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BMW i3 vs. Kia e-Niro: Reichweite ist (nicht) alles

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Die Reichweite ist für viele nach wie vor das wichtigste Argument gegen Elektroautos. Das wissen auch die Hersteller und statten die neuen Modelle mit entsprechender Akku-Kapazität aus. Wir haben das Update des BMW i3 mit dem nagelneuen Kia e-Niro verglichen.

Man muss gar nicht allzu weit zurückblicken, die Reichweiten der E-Autos waren zum Start vielfach mau und damit nur einem sehr eingeschränkten Kreis an Usern zugänglich, vielfach als Firmenauto schlicht uninteressant. Mit einem Tesla konnte man freilich schon immer deutlich mehr Kilometer abspulen, die Preisklasse ist allerdings eher den Geschäftsführern und CEOs vorbehalten. Langsam, aber sicher stoßen auch die Fahrzeuge der kleineren Segmente bei der Reichweite in Regionen vor, die beginnen, interessant zu werden. Schließlich sind Sachbezugsbefreiung und Vorsteuerabzug sowohl für das Unternehmen als auch den Mitarbeiter starke Argumente. Grund genug, zwei Neuerscheinungen - den BMW i3 120Ah und den Kia e-Niro - näher auf die Räder oder vielmehr den Akku zu schauen.

Optional: Großes Akku-Pack für den e-Niro

Was die Größe beziehungsweise die Länge betrifft, so ist der e-Niro mit 4,38 Metern eine Nummer über dem i3 (4,01 Meter) angesiedelt, dafür liegen die beiden Probanden preislich näher, als man vielleicht vermuten würde. Der Elektro-Bayer mit 42,2 kWh großem Akku startet bei 33.583 Euro (alle Preise im Vergleich sind netto), der Kia in Titan-Basisausstattung mit 39,2-kWh-Batterie bei 31.242 Euro. Ausstattungsbereinigt - mehr dazu später - fällt der Preisvorteil zugunsten des Koreaners deutlich größer aus, wer zum Topmodell "Platin" greift, bekommt für einen Aufpreis von 5.167 Euro so gut wie alle Wünsche erfüllt. Zudem hat der e-Niro ein ganz besonderes Ass im Ärmel, für 3.667 Euro gibt's hier einen 64 kWh großen Akku, womit der i3 klar das Nachsehen hat. Doch der Reihe nach.

Zukunft vs. Gegenwart

Mit dem i3 hat BMW eine Baureihe erschaffen, die konsequent und kompromisslos auf den elektrischen Antrieb ausgelegt ist. Das beginnt beim Einsatz von Carbon beim Chassis und reicht bis zu den im Durchmesser extrem großen, dafür sehr schmalen Rädern. Um die Andersartigkeit zu unterstreichen, hat man sich für ein nicht immer praktisches Türkonzept entschieden, bei dem die hinteren Türen nicht nur hinten angeschlagen sind, sondern sich nur dann öffnen lassen, wenn auch die Vordertüren offen sind. Dank kompakter Abmessungen zeigt sich der Bayer vor allem innerstädtisch wieselflink, wozu auch der sehr kleine Wendekreis beiträgt. Der e-Niro ist ein Auto, wie man es in den Grundzügen eben seit jeher kennt. Vier klassische Türen, Platz für fünf Personen (beim BMW sind es nur vier) und ein Design, hinter dem sich auch ein herkömmlicher Verbrennungsmotor verstecken könnte.

