Kia EV3 – schon gefahren: Kein Jausengegner
Mit dem EV3 bringt Kia den kleinen Bruder des Flaggschiffs EV9. Die Optik ist speziell, Platzangebot, Reichweite und Bed...
FLOTTE hat gemeinsam mit dem 4wd Magazin den brandneuen Jaguar I-Pace mit dem Tesla Model X verglichen. Und zwar nicht bei akkuschmeichelndem Sommerwetter, sondern bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Warum sich der Austro-Brite besser fährt, am Ende aber doch der Amerikaner die Nase vorn hat.
Auch wenn die Elektroautos nicht gerade wie die Schwammerl aus dem Boden schießen, so tut sich doch einiges auf dem Markt. Immer mehr Hersteller springen auf den lautlosen Zug auf, bestehenden Fahrzeugen wird mit einem Akku-Upgrade zu mehr Reichweite verholfen. Wir haben den Allrad-Schwerpunkt dieser FLOTTE zum Anlass genommen, den nagelneuen Jaguar I-Pace gegen das Model X von Tesla antreten zu lassen. Gemeinsam mit dem Model S sind das aktuell die einzigen E-Allradler auf dem Markt, demnächst folgen weitere wie der Mercedes EQC oder der Audi e-tron quattro. Bevor nun jemand die Nase rümpft: Ja, das Model X ist größer als der I-Pace. Und trotzdem sind sich die beiden Autos nicht unähnlich, der Austro-Brite – gebaut wird der Jaguar bei Magna in Graz – ist deutlich mehr Crossover, der Tesla geht spürbarer in Richtung SUV.
Auffallen ist mit beiden garantiert, die Raubkatze wurde schließlich noch kaum in freier Wildbahn gesichtet, beim Amerikaner sind es die sogenannten „Falcon-Wing-Doors“, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Flügeltüren sind nicht vorn, sondern statt der Fondtüren angebracht – und uns ist kein anderes Auto eingefallen, bei dem das noch so wäre. Dass die Ingenieure von Elon Musk eine große Portion Hirnschmalz investiert haben, sieht man unter anderem am Öffnungsmechanismus. Denn wer denkt, dass die Flügeltüren in engen Parklücken kontraproduktiv sind, der irrt. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die „Flügel“ benötigen lediglich 30 Zentimeter Mindestabstand und öffnen bei geringem Platz zuerst nach oben und klappen dann erst nach außen, Wow-Effekt inklusive. Annehmlichkeiten gibt es aber auch für den Fahrer des Model X. Nähert er sich der Fahrertür, wird diese wie von Geisterhand geöffnet. Und zwar so weit, wie es platztechnisch möglich ist. Nimmt man dann hinter dem Lenkrad Platz und erweckt den X mittels Druck auf die Bremse – Startknopf gibt es keinen – zum Leben, schließt sich auch die Tür automatisch! Warum ist da noch kein anderer Hersteller draufgekommen, muss man sich fragen. Der Jaguar bietet Altbekanntes, die vier Türen muss man händisch öffnen und schließen. Kleiner Showeffekt: Beim Aufsperren fahren die vier Türgriffe aus der Versenkung, beim Losfahren verschwinden sie wieder.
Cockpit: Bekanntes und Spaciges
Bleiben wir beim I-Pace. Das Cockpit ist sehr hochwertig, feinste Materialien in bester Verarbeitung, so soll das in dieser Preisklasse sein. Beim Layout hätte man aber mutiger sein können. Ja, es gibt einen Screen hinter dem Lenkrad, einen, wo unter anderem das Navi untergebracht ist und einen zur Steuerung der Klimatisierung. Das kennt man so auch aus dem neuen Audi A8. Der Wechsel in den Tesla ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Dort ist der Arbeitsplatz des Fahrers extrem reduziert und nüchtern, alle Aufmerksamkeit gehört dem riesigen 17-Zoll-Touchscreen in der Mittelkonsole, der Kommandozentrale für sämtliche Funktionen. Ob als Mega- Navibildschirm, Audio-Lounge für Radio, Spotify und Co oder um die Fahrzeugeinstellungen zu personalisieren, dieses Ding kann einfach alles. Allerdings auch vom Fahren ablenken, denn man muss schon hinsehen, um auf dieser großen Fläche die kleinen Icons zu treffen, erst recht jene, die ganz unten angeordnet sind. Wechselt man in den Jaguar, so fühlt sich der mittlere Screen geradezu winzig an, das extreme Querformat ist für Navi-Ansichten auch nicht perfekt. Und auch die Bedienlogik selbst kommt nicht an jene des Tesla heran. Allerdings: Head-Up-Display gibts nur beim Jaguar.
