Prof. Dipl.-Ing. Dr. Bernhard Geringer ist Dekan der Fakultät für
Maschinenwesen und Betriebswissenschaften an der TU Wien. Er gilt
international als einer der renommiertesten Experten für Fahrzeug-und
Motorentechnik.
Selbststeuernde und -regelnde Fahrzeugteilsysteme -ob für Motor,
Getriebe oder Fahrwerk - sind heute Alltag. Das selbststeuernde
Fahrzeug, also der in seiner primären Funktion des Lenkers teilweise
entmündigte Fahrer, werden immer mehr zum Focus der Entwicklungen,
aber auch der Sorgen und Furcht von Legislative und des fahraktiven
Fahrers. Wird man künftig nur mehr Mitfahrer seines fahrbaren
Untersatzes sein?
Ausschalten der Schwachstelle Mensch
Es steht außer Diskussion, die "Schwachstelle" für Unfälle und nicht
optimalen Fahrens ist der Mensch. Das Gros der Ursachen von
Verkehrsunfällen ist menschliches Versagen. Mit der Vermeidung dieses
Mankos würde auf einen Schlag die Verkehrssicherheit steigen. Was
liegt also näher, als diese Schwachstelle auszuschalten. Dafür muss
die Oberhoheit über das Lenken eines Kfz weg vom Menschen, hin zu
einem automatisierten und objektiven sowie sehr schnell agierenden
Maschinengehirn übergeben werden. Der Roboter Fahrzeug oder besser
die elektronische Steuereinheit -der Autopilot im Kfz -muss aber
dafür entwickelt und erprobt sein, um dies machen zu können.
Assistenzsysteme als Entlastung
Nun liebe Leser: Soweit ist man heute noch lange nicht und diesen
Zustand will auch wirklich niemand. Aber ein intelligentes und
schnelles Hilfssystem, das den Fahrer -aber nur, wenn er will -
unterstützt und gegebenenfalls auch Teilfunktionen übernimmt, macht
aber sehr wohl Sinn. Auch ist dieses Szenario kein Wunschdenken mehr.
Viele Hilfssysteme (zumeist Assistenzsysteme genannt) können bereits
bei neuen Fahrzeugmodellen bestellt werden. Sei dies der intelligente
Tempomat (der selbstständig den Abstand zum Vordermann hält), der
Spurführassistent (um unerwünschte Spurwechsel anzuzeigen) bis hin
zum einfachen Parkassistent. Dies alles sind Funktionen, die in
keiner Weise dem Fahrer die Herrschaft über die Hoheit abnehmen, ihn
aber entlasten, wenn er will, und wegschalten ist immermöglich.
Vollautomatisierte Prototypen
Der Kern der weiteren Diskussionen aber auch des möglichen Segens
solcher autonomer Führungssysteme sind jedoch das automatische
Notbremsen (bis zum Fahrzeugstillstand), das automatische Lenken
(etwa bei ermüdendem Kolonnefahren auf der Autobahn) oder das
selbstständige Einparken in einem Parkhaus (das Fahrzeug wird nur
mehr abgegeben). Letztere Systeme wurden bereits in Prototypen
erfolgreich getestet, ja sogar wirklich selbstfahrende Autos werden
in den USA auf öffentlichen Straßen erprobt. Die Begleitperson ist
nur mehr zur Überwachung für unerwartete Notfälle an Bord. Die
Vorteile der Automatisierung liegen auf der Hand: Eine
funktionierende Maschine kann schneller, mit weniger Fehlern und ohne
Unterbrechungen (ermüdet nicht) ihre Aufgabe erfüllen. Wenn an Bord
genügend künstliche Sensoren angebracht sind, können daraus schnell
der Sicherheit dienliche Aktionen wie Notbremsung, Ausweichen oder
Beschleunigen gesetzt werden.
Eine Frage der Haftung
Die Herausforderung dabei ist die gesetzliche Haftung. Wer
verantwortet nun solche autonomen Fahrzeugführungen? Der Hersteller,
der Fahrer, der übergibt, aber nicht von der finalen Verantwortung
entbunden ist oder wer sonst? Dies wird -neben der Weiterentwicklung
solcher Systeme -die Kernaufgabe sein. Moderne Sensorund
Verarbeitungssysteme, gepaart mit immer leistungsfähigerer und
kostengünstiger Elektronik, ermöglichen bereits heute das teil-oder
sogar vollautonome Fahren. Dadurch können Verkehrssicherheit, Komfort
und Akzeptanz des Individualverkehrs enorm profitieren. Also ein
Segen für die Menschheit. Da kein System, auch nicht die Elektronik
und Sensorik, fehlerfrei ist, müssen Verantwortlichkeiten und
Backup-Vorgänge in der Gesellschaft diskutiert und gelöst werden. Nur
so können diese Möglichkeiten genutzt werden. Viel ist schon heute
möglich oder sogar käuflich, die wirklich großen Schritte kommen aber
mit dem autonomen Lenken und Beschleunigen.