FLOTTE hat gemeinsam mit dem 4wd Magazin den brandneuen Jaguar I-Pace
mit dem Tesla Model X verglichen. Und zwar nicht bei
akkuschmeichelndem Sommerwetter, sondern bei Temperaturen um den
Gefrierpunkt. Warum sich der Austro-Brite besser fährt, am Ende aber
doch der Amerikaner die Nase vorn hat.
Auch wenn die Elektroautos nicht gerade wie die Schwammerl aus dem
Boden schießen, so tut sich doch einiges auf dem Markt. Immer mehr
Hersteller springen auf den lautlosen Zug auf, bestehenden Fahrzeugen
wird mit einem Akku-Upgrade zu mehr Reichweite verholfen. Wir haben
den Allrad-Schwerpunkt dieser FLOTTE zum Anlass genommen, den
nagelneuen Jaguar I-Pace gegen das Model Xvon Tesla antreten zu
lassen. Gemeinsam mit dem Model S sind das aktuell die einzigen
E-Allradler auf dem Markt, demnächst folgen weitere wie der Mercedes
EQC oder der Audi e-tron quattro. Bevor nun jemand die Nase rümpft:
Ja, das Model X ist größer als der I-Pace. Und trotzdem sind sich die
beiden Autos nicht unähnlich, der Austro-Brite - gebaut wird der
Jaguar bei Magna in Graz - ist deutlich mehr Crossover, der Tesla
geht spürbarer in Richtung SUV. Auffallen ist mit beiden garantiert,
die Raubkatze wurde schließlich noch kaum in freier Wildbahn
gesichtet, beim Amerikaner sind es diesogenannten
"Falcon-Wing-Doors", die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die
Flügeltüren sind nicht vorn, sondern statt der Fondtüren angebracht
-und uns ist kein anderes Auto eingefallen, bei dem das noch so wäre.
Dass die Ingenieure von Elon Musk eine große Portion Hirnschmalz
investiert haben, sieht man unter anderem am Öffnungsmechanismus.
Denn wer denkt, dass die Flügeltüren in engen Parklücken
kontraproduktiv sind, der irrt. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die
"Flügel" benötigen lediglich 30 Zentimeter Mindestabstand und öffnen
bei geringem Platz zuerst nach oben und klappen dann erst nach außen,
Wow-Effekt inklusive. Annehmlichkeiten gibt es aber auch für den
Fahrer des Model X. Nähert er sich der Fahrertür, wird diese wie von
Geisterhand geöffnet. Und zwar so weit, wie es platztechnisch möglich
ist. Nimmt man dann hinter dem Lenkrad Platz und erweckt den X
mittels Druck auf die Bremse -Startknopf gibt es keinen -zum Leben,
schließt sich auch die Tür automatisch! Warum ist da noch kein
anderer Hersteller draufgekommen, muss man sich fragen. Der Jaguar
bietet Altbekanntes, die vier Türen muss man händisch öffnen und
schließen. Kleiner Showeffekt: Beim Aufsperren fahren die vier
Türgriffe aus der Versenkung, beim Losfahren verschwinden sie wieder.
Cockpit: Bekanntes und Spaciges Bleiben wir beim I-Pace. Das Cockpit
ist sehr hochwertig, feinste Materialien in bester Verarbeitung, so
soll das in dieser Preisklasse sein. Beim Layout hätte man aber
mutiger sein können. Ja, es gibt einen Screen hinter dem Lenkrad,
einen, wo unter anderem das Navi untergebracht ist und einen zur
Steuerung der Klimatisierung. Das kennt man so auch aus dem neuen
Audi A8. Der Wechsel in den Tesla ist ein Unterschied wie Tag und
Nacht. Dort ist der Arbeitsplatz des Fahrers extrem reduziert und
nüchtern, alle Aufmerksamkeit gehört dem riesigen 17-Zoll-Touchscreen
in der Mittelkonsole, der Kommandozentrale für sämtliche Funktionen.
Ob als Mega- Navibildschirm, Audio-Lounge für Radio, Spotify und Co
oder um die Fahrzeugeinstellungen zu personalisieren, dieses Ding
kann einfach alles. Allerdings auch vom Fahren ablenken, denn man
muss schon hinsehen, um auf dieser großen Fläche die kleinen Icons zu
treffen, erst recht jene, die ganz unten angeordnet sind. Wechselt
man in den Jaguar, so fühlt sich der mittlere Screen geradezu winzig
an, das extreme Querformat ist für Navi-Ansichten auch nicht perfekt.
