Die Gefährlichkeit des Feinstaubs für unsere Gesundheit steht außer
Frage. Dafür generell und stereotyp den Verkehr verantwortlich zu
machen, darf allerdings nicht unwidersprochen bleiben.
Nicht nur viele Medien, sondern auch Politiker sehen inÖsterreich
den Verkehr als Hauptverursacher der Feinstaubbelastung, obwohl die
vom Bundesumweltamt ermittelten Zahlen eine völlig andere Sprache
sprechen: Laut Statistik betrug der Anteil des Verkehrs 2010 im
Bereich des inhalierbaren Feinstaubs, dessen Partikel weniger als 10
Mikrometer Durchmesser haben (PM 10), 20,9 Prozent, jener der
Industrie 31,2 Prozent, des Kleinverbrauchs 26,4 Prozent, der
Landwirtschaft 15,5 Prozent und der Energieversorgung 4,5 Prozent.
Im Bereich der lungengängigen (und besonders gefährlichen) Partikel
mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometer (PM 2,5)
betrugen die Emissionen des Verkehrs 23,3 Prozent und der Industrie
19,6 Prozent. Satte 42 Prozent stammen vom Kleinverbrauch, vor allem
von Heizungen, für 6,65 Prozent zeichnen die Landwirtschaft und für
6,1 Prozent die Energieversorgung verantwortlich.
Hausbrand ist größte Feinstaubquelle
Als wichtigste Feinstaubquelle bezeichnete Dr. Jürgen Schneider,
Leiter des Programmbereichs Wirtschaft&Wirkung des
Umweltbundesamtes, im Rahmen eines Expertengesprächs an der TU-Wien
den Gebäudesektor. Der Hausbrand ist einer der Hauptverantwortlichen
für die Feinstaubbelastung.
"Dies betrifft nicht nurÖsterreich, sondern die ganze EU, weshalb es
auch in diesem Bereich effizientere Maßnahmen, vor allem thermischer
Sanierungen bedarf. Es gibt auch im Verkehr noch wesentliche
Emittenten, verantwortlich dafür zeichnen vor allem ältere Diesel-Pkw
und Nutzfahrzeuge, diese gilt es rasch gegen modernere Fahrzeuge zu
ersetzen." Trotz umfangreicher Anstrengungen der Fahrzeugindustrie
und der nachweislich immer geringeren, durch den Verkehr
hervorgerufenen Emissionen, steht der Verkehr weiter im Fokus. Vor
allem Politiker nehmen immer wieder verstärkte Feinstaubbelastungen
zum Anlass, um rigoroseMaßnahmen zu fordern, wie auch jüngst
Mandatare der Grazer Grünen. Erst im vergangenen Jahr lehnte eine
breite Mehrheit die Errichtung einer Umweltzone in der Mur-Metropole
ab. Diese Tatsache scheint Umweltsprecherin Christiane Brunner und
Umweltstadträtin Lisa Rücker nicht weiter zu stören.Die
Politikerinnen präsentierten in Graz eine neue Initiative, mit der
sie "die verantwortliche Regierungspolitik endlich zu wirkungsvollen
Maßnahmen gegen den gesundheitsgefährdenden Feinstaub“ zwingen
wollen. Einmal
mehr orten die Grünen den Verkehr als Hauptverursacher
der Feinstaubbelastung in der steirischen
Landeshauptstadt und
unterstützen einen Grazer,
der „das Recht auf gesunde Luft“ durch die
Erlassung
verkehrsbezogener Feinstaubmaßnahmen – im Detail die
Erlassung einer Umweltzone sowie „weitere
geeignete Maßnahmen zur
Beschränkung des Verkehrs“ – beantragte.
„Sollten Landeshauptmann Voves beziehungsweise
Landesrat Kurzmann auf
den Antrag nicht reagieren,
also säumig sein, wollen die Initiatoren
den Instanzenweg gehen und am dessen Ende den Verwaltungsgerichtshof
anrufen. „Die zuständigen Organe
werden jedenfalls in Zug- und
Begründungszwang gesetzt“, sagen die Grünen.
Mittlerweile regt sich auch auf Expertenebene Widerstand gegen die
gebetsmühlenartig verbreitete Polemik: „Den Verkehr in regelmäßigen
Abständen für die Feinstaubbelastung verantwortlich zumachen, ist zu
relativieren“, sagt Univ. Prof. Dr. Bernhard Geringer, Vorstand des
Instituts für Fahrzeugantriebe&Automobiltechnik an der TU Wien
Neue Euronorm reduziert Emissionen auf Minimum
Die Entwicklung der Abgasemissionsgesetzgebung zeige, dass im Bereich
Pkw von Euro 0 bis Euro 6 eine Senkung von 98 Prozent (!)und im
Bereich schwerer Lkw von 97 Prozent erreicht werden konnte -mit
spürbaren Auswirkungen. Bis Mitte des Jahrzehnts war ein Anstieg der
Emissionen zu registrieren, durch verstärkten Einsatz von
Partikelfiltern in Diesel-Pkws seien diese aber permanent gesunken.
Diesel-Fahrzeuge der im Jahr 2014 inkraft tretenden Euro-6-Klasse
würden praktisch über keine nennenswerten Ausstöße verfügen, so
Geringer. Weshalb auf die neue Technik möglichst schnell umgerüstet
werden sollte. Allerdings gilt es auch, alle anderen Verursacher in
die Verantwortung zu nehmen und entsprechende Maßnahmen zu setzen, um
die Feinstaubbelastung weiter zu reduzieren.
Fahrverbot kommt Enteignung gleich
In dieselbe Kerbe schlägt auch Mag. Franz Weinberger, MAN Bus&TrucksÖsterreich und Sprecher der österreichischen Nutzfahrzeugimporteure
in der Industriellenvereinigung. "Für die Entwicklung der mit 1.
Jänner 2014 inkraft tretenden Euro-6-Norm hat die Fahrzeugindustrie 6
bis 8 Milliarden Euro aufwenden müssen." Alles was bis dato an
Erfahrungen seitens der Hersteller und der Gesetzgeber gesammelt
werden konnte, sei bei Euro 6 eingeflossen. Der Hersteller seien
verpflichtet worden, eine Garantie über 700.000 Kilometer auf
Funktionstüchtigkeit der Abgasreinigungssysteme zu gewähren. Von
"Zwangstausch" oder Fahrverboten hält Weinberger nichts. Wenn ein
Betrieb nicht mehr sein Werkzeug benützen dürfe, komme dies einer
Enteignung gleich. Wenn ein Lkw länger in Betrieb sei,
habe dies zumeist betriebswirt schaftliche Gründe. "Wir würden uns
mehr Anreize und Unterstützung beim Umrüsten auf Neufahrzeuge
wünschen, damit könnte man vermutlich am meisten erreichen."
Schützenhilfe erhält Weinberger auch von Dipl. Ing. Mario Rohracher,
Generalsekretär der Mobilitätsplattform Österreichische Gesellschaft
für Straßen- und Verkehrswesen (GSV):"Es sind alle Maßnahmen zu
unterstützen, die eine Verjüngung des Fahrzeugbestandes effektiv
fördern."
Gemeinsam anstrengen
Trotz steigender Verkehrsleistung ist der Trend der
Feinstaubemissionen aus dem Verkehrssektor seit mehreren Jahren
rückläufig. Es bleibt zu hoffen, dass die Anstrengungen, die die
Autoindustrie unternimmt, ein Anreiz sind, auch bei anderen
Feinstaubverursachern Verbesserungen mit der gleichen Konsequenz
umzusetzen.