Test: Seat Leon TSI
Seat hat seine neue sympathische Rolle gefunden. Einfach gute Autos zu bauen, wie den Leon mit 115-Benzin-PS und Schaltg...
Einen Fuhrpark von 8.000 Fahrzeugen auf E-Mobilität umzustellen, ist wahrlich kein leichtes Unterfangen, jeder Schritt sollte reiflich überlegt sein. Die Post ist gerade mittendrin und zeigt, worauf alles zu achten ist. Und welche Faktoren bereits voll alltagstauglich sind.
Wenn es von der Geschäftsführung heißt, man gehe in die „grüne Richtung“ und der Fuhrpark möge bitte auf E-Autos umgerüstet werden, ist das immer eine ziemliche Action für den Fuhrparkleiter. Schon bei zehn Autos. Aber wie fühlt man sich da, wenn man mehrere tausend Exemplare verwaltet? „Es war kein Schock, im Gegenteil“, erzählt Paul Janacek, verantwortlich für die Flotte der Österreichischen Post von den Erlebnissen der letzten acht Jahre. „Es war eine langsame Entwicklung. Bei meinem Einstieg 2015 waren bereits mehrere Autos im Einsatz. Und durch diesen Erfahrungsschatz konnten wir bis 2018 dann schon mehrere 100 Exemplare auf der letzten Meile einsetzen. Meist nur im städtischen Gebiet, da ist diese Technik perfekt für uns.“
Der 80-20-Tausch
Und es geht ja um viele Faktoren, die berücksichtigt werden müssen, denn: Der Kunde will sein Paket oder seinen Brief so schnell wie möglich bekommen – wie, ist ihm ziemlich egal. Der laufende Betrieb darf nicht gestört werden, doch viele Bedenken lösten sich schnell in Wohlgefallen auf. „Langfristig haben sich die Vorteile herausgespielt. Der Antrieb hat viel weniger Bauteile als ein Verbrennermotor, was bei den Instandhaltungskosten extrem geholfen hat. Der brutale Posteinsatz ergibt es schon, dass man drei bis vier Mal im Jahr die Werkstatt aufsuchen muss, da kommt schon einiges an Getrieben und Kupplungen zusammen. Da liegen wir bei den Kosten mit den E-Nutzis schon rund 50 Prozent drunter.“ Und was wird bei diesen dann so alles kaputt? Im Wesentlichen das Fahrwerk und die Bremsen natürlich, klassischerweise auch die Sitze. Janacek: „Bei E-Fahrzeugen kann man die P-Stellung schon einlegen, wenn man noch rollt, und das mag die Arretierung natürlich nicht sehr. Aber vor unsachgemäßer Benutzung sind auch diese Autos nicht gefeit.“ Neben dem besseren Verbrauch kam dann auch noch die längere Nutzungsdauer als Pluspunkt hinzu. „Bis vor Kurzem waren zehn Jahre die Prämisse. Die Verbrenner lagen im Vergleich nur bei sechs bis acht Jahren, aber derzeit sehen wir, dass wir auch in Richtung zwölf Jahre gehen können. Der Antrieb ist de facto unverwüstlich, aber die Batterie ist deutlich stabiler als vermutet. Unsere Daumenregel war, dass wir in zehn Jahren 20 bis 25 Prozent an Kapazität verlieren, aber bei vielen Fahrzeugen waren die Werte deutlich besser. Dazu kommt, dass wir die Fahrzeuge ja rotieren lassen können. Wenn einer zum Beispiel 80 Kilometer am Tag fährt und der Akku nur mehr 80 Prozent Restkapazität hat, geben wir den Wagen in ein Stadtgebiet, wo man etwa nur 20 Kilometer pro Tag fährt – und umgekehrt.“
Von der Straße zur Wand
Und ist der Stromspeicher nicht mehr nutzbar, gibt es eine weitere Idee. Janacek: „Demnächst bekommen wir einen Prototypen eines Second-life-Speichers, der aus alten Batterien besteht, die aus unseren Altfahrzeugen entnommen wurden. So kann man noch das Maximum aus der Batterie herausholen und bis dann sind hoffentlich die Recyclingprozesse schon ausgereift.“ Natürlich war der Start etwas schwierig, auch was den Wintereinsatz betrifft, vor allem in alpinen Gebieten. Beladen bergauf bei Minusgraden, da kommt die Reichweite schnell in den einstelligen Bereich. „Das sind schon Einsatzgebiete, wo man aufpassen muss, was man dort hinstellt. Oder wie sich Schneeketten zum Beispiel auf den Rollwiderstand auswirken.“ Und dann gibt es noch die echten klassischen Allradgebiete, rund 700 insgesamt, die derzeit noch rein fossil bedient werden. „Aber nächstes Jahr kommen die ersten passenden E-Modelle, dann wird es auch dort losgehen.“ Aber auch die Art des Einsatzes war so eine Sache. Janacek: „Im städtischen Gebiet gibt es Brief- und Werbepostzusteller und dann extra einen für Pakete, sonst wäre das einfach zu viel. Am Land aber haben wir eine Verbundzustellung. Und da haben wir bemerkt, dass die Tourenlängen und das Ladevolumen für E-Fahrzeuge schon eher schwierig sind. Da müsste man dann öfter zurückfahren und nachladen, weil es einfach zu viele Sendungen sind.“ Die Grenze des Möglichen wird übrigens bei 140 Kilometern Einsatzstrecke gezogen, auch wenn der Akku theoretisch mehr schaffen würde. „Wenn man innerhalb dieser Range ist, bleibt noch die Frage, ob es sich beim Standort schon um ein Neugebäude handelt, dann ist jeder Stellplatz bereits mit einer Ladesäule bestückt. Bei Bestandsgebäuden hingegen kann man das nur schrittweise umrüsten. Man kann ja kein Logistikzentrum in eine riesige Baustelle verwandeln.“ Schließlich muss in diesen Fällen von der Straße bis zur Wand alles geändert werden, was riesige Investitionen nach sich zieht. Und die sollen womöglich auch noch länger als nur wenige Jahre halten.