Und auch die Bedienlogik selbst kommt nicht an jene des Tesla heran.
Allerdings: Head-Up-Display gibts nur beim Jaguar.
Platzverhältnisse: Der längere Tesla bietet mehr Während der Jaguar
ein klassischer Fünfsitzer ist und dabei durchaus ordentliche
Platzverhältnisse bietet, wartet der Tesla -nicht zuletzt aufgrund
seines Längenplus von 35 Zentimetern -mit deutlich mehr Flexibilität
auf. Es gibt ihn standardmäßig wieden Jaguar als Fünfsitzer und
gegen einen Aufpreis von 3.200 Euro auch als Siebensitzer. Besonders
cool ist die 6.600 teure Sechssitzer-Lösung, die auch unser Testwagen
verbaut hatte. Sowohl in der zweiten als auch dritten Reihe sind
dabei je zwei Sitze, die mittleren beiden können dabei elektrisch
verstellt werden und bieten großen Komfort. Alle Sitzplätze sind
übrigens mit Sitzheizung ausgestattet. Mit 357 (bei sieben Sitzen)
bis 2.000 Litern - beim Umklappen aller Sitze -geht das
Maximalvolumen zwar klar an den Tesla, 656 bis 1.453 Liter sind beim
Jaguar aber alles andere als schlecht. Erst recht, wo die Nutzbarkeit
besser ausfällt. Durch Umlegen der dritten Sitzreihe beim Tesla
gewinnt man zwar Platz, verliert dabei aber die Abgrenzung zum
Fahrgastraum und das Ladegut rutscht nach vorn. Old-School ist
zumindest hier besser, wie die klassische 60:40-Lösung im Jag zeigt.
EinenPluspunkt holt sich der Tesla dann doch noch, der vordere
Kofferraum -"Frunk" genannt, eine Mischung auf Front und Trunk - ist
mit 187 Litern knapp 18 Mal größer als die 10,5 Liter beim Jaguar.
Die sind voll, wenn das Ladekabel dort verstaut wird. Interessant:
Als eine der wenigen E-Autos darf das Duo auch gebremste Anhänger
ziehen, beim Tesla (Anhängerkupplung Serie) sind es maximal 2.250
Kilogramm, beim Jaguar lediglich 750 Kilogramm.
Preisvorteil für den Jaguar I-Pace Bevor es nun auf die Testrunde
geht, werfen wir noch einen Blick auf die Preislisten der Fahrzeuge.
Zunächst sei festgehalten, dass es sich beim Model X um den 100D
handelt, also das Modell mit der 100 kWh großen Batterie. Alternativ
dazu gibt es noch den 75D mit, richtig geraten, 75 kWh. Der P100D
beschleunigt schneller (3,1 Sekunden auf 100 km/h!), hat aber
ebenfalls die 100-kWh-Batterie verbaut. Beim Jaguar gibt"s auf der
Akku-Seite keine Auswahl, er kommt immer mit einer 90-kWh-Batterie.
Das Tesla Model X 75D startet bei 98.100 Euro, an Extras gibt es
neben den erwähnten Sitzpaketen noch eine verbesserte
Autopilot-Funktionalität für 5.800 Euro sowie spezielle Lackierungen,
Felgen und Leisten im Innenraum. Alles andere ist Serie, auch beim
100D für 115.900 Euro, das Testauto kam auf 132.580 Euro. Der Jaguar
I-Pace startet bei 78.380 Euro, unser Testauto inklusive der First
Edition (u. a. Panoramadach, 20-Zoll-Felgen, 4-Zonen-Klimaautomatik,
Head-up-Display, elektronisch geregelte Luftfederung samt adaptivem
Fahrwerk) kommt auf 102.570 Euro und liegt damit doch spürbar unter
dem Model X. Eine wichtige Info zum Thema Vorsteuerabzug finden Sie
auf der Datenseite des Vergleichstests!
Beim Laden ist die Raubkatze langsam Gravierende Unterschiede gibt es
beim Laden der beiden Elektroautos. Gleichstrom-Schnellladen können
beide. Der Jaguar bis zu 100 kW - solche Stationen sind aber äußerst
selten, die Regel sind aktuell 50 kW -, der Tesla schafft an den
hauseigenen Superchargern sogar 120 kW. So konnten wir mit dem Model
X etwa hochgerechnet 500 Kilometer in einer Stunde nachladen, ein
durchaus beeindruckender Wert. Mit 100 kW benötigt der I-Pace laut
Jaguar 40 Minuten, bis der Akku zu 80 Prozent geladen ist.