Platzverhältnisse: Der längere Tesla bietet mehr
Während der Jaguar ein klassischer Fünfsitzer ist und dabei durchaus ordentliche Platzverhältnisse bietet, wartet der Tesla – nicht zuletzt aufgrund seines Längenplus von 35 Zentimetern – mit deutlich mehr Flexibilität auf. Es gibt ihn standardmäßig wie den Jaguar als Fünfsitzer und gegen einen Aufpreis von 3.200 Euro auch als Siebensitzer. Besonders cool ist die 6.600 teure Sechssitzer-Lösung, die auch unser Testwagen verbaut hatte. Sowohl in der zweiten als auch dritten Reihe sind dabei je zwei Sitze, die mittleren beiden können dabei elektrisch verstellt werden und bieten großen Komfort. Alle Sitzplätze sind übrigens mit Sitzheizung ausgestattet. Mit 357 (bei sieben Sitzen) bis 2.000 Litern – beim Umklappen aller Sitze – geht das Maximalvolumen zwar klar an den Tesla, 656 bis 1.453 Liter sind beim Jaguar aber alles andere als schlecht. Erst recht, wo die Nutzbarkeit besser ausfällt. Durch Umlegen der dritten Sitzreihe beim Tesla gewinnt man zwar Platz, verliert dabei aber die Abgrenzung zum Fahrgastraum und das Ladegut rutscht nach vorn. Old-School ist zumindest hier besser, wie die klassische 60:40-Lösung im Jag zeigt. Einen Pluspunkt holt sich der Tesla dann doch noch, der vordere Kofferraum – „Frunk“ genannt, eine Mischung auf Front und Trunk – ist mit 187 Litern knapp 18 Mal größer als die 10,5 Liter beim Jaguar. Die sind voll, wenn das Ladekabel dort verstaut wird. Interessant: Als eine der wenigen E-Autos darf das Duo auch gebremste Anhänger ziehen, beim Tesla (Anhängerkupplung Serie) sind es maximal 2.250 Kilogramm, beim Jaguar lediglich 750 Kilogramm.
Preisvorteil für den Jaguar I-Pace
Bevor es nun auf die Testrunde geht, werfen wir noch einen Blick auf die Preislisten der Fahrzeuge. Zunächst sei festgehalten, dass es sich beim Model X um den 100D handelt, also das Modell mit der 100 kWh großen Batterie. Alternativ dazu gibt es noch den 75D mit, richtig geraten, 75 kWh. Der P100D beschleunigt schneller (3,1 Sekunden auf 100 km/h!), hat aber ebenfalls die 100-kWh-Batterie verbaut. Beim Jaguar gibt’s auf der Akku-Seite keine Auswahl, er kommt immer mit einer 90-kWh-Batterie. Das Tesla Model X 75D startet bei 98.100 Euro, an Extras gibt es neben den erwähnten Sitzpaketen noch eine verbesserte Autopilot-Funktionalität für 5.800 Euro sowie spezielle Lackierungen, Felgen und Leisten im Innenraum. Alles andere ist Serie, auch beim 100D für 115.900 Euro, das Testauto kam auf 132.580 Euro. Der Jaguar I-Pace startet bei 78.380 Euro, unser Testauto inklusive der First Edition (u. a. Panoramadach, 20-Zoll-Felgen, 4-Zonen-Klimaautomatik, Head-up-Display, elektronisch geregelte Luftfederung samt adaptivem Fahrwerk) kommt auf 102.570 Euro und liegt damit doch spürbar unter dem Model X. Eine wichtige Info zum Thema Vorsteuerabzug finden Sie auf der Datenseite des Vergleichstests ganz unten!
