Die Wahlen zum Nationalrat sind geschlagen. Gesellschaftspolitisch
rechte und wirtschaftsfreundlichere Positionen sind eindeutig
gestärkt worden. Doch was bedeutet das für die Verkehrspolitik, für
Menschen, die ihr Auto beruflich brauchen und nutzen? Der Versuch
einer Prognose in fünf Teilen.
Das ORF-Team der "Zeit im Bild" stand in der Wiener Löwelstraße vor
verschlossenen Türen. Nein, nicht vor der Zentrale der Löwelstraße,
die dort ansässige SPÖ beziehungsweise deren Präsidium war gar nicht
da und tagte an diesem 16. Oktober 2017 im - noch - parteieigenen
Hotel Altmannsdorf. Man beriet den Verlust von Platz eins bei den
Nationalratswahlen am Vortag. Aber die verschlossenen Türen, das
Ignorieren der Türglocke, das fanden die ORF-Journalisten in der
Löwelstraße ein paar Häuser weiter vor, beim Türschild "Grüner Klub
im Parlament". Also filmten die Fernsehleute mangels anderer
Gesprächspartner eben einen Passanten. Der sagte auf gut wienerisch
zum grünen Debakel: "Sowä schuid. Jo, so is. Söwa schuid."
Gleichzeitig hatte die grüne Wiener Vizebürgermeisterin, Maria
Vassilakou, der Tageszeitung "Der Standard", einem langjährigen
publizistischen Unterstützer grüner Ideen, ein Interview gegeben.
Darin sagte sie zwei bemerkenswerte Dinge: "Die Wähler haben uns
vernichtet", und "der Wiener Wahlkampf hat am Sonntag begonnen, ob
man es will oder nicht."
Was bedeutet das Wahlergebnis für die Autofahrer?
Szenen ausÖsterreich nach einer heftigen Wahlauseinandersetzung mit
einem bemerkenswerten Ergebnis und ebenso heftigen Nachwehen. Aber
abgesehen von Freud oder Leid der betroffenen Politiker: Was heißt
das nun alles für Menschen, die beruflich auf ihr Auto angewiesen
sind oder es nutzen wollen? Was bedeuten die krachende Niederlage der
Grünen, der deutliche Sieg der ÖVP/Liste Kurz, der Fast-Rekord der
FPÖ und nicht zuletzt der massive Dämpfer für die SPÖ für die
Verkehrspolitik im Land? Dieser Artikel wurde am Tag zwei nach den
Wahlen in die Redaktion geschickt. Zum Redaktionsschluss war alsonoch nicht klar, welche Koalition künftig das Land regieren wird und
welche Partei und welche Person die Schlüsselressorts Verkehr und
Innovation, Wirtschaft und Forschung sowie Finanzen übernehmen wird.
Trotzdem lassen sich fünf Thesen aus dem Wahlergebnis ableiten:
Lösungen für Städte sind gefragt
Erstens: Kämpfe um die Städte werden härter. Die Konflikte zwischen
jenen, die hier wohnen und jenen, die beruflich mit dem Auto in die
Stadt einpendeln, werden eskalieren, wenn keine Lösungen gefunden
werden. Wenn die Grünen, die nach wie vor in Stadtparlamenten sitzen,
wieder ihr Profil schärfen wollen, werden sie sich auf die Seite
jener begeben, die in den Innenstädten wohnen, den Autoverkehr aus
der Stadt oder die knappen Parkplätze für sich haben und die Wege
innerhalb der Stadt mit Bus, U-Bahn, Straßenbahn, selbstfahrenden
Elektrotaxis und Fahrrädern erledigen wollen.
Fahrverbote weiter Thema
Zweitens: Fahrverbote für Autos mit Verbrennungsmotoren werden von
bestimmten Interessengruppen für urbane Gebiete mit objektiv wie
subjektiv gefühlter hoher Schadstoffbelastung weiter gefordert
werden, zumal sie in Österreich, genauso wie in Deutschland, in der
Kompetenz von Städten und Gemeinden liegen. Es ist so gut wie
unwahrscheinlich, dass sich hier etwas ändert, egal unter welcher
Koalition. Die fast schon seriellen Erhöhungen der Steuern für
Autofahrer dürften nicht auf der Agenda sein, vor allem, wenn ÖVP und
FPÖ gemeinsam regieren.
