als Me-too-Innovationen, die lediglich als Prototyp
vorliegen. So ergibt sich für jede Innovation ein Indexwert, der zu
Gesamtwerten etwa für einzelne Konzerne, Marken oder Modelle
verdichtet werden kann.
Info: Unter www.auto-institut.de kann die Studie bestellt werden.
Erhebungsmethode
Für die Innovationsstudie sichtet das Center of Automotive Management
seit 2005 jährlich circa 12.000 unterschiedliche Quellen, was in etwa
24.000 Seiten Papier entspricht. Dabei handelt es sich vor allem um
Berichte der internationalen Automobil-Fachpresse wie um die
Pressemeldungen der einzelnenHersteller bzw. Marken. Im Fokus stehen
dabei die wichtigsten globalen Pkw-Märkte (Europa, Deutschland, USA,
Japan, China, Indien, Südkorea).