Beim Laden ist die Raubkatze langsam
Gravierende Unterschiede gibt es beim Laden der beiden Elektroautos. Gleichstrom-Schnellladen können beide. Der Jaguar bis zu 100 kW – solche Stationen sind aber äußerst selten, die Regel sind aktuell 50 kW –, der Tesla schafft an den hauseigenen Superchargern sogar 120 kW. So konnten wir mit dem Model X etwa hochgerechnet 500 Kilometer in einer Stunde nachladen, ein durchaus beeindruckender Wert. Mit 100 kW benötigt der I-Pace laut Jaguar 40 Minuten, bis der Akku zu 80 Prozent geladen ist. Gravierender wird der Unterschied an einer Wechselstrom-Wallbox, wie sie für Firmen oder Privathäuser üblich ist. Denn dort kann der Jag nur einphasig laden und ist damit auf maximal sieben kW begrenzt. Bis die Batterien voll sind, vergehen rund 12,5 Stunden. Und auch wenn man nicht täglich die Batterie leer fährt, zeitgemäß ist das einfach nicht, da solche Wallboxen doch bis zu 22 kW liefern. Mit maximal 16,5 kW lädt das Model X hier mehr als doppelt so schnell, was wir auch an unserer 22-kWWallbox in der Redaktion selbst überprüfen konnten.
Gigantische Fahrleistungen bei beiden E-Autos
Zeit, dass wir zum wichtigsten Thema kommen. Wie fahren sich die beiden Stromer und vor allem – wie weit kommen sie? Der Reihe nach: Die Fahrleistungen beider E-Boliden sind gigantisch. Der Elektromotor liefert die volle Power aus dem Stand und der Allradantrieb sorgt dafür, dass diese auch auf die Straße gebracht wird. In nackten Zahlen: In 4,9 Sekunden erreicht der Tesla 100 km/h, sogar noch ein Zehntel schneller der Jaguar. Die Höchstgeschwindigkeit geht mit 250 zu 200 km/h an den Tesla. Und auch wenn es am Fahrverhalten des Model X nicht viel zu meckern gibt, im I-Pace hat es dennoch ihren Meister gefunden. Der liegt besser auf der Straße, ist leiser und wirkt insgesamt einfach homogener. Geht’s ums (teil-)autonome Fahren, ist Tesla aktuell das Maß. Auch wenn man den vollautonomen Modus wieder zurückgenommen hat – auch hier muss man regelmäßig am Lenkrad zupfen, um die Aufmerksamkeit zu bestätigen – könnte das Model X schon viel mehr, wenn es denn dürfte. Im Display hinter dem Lenkrad werden andere Verkehrsteilnehmer nach den Kategorien Pkw, Zweirad, Lkw und Fußgänger erkannt und dargestellt, Spurwechsel werden nach einem Lenkimpuls vollautomatisch umgesetzt. Allerdings: Der adaptive Tempomat bremst selbst bei kleinstmöglich eingestelltem Abstand gefühlte Ewigkeiten vor anderen Fahrzeugen und nervt damit im Alltag gewaltig. Der Jaguar-Pilot kann die Adaptiv-Funktion indes sogar abschalten.