Verbot für Verbrennungsmotoren eher unwahrscheinlich
Drittens: Ein Verbot für Neuwagen mit Verbrennungsmotoren, wie etwa
in Großbritannien oder Frankreich anvisiert, wird so schnell nicht
kommen. Keine der im Parlament vertretenen größeren Parteien will
das. Bei der ÖVP heißt es im Wahlprogramm: "Aber auch, wenn
alternative Antriebe bei Pkw eine Änderung durch positive Anreize
erwirken." Das entspricht dem grundsätzlichen Ansatz, den die
Volkspartei seit Jahrzehnten bei der Marktsteuerung fährt; mit
Anreizen, ohne Zwang, allerdings auch ohne konkrete Ziele
festzusetzen. Die FPÖ hingegen hat ein Datum im Wahlprogramm und zwar
folgendes: "Garantie für die Nutzung von Diesel-Kfz bis 2050 - keine
Schikanen für Dieselfahrer". Beide Parteien, ÖVP und FPÖ, wollen
wortgleich ein "Österreich-Ticket" für alle öffentlichen
Verkehrsverbindungen einführen, ohne jedoch viel Konkretes zur
Umsetzung zu sagen. Die einzige Partei, die ein Verbot für
Verbrennungsmotoren forderte, ist politisch marginalisiert.
Und der SPÖ war das Thema nicht wirklich wichtig, auch wenn der
bisher amtierende rote Verkehrsminister noch bei einer
Elektroautoveranstaltung auf dem Red Bull Ring wahlkämpfend unterwegs
war. Im "Plan A" des Spitzenkandidaten finden sich auf 211 Seiten
gerade mal vier Wischiwaschi-Absätze zur Elektromobilität. Man müsse
"die Anstrengungen weiter verstärken". Hier zumindest ist sich die
SPÖ mit der ÖVP einig. Bei der FPÖ findet sich zu E-Autos im
Wahlprogramm: nichts.
Vorgaben aus Brüssel
Viertens: Die wesentlichen Weichen werden ohnehin auf europäischer
Ebene gestellt werden. Auch das wurde vor der Wahl gern ausgeblendet.
Die EU-Kommission wird bei den Klimazielen und strengen
Emissionsgrenzen nicht lockerlassen. Beim Strom ist Österreich mit
seiner Wasserkraft eine grüne Macht. Aber beim Verkehr gibt es keine
politische Steuerung. Das mag im Interesse vieler Menschen liegen,
das mag auch ein Teil der Wahlentscheidungen beeinflusst haben, dass
man sich im täglichen Leben, auch bei der Wahl des Verkehrsmittel,
von Brüssel keine Vorschriften machen lassen will. Trotzdem: Die
Kommission legt demnächst Strategien vor. Hier könnte beispielsweise
eine Elektroautoquote beinhaltet sein. Und damit wird sich jede
Bundesregierung auseinandersetzen müssen.
Konflikte müssen gelöst werden
Fünftens: Die Industrie steht außerdem unter Druck von Hypes wie um
Tesla oder der Aufarbeitung des Dieselskandals. Der Umgang mit der
Autoindustrie war in Deutschland ein Aufregerthema im Wahlkampf. In
Österreich nicht. Hier regiert der Technikerpragmatismus: Welche
Technologie sich auch immer durchsetzen sollte, wir sollten an der
Entwicklung führend beteiligt sein. Und an der Lieferung der
Komponenten. Das gilt auch für das Thema Roboterautos. Hier haben
sich ÖVP-regierte Bundesländer, die Steiermark und Oberösterreich,
bereits entschieden, Testregionen zu etablieren, mit
unterschiedlichen Schwerpunkten. Das hätte bisher bereits von einem
SP-geführten Verkehrsministerium starke Unterstützung bekommen, das
wird in jeder anderen Konstellation auch so bleiben.
Die Autoindustrie jedenfalls scheint wild entschlossen zu sein, hier
im kommenden Jahrzehnt tatsächlich Fortschritte zu machen. Auf jede
Bundesregierung kommt in Sachen autonomes Fahren jedenfalls viel
Regelungsbedarf zu -das Zusammentreffen alter und neuer Technologien,
Roboterautos und menschlich gesteuerte Fahrzeuge birgt mindestens so
viel Spannung wie der immer schärfer werdende Konflikt zwischen
Autofahrern und Radfahrern. Der auch dadurch nicht gelöst wird, wenn
keine radelnden Abgeordneten mehr im Hohen Haus an der Wiener
Ringstraße sitzen. Peter Pilz hat es außerdem hinein geschafft.