Gravierender wird der Unterschied an einer Wechselstrom-Wallbox, wie
sie für Firmen oder Privathäuser üblich ist. Denn dort kann der Jag
nur einphasig laden und ist damit auf maximal sieben kWbegrenzt. Bis
die Batterien voll sind, vergehen rund 12,5 Stunden. Und auch wenn
man nicht täglich die Batterie leer fährt, zeitgemäß ist das einfach
nicht, da solche Wallboxen doch bis zu 22 kW liefern. Mit maximal
16,5 kW lädt das Model X hier mehr als doppelt so schnell, was wir
auch an unserer 22-kW-Wallbox in der Redaktion selbst überprüfen
konnten.
Gigantische Fahrleistungen bei beiden E-Autos Zeit, dass wir zum
wichtigsten Thema kommen. Wie fahren sich die beiden Stromer und vor
allem -wie weit kommen sie? Der Reihe nach: Die Fahrleistungen beider
E-Boliden sind gigantisch. Der Elektromotor liefert die volle Power
aus dem Stand und der Allradantrieb sorgt dafür, dass diese auch auf
die Straße gebracht wird. In nackten Zahlen: In 4,9 Sekunden erreicht
der Tesla 100 km/h, sogar noch ein Zehntel schneller der Jaguar. Die
Höchstgeschwindigkeit geht mit 250 zu 200 km/h an den Tesla. Und auch
wenn es am Fahrverhalten des Model X nicht viel zu meckern gibt,im
I-Pace hat es dennoch ihren Meister gefunden. Der liegt besser auf
der Straße, ist leiser und wirkt insgesamt einfach homogener. Geht"s
ums (teil-)autonome Fahren, ist Tesla aktuell das Maß. Auch wenn man
den vollautonomen Modus wieder zurückgenommen hat -auch hier muss man
regelmäßig am Lenkrad zupfen, um die Aufmerksamkeit zu bestätigen
-könnte das Model X schon viel mehr, wenn es denn dürfte. Im Display
hinter dem Lenkrad werden andere Verkehrsteilnehmer nach den
Kategorien Pkw, Zweirad, Lkw und Fußgänger erkannt und dargestellt,
Spurwechsel werden nach einem Lenkimpuls vollautomatisch umgesetzt.
Allerdings: Der adaptive Tempomat bremst selbst bei kleinstmöglich
eingestelltem Abstand gefühlte Ewigkeiten vor anderen Fahrzeugen und
nervt damit im Alltag gewaltig. Der Jaguar-Pilot kann die
Adaptiv-Funktion indes sogar abschalten.
Kopf-an-Kopf-Rennen beim Verbrauch Jetzt wird es aber ernst, die
Verbrauchsrunde steht an. Um gleiche Bedingungen herzustellen, haben
wir beide Autos am Vortag voll geladen und danach von der Ladestation
getrennt. Um die Aussagekraft des Tests zu erhöhen -schließlich sind
niedrige Temperaturen Reichweitenkiller -war uns auch der Wettergott
hold und hat Minusgrade ins Land geschickt. Am nächsten Morgen war
zunächst Eiskratzen angesagt, danach ging es ohne Vorheizen auf
unsere Testrunde. Die Reichweitenprognose des vorher zurückgesetzten
Bordcomputers lag beim I-Pace bei 360, beim Model X bei 442
Kilometern. Die Heizung wurde auf 23 Grad eingestellt, die ersten
Minuten war auch die Sitzheizung im Einsatz, ganz so, wie man es bei
jedem herkömmlichen Auto auch tun würde. Die Runde führte uns durch
die Stadt, auf die Autobahn und übers Land, gefahren wurde jeweils
mit dem maximal erlaubten Tempo, auch ein Fahrerwechsel war
eingebaut. Nach ziemlich genau 50 Kilometern zurück in der Redaktion
stieg die Spannung dann bei der Auswertung. 25,6 kWh genehmigte sich
der Tesla im Schnitt, 26,5 kWh der Jaguar, es war also ein echtes
Kopf-an-Kopf-Rennen.
Reichweite: Was ist nur mit dem Jaguar los?