Kopf-an-Kopf-Rennen beim Verbrauch
Jetzt wird es aber ernst, die Verbrauchsrunde steht an. Um gleiche Bedingungen herzustellen, haben wir beide Autos am Vortag voll geladen und danach von der Ladestation getrennt. Um die Aussagekraft des Tests zu erhöhen – schließlich sind niedrige Temperaturen Reichweitenkiller – war uns auch der Wettergott hold und hat Minusgrade ins Land geschickt. Am nächsten Morgen war zunächst Eiskratzen angesagt, danach ging es ohne Vorheizen auf unsere Testrunde. Die Reichweitenprognose des vorher zurückgesetzten Bordcomputers lag beim I-Pace bei 360, beim Model X bei 442 Kilometern. Die Heizung wurde auf 23 Grad eingestellt, die ersten Minuten war auch die Sitzheizung im Einsatz, ganz so, wie man es bei jedem herkömmlichen Auto auch tun würde. Die Runde führte uns durch die Stadt, auf die Autobahn und übers Land, gefahren wurde jeweils mit dem maximal erlaubten Tempo, auch ein Fahrerwechsel war eingebaut. Nach ziemlich genau 50 Kilometern zurück in der Redaktion stieg die Spannung dann bei der Auswertung. 25,6 kWh genehmigte sich der Tesla im Schnitt, 26,5 kWh der Jaguar, es war also ein echtes Kopf-an-Kopf-Rennen.
Reichweite: Was ist nur mit dem Jaguar los?
Und die verbliebene Reichweite? Das Model X gab 330 hochgerechnet noch mögliche Kilometer an, der Jaguar nur noch magere 220 Kilometer. Die 50 gefahrenen Kilometer ließen die Reichweite laut Bordcomputer von 360 auf 220 fallen, ein durchaus dramatischer Reichweitenverlust. Auf reinen Autobahnetappen war beim Tesla festzustellen, dass die Reichweite nur minimal von der Prognose abweicht, bei milderen Temperaturen und sanftem Gasfuß ist die Strecke von Wien nach Salzburg ohne Nachladen möglich. Zumindest mit unserem Test-Jaguar war daran nicht im Ansatz zu denken. Trotz der Tatsache, dass sich der Durchschnittsverbrauch zumeist zwischen 28 und 33 kWh bewegt hat, war der Akku im Extremfall nach 170 Kilometern leer. Ratlosigkeit, die sich trotz intensiver Recherche und auch Nachfrage bei Jaguar nicht auflöste, sondern vielmehr noch verwirrender wurde. Wir sind das Auto mehrmals komplett leergefahren, der I-Pace geht dann in ein Notprogramm, schaltet sämtliche Verbraucher aus und lässt sich nur noch mit eingeschränkter Geschwindigkeit bewegen. Danach ging es sowohl an die Schnellladesäule als auch an die Wallbox, um eine weitere Fehlerquelle auszuschließen. Hierwurden maximal 50,5 kW nachgeladen, bis das Fahrzeug 100 Prozent meldete. Dass ein 90 kWh großer Akku niemals bis aufs letzte Kilowatt leergefahren wird, ist klar, aber dass nur etwas mehr als die Hälfte davon genutzt werden, blieb – auch seitens Jaguar – unerklärlich, Fehlermeldungen gab es auch keine.
Zweite Chance für die elektrische Raubkatze
Da zum Testzeitpunkt kein zweites Fahrzeug verfügbar war, bleibt uns nichts anderes übrig, als das Ergebnis so festzuhalten. Umgelegt auf unsere Verbrauchsrunde würde das bedeuten, dass der Jaguar rund 190 Kilometer weit kommt, was bei einer Reichweite von 470 Kilometern nach WLTP trotz Temperaturen um die Null Grad Celsius eine große Niederlage wäre. Ob der Reichweiteneinbruch an den niedrigen Außentemperaturen oder doch an einem Problem mit dem Fahrzeug liegt, wissen wir nicht. Fix ist, dass wir den I-Pace noch einmal in den Testfuhrpark holen und ihm oder vielmehr dem Akku erneut auf den Zahn fühlen werden. Mal schauen, wie sich die Reichweite bei der zweiten Chance darstellt …
... die Raubkatze hat ihre Chance bekommen, mit völlig anderem Ergebnis. Mehr dazu hier.
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