Eine Fahrt mit dem Renault Colorale Pick-up aus dem Jahr 1952 ist
eine einprägsame Begegnung, die Spuren hinterlässt und den Blick auf
die Gegenwart verändert.
Die Federn unter der ledernen Sitzfläche ächzen, die
Längsverschiebemechanik des Gestühls klemmt, es riecht nach Benzin
und Schmieröl. Der Renault Colorale glänzt zitronengelb lackiert in
der Sonne. Fast perfekt restauriert steht er da. Etwas Patina ließ
man stehen, sonst wäre der Großteil des Charmes für immer verloren.
Also, starten, eine vielschichtige Prozedur an sich: Choke ziehen,
Zündung an, Kupplungspedal mit aller Kraft durchdrücken, Schlüssel
drehen. Man hört den Anlasser rattern, sieht im Rückspiegel den
Auspuff dunklen Rauch husten und freut sich, wenn die Maschine unter
allgemeinem Gebrumme anspringtund sich freiatmet. Doch dann läuft er
wie am Schnürchen. Und alles im Cockpit scheppert, klimpert und
vibriert. Das tut der Begeisterung und Nervosität aber keinen
Abbruch, schließlich erhält man selten die Gelegenheit, ein Auto zu
fahren, das mindestens doppelt so alt ist wie man selbst. Oderteilebezogen sogar dreimal so viele Jahre auf dem Buckel hat: Der
Motor, der in dem Colorale aus dem Jahr 1952 arbeitet, wurde nämlich
schon im Jahr 1919 konstruiert. Und 1954 nach fast 400.000 gebauten
Stück in Rente geschickt, weil er wohl auch den Franzosen anno
dazumal schon etwas zu antiquiert war. Für den Einsatz im Pick-up -
der Name Colorale deutet es an -, der vor allem für die heimischen
Landwirte und die Bewohner der damals noch zahlreichen französischen
Überseeterritorien gebaut wurde, reichte es im damaligen Verständnis
aber noch mehr als aus. 800 Kilogramm Nutzlast übrigens auch, erst ab
1954 bot Renault dann eine verstärkte Version mit einer Tonne
zulässiger Zuladung an. Und später schickte man dann auch noch die
4x4-Version "Tous Terrains" auf die Äcker und Plantagen des
französischen Hoheitsgebiets. Mit einer knapp 30 Zentimeter großen
Bodenfreiheit war das Fahrzeug in der Lage, selbst schwierigstes
Terrain zu überwinden.
Gebaut für Übersee Doch zurück zum Brot-und-Butter-Colorale mit
Hinterradantrieb: Den zweiradgetriebenen Pick-up zu bewegen, ist
schon auf Asphalt alles andere als ein Kinderspiel. Das Lenkrad geht
schwerfällig, sämtliche Pedale wollen akkurat und bestimmt getreten
werden und das Auffinden des jeweilsrichtigen Gangs mittels
Lenkradschaltung fällt selbst nach einigen Kilometern schwer. Auf der
Landstraße geht"s aber schlussendlich zügig zu, die 62 PS des 2,4
Liter großen Vierzylinder- Benziners reichen für knapp 100 km/h -
Tempo 80 schont jedoch das eigene Nervensystem. Das Verzögern ist ein
besonderes Thema. Da hat man sprichwörtlich die Hosen voll, denn die
Wirkung der Trommelbremsen ist nicht besser, als wenn man zwei
aufgespannte Regenschirme zum Abbremsen aus den Seitenfenstern halten
würde. Fahrer und Beifahrer wären bei dieser wichtigen Aufgabe
immerhin nicht abgelenkt, denndie historische Akustik lässt ohnehin
keine Gespräche zu.
Ur-Ur-Ur-Großvater Wenn man so will, ist der Colorale ein weit
entfernter Verwandter vom Alaskan (siehe S. 26). Bis auf die
Ladefläche und die Zuladungsobergrenze gibt es jedoch kaum
Ähnlichkeiten. Und das ist eine gute und schlechte Sache zugleich. An
den verchromten Details und den filigranen Schaltern undHebeln im
Cockpit würde man sich nämlich noch heute erfreuen, andererseits ist
man froh, dass das Startprozedere einfacher, die Schaltung
unkomplizierter und der Fahrkomfort in den letzten Jahren deutlich
humaner geworden sind.