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Gutgläubig & blauäugig

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(c): Shutterstock

Studien über E-Autos machen häufig Schlagzeilen, dabei gilt: Je unsauberer das Ergebnis, desto reißerischer das Medienecho. Dabei wäre es gar nicht so schwer, seriöse Informationen von Stumpfsinn zu unterscheiden. Auch für Journalisten.

"Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hat." Das Zitat von Winston Churchill kann logischerweise als Aufforderung zum "Frisieren" von Studien verstanden werden. Das greift allerdings zu kurz. Andererseits steckt in ihm nämlich der Hinweis: Glaube nur, was glaubhaft argumentiert und transparent dargestellt wird. Und vor allem, hinterfrage die Expertise des Autors und seine Unabhängigkeit ebenso wie die von ihm in seiner Studie aufgestellten Kausalitäten und scheinbaren Zusammenhänge. Dass dies selbst bei Journalisten, die Kraft ihres Amtes eigentlich als "Schleusenwärter" seriöse Information von unseriösem Stumpfsinntrennen sollten, in der Praxis nicht immer der Fall ist, merkte man in jüngster Zeit vor allem an Studien zur Elektromobilität. Prominentestes Beispiel dafür ist die "Schweden-Studie". Dabei handelte es sich um eine Metastudie des schwedischen Umweltforschungsinstituts IVL, die ihrerseits mehrere Studien untersucht hatte, die unter anderem beleuchtet hatten, wie viel CO2 pro Kilowattstunde Akkukapazität bei der Produktion emittiert wurde.

Nichts ist allgemeingültig

Abgedeckt wurden in den Studien damals mehrere Herstellungsländer und der Zeitraum von 2010 bis 2016. Dementsprechend groß ist die Bandbreite der Berechnungssummen: So kam eine Studie auf unter 50 Kilogramm CO2 pro Kilowattstunde, eine andere auf rund 200 Kilogramm. Und wer den Boulevard kennt, der weiß: Eine reißerische Schlagzeile sorgt für Auflage und Clicks. Und es ging tatsächlich nicht lang, bis die höchsten CO2-Werte aus der Studie herausgepickt und auf den größten Tesla-Akku hochgerechnet wurden. Seither geistern die Meldungen herum: "Ein Akku eines Elektroautos belastet das Klima mit 17,5 Tonnen CO2" und "Ein Model S muss man acht Jahre fahren, um den CO2 Produktionsrucksack auszugleichen".

Fakt ist: Beides ist falsch. Oder anders gesagt: zumindest nicht korrekt. Denn erstens schwanken die Emissionen bei der Stromproduktion von Land zu Land, liegen mal höher, mal niedriger. Zweitens: Selbst die Zellfabriken unterscheiden sich beim Strommix. Manche werden vollständig mit Ökostrom betrieben, wie die Fabrik von Northvolt in Schweden oder in naher Zukunft die Gigafactory von Tesla. Drittens: Nicht jedes E-Auto hat eine 100-kWh-Batterie. Viertens: Wer Öko-Strom lädt, fährt klimaneutral. Kurz: In den Boulevardartikeln haperte es an einigen Stellen. Vor allem merkte man eines: Kaum ein Journalist hat die Studie selbst gelesen, denn dann wäre ihm aufgefallen, dass darin die 17 Tonnen CO2-Ausstoß mit keinem Wort vorkommen. Diese Berechnung hatnämlich ein Journalist aufgestellt - und die hat sich mittels Stille-Post-Effekt oder Copy-&-Paste-Methode vervielfacht und in den Gehirnen der Elektromobilitätsskeptiker festgesetzt.

Die Tricks der Berechnung

Zweites Beispiel, quasi ganz frisch, ist die Ifo-Studie: Sie vergleicht die CO2-Emissionen bei Betrieb und Produktion eines Tesla Model 3 mit denen eines Mercedes C 220d mit Dieselmotor und kommt zu dem Ergebnis, dass der Benz inklusive der Emissionen von Raffinerie und Transport auf einen Wert von 141 Gramm pro Kilometer kommt. Das Elektroauto hingegen stößt der Rechnung zufolge 156 bis 181 Gramm CO2 pro Kilometer aus; wobei neben den Emissionen bei der Herstellung des 75 Kilowattstunden großen Akkus auch der CO2-Ausstoß bei der Gewinnung des Fahrstroms berücksichtigt wurde. Jemand, der diese Information erhält und sich mit der E-Auto-Thematik nicht auskennt, der wird schwer davon zu überzeugen sein, aus Umweltrücksicht einen E-Pkw zu kaufen. Das Problem ist: Die Studie fällt schon fast unter die Kategorie "arglistige Täuschung". Denn was in den Artikeln darüber nicht erwähnt wurde: Die Autoren haben für die Berechnung den unrealistischen NEFZ-Normverbrauch herangezogen und beim Tesla eine um den Faktor 10 zu geringe Akku-Lebensdauer angesetzt (300 statt 3.000 Ladezyklen!). Außerdem wurde der Energieaufwand für die Batterie einfach auf das Auto aufgeschlagen und gleichzeitig die beim Elektroauto überflüssigen Komponenten - sprich Dieselmotor, Getriebe etc. - nicht abgezogen und ein um 16 Prozent erhöhter CO2-Ausstoß beim deutschen Strommix angesetzt. Würde man das alles angleichen, wäre die Rechnung deutlich für das E-Auto ausgegangen (so wie bei allen anderen seriösen Studien zu dem Thema!), denn allein das Heranziehen der WLTP-Werte würde die CO2-Emissionen des Tesla um ein Drittel verringern. Fakt ist: Beim E-Auto ist umwelttechnisch noch längst nicht alles eitle Wonne. Und die Berechnung von solchen Vergleichen ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Wer allerdings beim Verbrenner "best case"-Daten und beim E-Auto "worst case"-Annahmen zur Berechnung heranzieht, macht sich vom Start weg unseriös. Und da muss man dann getrost sagen, den Stumpfsinn darf man nicht glauben. Und muss ihn auch nicht veröffentlichen. 

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