 

Mehr Platz im Kia

Auch das Interieur der beiden unterscheidet sich grundlegend. Beim Kia gilt, wer sich in einem Ceed oder Sportage zurechtfindet, wird das auch im e-Niro tun. Ergonomisch gibt es hier keinerlei Anlass zur Kritik, die Bedienung gibt definitiv keine Rätsel auf. Beim BMW setzt sich die progressive Linie auch innen fort. Dank weit vorn liegender Frontscheibe ist das Raumgefühl trotz kompakter Abmessungen überraschend luftig, hier werden an unterschiedlicher Stelle - wie etwa beim Armaturenbrett - Recycling-Materialien bewusst und stolz zur Schaugetragen. Statt eines klassischen Wählhebels gibt's einen Bediensatelliten, an den man sich aber ebenso schnell gewöhnt wie an die restliche Bedienung. Bei der Sprachsteuerung hat BMW überhaupt die Nase im gesamten Konkurrenzumfeld vorn. Sprachtaste gedrückt, Ziel angesagt und los geht die Fahrt, ohne zigfach bestätigen zu müssen, dass man etwa die Zielführung wirklich starten möchte. Mit dem iDrive-Controller in der Mittelkonsole lassen sich sämtliche Parameter des Fahrzeugs einstellen. Der Kia setzt auf einen Touchscreen, Sprachsteuerung gibt es nur über Apple CarPlay beziehungsweise Google Auto und auch nur dann, wenn man das Smartphone mit einem USB-Kabel verbindet. Dennoch ist die Bedienung einfach und auch das Navi in Ordnung. Einen Schnitzer leistet man sich aber bei der Rückfahrkamera, die Auflösung ist für heutige Begriffe unterirdisch, kein Vergleich mit jener des BMW. Allerdings verlangen die Bayern 335 Euro Aufpreis, beim Kia ist die Kamera serienmäßig. Trotz 37 Zentimeter weniger an Außenlänge ist die Beinfreiheit im Fond des i3 durchaus okay, etwas großzügiger geht's im e-Niro zu. Deutlich fällt der Unterschied dann beim Kofferraum aus. 260 bis 1.100 Liter sind es beim BMW, 451 bis 1.405 Liter beim Kia, der unter dem Laderaumboden auch Platz für Ladekabel und weiteres Zubehör bietet. Beim i3 wird das unter der vorderen Haube verstaut, ist dort - aus völlig unverständlichen Gründen - aber nicht vor Wind und Wetter geschützt. Im Lauf der Zeit wird das zu einem mit Herbstblättern geschmückten Feuchtbiotop.

 

Lange Aufpreisliste beim BMW

Wie erwähnt punktet der Kia e-Niro ganz klar bei der Serienausstattung. Erst recht in der Top-Version Platin, in der unter anderem Navi, LED-Scheinwerfer, kabellose Ladefunktion fürs Smartphone, Fernlicht-, Querverkehrs- und Totwinkelassistent sowie belüft-, beheiz- und elektrisch verstellbare Ledersitze serienmäßig sind. Einzige Extras sind Metallic-Lack und ein Glasschiebedach. Beim BMW sieht die Sache traditionell beinahe genau gegenteilig aus. Das eigentlich unverzichtbare Navi samt kabellosem Laden kommt auf 885 Euro, das Komfort-Paket - ebenfalls ein Muss - bringt für 400 Euro unter anderem Multifunktionstasten am Lenkrad, Armauflage, Klimaautomatik, Regensensor und Tempomat mit, teuer wird's dann, wenn man sich bei den Einzelposten (Komfortzugang, Wärmepumpe, adaptiver LED-Scheinwerfer, Glasdach u. v. m.) austobt. Das Lederpaket mit Holzausführung im Cockpit kommt auf weitere 2.515 Euro. Macht unterm Strich 46.253 Euro für unseren Testwagen, ein ähnlicher ausgestatter Kia e-Niro mit der kleineren, zum i3 vergleichbaren Batterie käme ziemlich genau 10.000 Euro günstiger. Beim Restwert hat dann aber der Elektro-Bayer wieder die Nase vorne, wie die Eurotax-Daten auf der rechtenSeite zeigen.

Ab auf die Piste!