Reduzierte Vorteile
Entsprechend ist eine schlaue Ladestrategie natürlich das Um und Auf. Aber wie berechnet man den optimalen Mix aus AC und DC? Wer muss über Nacht laden, wer darf in der Früh schneller zapfen? „Dazu kommen noch unsere Backups, Drittzusteller, die wir zu Spitzenzeiten einsetzen müssen. Und hier die richtige Balance zu finden, ist eine unserer Hauptaufgaben. Weil die DC-Infrastruktur ist wirtschaftlich schon eine andere Nummer.“ Somit drängt sich die Frage auf, ob Modelle mit Batterien, die eigentlich für den Einsatz zu groß wären, hier nicht eine wichtige Rolle spielen könnten. „Das ist eine spannende Fragestellung und natürlich berechnen wir sukzessive, ob die höheren Anschaffungskosten die Ersparnisse aufwiegen, da man einen Ladepunkt weniger benötigt. Dazu kommt dann noch das beschleunigte Laden, bei dem sich zwei Fahrer abwechseln können. Fakt ist, dass wir bis 2030 8.000 Transporter elektrisch betreiben, mehr als fünf bis 6.000 Ladepunkte wird es aber nicht brauchen.“ Und als letzter großer Punkt stand natürlich die Akzeptanz der Fahrer, was zum Glück recht schnell abgehandelt werden konnte. „Das wäre bei einem groben Switch nicht so gegangen. So aber gab es keinen Stress, das Positive hat sich schnell herumgesprochen.“ Natürlich war es für manche schwierig, wenn man von Selbstzündern kommt, die man vielleicht einmal in der Woche betanken musste. Dazu kam die altbekannte Reichweitenangst, es ging also weit hinein ins Psychologische. „Daher übergeben wir E-Autos im Rahmen einer Schulung. Wir erklären die Ladestation, wie man das Fahren optimieren kann, vor allem im Winter, oder warum man die Standheizung einschalten soll, weil die ja auch die Batterie vorwärmt. Das schafft auf beiden Seiten Beruhigung.“ Wichtig war für Janacek auch, dem Fahrer im laufenden Betrieb Unterstützung zu geben, und das möglichst, ohne den laufenden Betrieb aufzuhalten. „Denn wie heißt es so schön: Der beste Schiedsrichter fällt nicht auf.“ Das gelingt mit unsichtbaren Helfern, eigenen Telemetrielösungen zum Beispiel, um anhand des Ladezustands der Batterien Routen und Ladeaufenthalte zu bestimmen. „Aber auch dadurch, dass wir das Rückwärtstempo und die Beschleunigung reduzieren, was die Sicherheit erhöht und Verbrauch sowie Reifenabrieb reduziert. Das war bei Verbrennern nur sehr schwer möglich.“
Die Post in Fakten
Unternehmen: Österreichische Post AG
Fuhrpark Marken: Mercedes, Maxus, Peugeot, Opel, Renault, Nissan
Anzahl Pkw: 550, davon 110 E-PKW
Anzahl Nutzfahrzeuge: ca. 8.000 Transporter & 1.300 E-Bikes, Mopeds, Trikes; davon 3.274 elektrisch
Laufleistung: durchschnittlich 10.000 km/Jahr
Behaltedauer: 6 bis 10 Jahre (Diesel und Verbrenner);
Leasing: ca. 3–4 Jahre
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