Und die verbliebene Reichweite? Das Model X gab 330 hochgerechnet
noch mögliche Kilometer an, der Jaguar nur noch magere 220 Kilometer.
Die 50 gefahrenen Kilometer ließen die Reichweite laut Bordcomputer
von 360 auf 220 fallen, ein durchaus dramatischer Reichweitenverlust.
Auf reinen Autobahnetappen war beim Tesla festzustellen, dass die
Reichweite nur minimal von derPrognose abweicht, bei milderen
Temperaturen und sanftem Gasfuß ist die Strecke von Wien nach
Salzburg ohne Nachladen möglich. Zumindest mit unserem Test-Jaguar
war daran nicht im Ansatz zu denken. Trotz der Tatsache, dass sich
der Durchschnittsverbrauch zumeist zwischen 28 und 33 kWh bewegt hat,war der Akku im Extremfall nach 170 Kilometern leer. Ratlosigkeit,
die sich trotz intensiver Recherche und auch Nachfrage bei Jaguar
nicht auflöste, sondern vielmehr noch verwirrender wurde. Wir sind
das Auto mehrmals komplett leergefahren, der I-Pace geht dann in ein
Notprogramm, schaltet sämtliche Verbraucher aus und lässt sich nur
noch mit eingeschränkter Geschwindigkeit bewegen. Danach ging es
sowohl an die Schnellladesäule als auch an die Wallbox, um eine
weitere Fehlerquelle auszuschließen. Hierwurden maximal 50,5 kW
nachgeladen, bis das Fahrzeug 100 Prozent meldete. Dass ein 90 kWh
großer Akku niemals bis aufs letzte Kilowatt leergefahren wird, ist
klar, aber dass nur etwas mehr als die Hälfte davon genutzt werden,
blieb -auch seitens Jaguar -unerklärlich, Fehlermeldungen gab es auch
keine.
Zweite Chance für die elektrische Raubkatze Da zum Testzeitpunkt kein
zweites Fahrzeug verfügbar war, bleibt uns nichts anderes übrig, als
das Ergebnis so festzuhalten. Umgelegt auf unsere Verbrauchsrunde
würde das bedeuten, dass der Jaguar rund 190 Kilometer weit kommt,
was bei einer Reichweite von 470 Kilometern nach WLTP trotz
Temperaturen um die Null Grad Celsius eine große Niederlage wäre. Ob
der Reichweiteneinbruch an den niedrigen Außentemperaturen oder doch
an einem Problem mit dem Fahrzeug liegt, wissen wir nicht. Fix ist,
dass wir den I-Pace noch einmal in den Testfuhrpark holen und ihm
odervielmehr dem Akku erneut auf den Zahn fühlen werden. Mal
schauen, wie sich die Reichweite bei der zweiten Chance darstellt
Vergleichstest: Tesla Model X 100D vs. Jaguar I-Pace EV400
Das Resümee
Sowohl das tesla Model X als auch der Jaguar I-Pace sind zwei
wirklich beeindruckende Fahrzeuge. Mit einer Beschleunigung, die sich
mit echten Sportwagen messen kann, einem großzügigen Platzangebot und
Allradantrieb sind sie die perfekten Allrounder. Auch wenn sie
produktionstechnisch bereits zum Start einen großen CO2-Rucksack
mitbringen - der mit jedem gefahrenen Kilometer kleiner wird -und
Öko-Strom Bedingung für einen sauberen Betrieb ist, so sind sie lokal
emissionsfrei und leise. Bei Preisen um die 100.000 Euro kann sich
freilich nur eine kleine Minderheit über diese Boliden freuen. Der
Jaguar punktet mit perfekter Verarbeitung und einem Fahrgefühl, das
ihn noch einmal spürbar vom tesla unterscheidet, die Raubkatze lässt
sich geschmeidiger bewegen undist auch leiser. Der Amerikaner sorgt
mit Flügeltüren und vielen anderen Gimmicks für die große Show,
könnte hie und da aber noch etwas Feintuning vertragen. In Sachen
ladeleistung und Reichweite lässt das Model X den Austro-Briten
-zumindest unser testauto im Vergleich - aber ziemlich alt aussehen.
Es lädt an Wallboxen mitunter mehr als doppelt so schnell und hat an
den tesla-eigenen Superchargern auch beim Schnellladen unterwegs die
Nase vorn. Beim prognostizierten Restwert bleiben sich die beiden
indes nichts schuldig.