Werfen wir nun einen Blick auf die technischen Daten. Der i3 bringt es mit dem zweiten Batterieupdate auf eine Reichweite von 285 bis 310 Kilometern (abhängig von Ausstattung und Bereifung) nach WLTP, bei unserem Test-Kia in Long-Range-Variante sind es 455 Kilometer, die Basis-Batterie bringt es auf 289 Kilometer und liegt somit auf dem Niveau des BMW. Nach dem sehr guten Abschneiden des eng mit dem Kia verwandten Hyundai Kona elektro waren wir nun gespannt, wie sich die beiden Autos auf unserer Testrunde schlagen würden. Diese umfasst 50 Kilometer und geht durch die Stadt ebenso wie über Landstraßen und Autobahnen. Die aussagekräftigsten Praxiswerte lassen sich im Winter bei möglichst niedrigen Temperaturen eruieren, nicht zuletzt durch die Heizung ist die Reichweite unter diesen Bedingungen am geringsten. Zum Start unseres Tests stand die Quecksilbersäule bei zehn Grad Celsius. Auf Sitz- sowie Lenkradheizung, diese ist beim BMW nach wie vor leider nicht verfügbar, wurde verzichtet, die Klimaanlage auf 23 Grad Celsius in den Automatikmodus gestellt. Beim Kia gibt es zudem die Möglichkeit, die Heizung beziehungsweise Klimatisierung beim Alleinfahren auf den Fahrer zu fokussieren, um Energie zu sparen, was wir auch gemacht haben. Nach dem Zurückstellen des Bordcomputers zeigte die Reichweitenprognose beim Kia e-Niro exakt 400 Kilometer, beim BMW i3 338 Kilometer. Um möglichst effizient zu fahren, wurde bei beiden E-Autos der Eco-Mode aktiviert, der etwa Beschleunigung und Heizung etwas drosselt. Für maximale Reichweite gibt's beim i3 noch Eco Pro+, ganz ohne Heizung war's uns dann aber doch zu kalt.

Verbrauch und Reichweite

Nach den erwähnten 50 Kilometern und einem Fahrerwechsel wurde es dann Zeit, einen Blick auf die Verbrauchsanzeigen zu werfen. Mit durchschnittlich 13,5 kWh war der BMW i3 etwas sparsamer als der Kia e-Niro, der im Schnitt 14,3 kWh aus dem Akku zog, Ladeverluste jeweils unberücksichtigt. Und was bedeutet das im Hinblick auf die Reichweite? Laut Bordcomputer wäre der Bayer hochgerechnet 281 Kilometer weit gekommen, was im Hinblick auf den Schnittverbrauch auch exakt dem Wert entspricht, der umgelegt auf die 37,9 kWh Netto-Energiegehalts der Batterie entspricht. Schließlich kann in der Praxis der Akku nicht komplett leergefahren werden, der Puffer beim BMW liegt bei zehn Prozent. Und wie erging es dem Kia? Addiert man die 50 gefahrenen Kilometer der Restreichweitenanzeige von 353 Kilometern, kommt man auf eine Gesamtreichweite von durchaus beeindruckenden 403 Kilometern. Kia gibt zwar keine Netto-Batteriekapazität an, geht man hier ebenso von einem zehnprozentigen Puffer aus, stimmt die Rechnung auch hier. Und während anderen E-Autos auf der Autobahn vielfach schnell die Luft oder vielmehr der Strom ausgeht, schlagen sich die beiden Testprobanden auch hier durchaus beachtlich. Mit Werten um die 18 kWh liegen die Reichweiten immer noch um die 210 beziehungsweise 320 Kilometer, das ist aller Ehren wert. Wir wollen dennoch nicht vergessen, nochmals anzumerken, dass der Verbrauch im Winter durchaus noch ansteigen kann. Schließlich ist das "Worst Case Szenario" jenes, das in Sachen Reichweite bei der Kaufentscheidung maßgeblich ist.

 

Fahrgefühl und Vernetzung top im BMW i3

Ebenfalls nicht unerwähnt wollen wir die Fahrleistungen lassen. Hier liefern sich die beiden Stromer ein Kopf-an-Kopf-Rennen, der Kia bekommt mit der größeren Batterie auch einen stärkeren Motor und sprintet in 7,8 Sekunden auf 100 km/h, beim BMW sind es sogar nur 7,3 Sekunden. In der Praxis wirkt der i3 nicht nur agiler, auch das Ansprechverhalten der Bremse ist feiner dosierbar. Wiewohl man beim i3 das Bremspedal überhaupt selten benötigt. Die Rekuperation ist so gewählt, dass das Fahrzeug zum Beispiel an der Ampel bis zum Stillstand kommt, wenn man den Dreh erst einmal heraußen hat. Beim e-Niro gibt es dafür drei Rekuperationsstufen, die sich mit den Paddels am Lenkrad ansteuern lassen. Cooles Feature: Läuft man ohne Tempomat auf ein anderes Auto auf, wird automatisch soviel rekuperiert, dass kein Bremseingriff nötig ist. In Sachen Vernetzung muss sich der Kia dem BMW (noch) geschlagen geben. Eine App informiert den i3-Fahrer nicht nur über den aktuellen Lade- beziehungsweise Akkuzustand, sondern erlaubt es auch, die Standheizung zu aktivieren beziehungsweise zu programmieren. Kia wird erst Anfang 2020 eine App nachliefern, bis dahin muss etwa die Vorklimatisierung im Auto eingegeben werden, zudem funktioniert diese leider nur dann, wenn das Fahrzeug am Strom hängt.

 

Langsame Leitung: Der Kia e-Niro patzt beim Laden

Womit wir - die Ziellinie des Vergleichstests vor Augen - noch auf die Ladezeiten zu sprechen kommen. Der BMW lädt dreiphasig mit 11 kW und ist damit in rund vier Stunden wieder vollgeladen, an einem 50-kW-Gleichstrom-Schnelllader benötigt man 45 Minuten bis auf 80 Prozent. Der Kia erlaubt sogar bis zu 100 kW Gleichstrom aufnehmen und ist mit großem Akku in 75 Minuten auf 80 Prozent, dafür kann er aber nur einphasig an einer Wechselstrom-Wallbox laden, wofür er in unserem Test über 10 Stunden benötigte. Liegt die Ladeleistung - und das ist in Österreich beim einphasigen Laden vielfach Standard und netzseitig vorgegeben - nur bei 3,6 bis 4,6 kW, dauert der Vorgang bis zu 18 Stunden. 

Das Resümee

Einen klaren Sieger gibt es bei diesem Vergleichstest nicht. Der BMW punktet mit dem etwas geringeren Verbrauch, der größeren Agilität und nicht zuletzt dem deutlich schnelleren - da dreiphasigen - Wechselstromladen an herkömmlichen Wallboxen. Die Kehrseite ist neben der geringeren Reichweite der in Relation deutlich höhere Preis, der Premium-Anspruch der Bayern macht sich wenig überraschend auch beim Elektroauto bemerkbar. Der Kia ist im Konkurrenzumfeld gemeinsam mit dem technischen Zwillingsbruder Hyundai Kona klarer König der Reichweite, um die 400 Kilometer sind eine sehr starke Ansage. Die Serienausstattung, der attraktive Preis und die umfangreiche Garantie sprechen ebenfalls für den Koreaner, der sich aber auch in einigen Kapiteln dem BMW geschlagen geben muss. Größtes Manko ist das langsame, einphasige laden. Wer mit leeren Batterien heimkommt, kann mitunter am nächsten Morgen nicht mit vollen Akkus in den Tag starten. Die (noch) fehlende App zur ladeüberwachung und Steuerung der Vorklimatisierung fällt ebenso negativ auf wie die Tatsache, dass besagte Klimatisierung nur dann möglich ist, wenn der e-Niro an der Steckdose hängt. Gerade bei dieser Akkukapazität wäre das nicht nötig. Bei den Restwerten setzt sich der i3 mehr oder weniger deutlich an die Spitze.

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