1.005 PS für knapp 230.000 Euro sind zwar kein Schnäppchen, aber auch
kein schlechter Deal. Erst recht, wenn man die beiden Zahlen auf drei
Spaßgeräte vom Allerfeinsten aufteilt. FLOTTE&Wirtschaft hat sich
dieses Mal das "flott" zu Herzen genommen und BMW M2, Ford Focus RS
sowie KTM X-Bow GT auf der Rennstrecke auf den Zahn gefühlt.
Ja, Sie haben natürlich recht. Klassische Flottenfahrzeuge sind der
BMW M2, der Ford Focus RS und der KTM X-Bow GT nicht. Wohl aber
flotte Fahrzeuge und warum soll man nach getaner Arbeit nicht auch
einmal Spaß haben? Und Fahrspaß bietet unser blaues Trio eine ganze
Menge! So viel, dass wir Features wie den Drift-Assistenten im Focus
- den gibt"s wirklich - besser nicht auf dem Supermarktparkplatz oder
gar auf öffentlichen Straßen ausprobieren wollten. Als "Spielplatz"
diente das ÖAMTC Fahrtechnikzentrum Wachauring bei Melk, einen
fachkundigen Piloten haben wir uns auch geholt. Hannes Danzinger,
Rallye-Ass und auf vielen Rennstrecken dieser Welt zu Hause, hat sich
die drei Renngeräte zur Brust genommen.
Der X-Bow ist der klare Star
Unterschiedlicher könnten die Charaktere der Boliden gar nicht sein.
Der Ford Focus RS als praktischer Fünftürer mit Allradantrieb, der
BMW M2 als fesches Coupé mit traditionellem Hinterradantrieb und der
KTM X-Bow, kompromissloses Renngerät mit Monocoque, Mittelmotor und
ebenfalls angetriebenen Hinterrädern. ObBlau das neue Schnell ist
oder ob die Farbe an allen drei Autos Zufall war, sei dahingestellt,
eine interessante Mischung bot das Trio aber in jedem Fall. Dass
diese Woche eine besondere im Testfuhrpark von FLOTTE&Wirtschaft
darstellt, hat sich im Verlag schnell herumgesprochen, zum Zeitpunkt
der X-Bow-Anlieferung waren mehr Mitarbeiter auf dem Parkplatz als
bei der letzten Brandschutzübung ... Dass meine beiden Töchter in den
Ferien um 8.00 Uhr aufgestanden sind, um einmal mit dem X-Bow
mitzufahren, während BMW und Ford keines Blickes gewürdigt wurden,
spricht zunächst ebenfalls für den rot-weiß-roten Flitzer, der auch
im Straßenverkehr mit Handykameras und anerkennendenBlicken seine
Würdigung erfuhr. Kein Wunder, auch wenn KTM im ersten Halbjahr 2016
weltweit immerhin knapp 50 dieser Pfitschi-Pfeile (X-Bow bedeutet
übersetzt Armbrust) verkauft hat, die Chance, einen in freier
Wildbahn zu sehen, ist äußerst gering.
Kompromissloses Renngerät
Da das angestammte Revier des X-Bow die Rennstrecke ist, fühlte er
sich auf dem Wachauring auch besonders wohl. Unser Pilot Hannes
bestritt vor einiger Zeit eine Saison in der Drift-Challenge auf
einem X-Bow, entsprechend vertraut ist er mit dem Gerät: "Das ist ein
waschechtes Rennauto, giftig und kompromisslos. Es gibt kein ABS und
schon gar kein ESP, hier zählt der Popometer." Nach wenigen Kurven
ist klar, jener von Hannes ist gut geeicht. "Die Straßenversion des
X-Bow ist natürlich etwas konservativer ausgelegt als das bei den
Rennversionen der Fall ist. Ich würde die Bremskraft mehr nach hinten
legen, das würde Otto-Normalverbraucher im Straßenverkehr aber
vermutlich etwas überfordern."
Volle Konzentration hinterm Steuer
Und der hat, wie wir aus eigener Erfahrung wissen, schon genug zu
tun, am Steuer dieses kompromisslosen Boliden. Die volle
Konzentration sollte dem Fahren gelten, wobei die Ablenkungen mangels
Radio, Navi oder Freisprecheinrichtung ohnedies gering bleiben.
Dennoch, allein die direkte Lenkung ist gewöhnungsbedürftig, ein
falscher Zupfer am Lenkrad und die Fuhre biegt ab wie ein zu schnell
in die Kurve gefahrenes Slotcar. Und auch den Gasfuß sollte man
tunlichst zügeln, der von Audi beigesteuerte Zweiliter-Turbobenziner
mit 300 PS hat klarerweise leichtes Spiel mit dem nicht einmal 900
Kilogramm schweren Renn-Ösi, 100 km/h sind nach nur 4,1 Sekunden
erreicht. Die Semi-Slicks von Michelin bemühen sich zwar redlich, die
Kraft auf die Straße zu bringen, kämpfen aber mit dem Gesetz der
Physik.
Am Schluss hilft nur das Monocoque
Und so kommt es vor, dass die Hinterräder selbst im dritten Gang noch
nach Halt suchen und das Heck des X-Bow nach außen drängt. Und
spätestens dann gilt Alarmstufe Rot, denn während andere Hecktriebler
sich spielerisch mit dem Gaspedal lenken lassen, beißt der KTM ohne
Vorwarnung zu. Selbst Profi Danzinger muss vollste Konzentration
aufbringen, um quer über den Wachauring zu jagen. Wer im Rahmen
seiner fahrerischen Möglichkeiten bleibt und dem Auto den nötigen
Respekt entgegenbringt, der kann selbst innerhalb erlaubter
Geschwindigkeit eine Menge Spaß haben. Wer"s übertreibt, der sollte
immer daran denken, dass er hierohne Netz und doppelten Boden in
Form von Fahrhilfen unterwegs ist, auch wenn er bei einem Unfall
durch ein Carbon-Monocoque geschützt ist.
So teuer wie Ford und BMW zusammen
Das Monocoque ist nicht nur das Herzstück des X-Bow, sondern auch der
Grund, warum das Ding so teuer ist. 112.351 Euro möchte KTM für die
GT-Variante haben. Zur Relation: BMW und Ford kommen zusammen auf
rund 115.000 Euro ... Wir reden hier wohlgemerkt von den jeweiligen
Basispreisen, so lässt sich der Preis des X-Bow mit einer
Speziallackierung oder anderen Felgen und Reifen durchaus noch nach
oben treiben. In Sachen Komfort bleibt aber alles asketisch. Um sich
in die Sitzschale zu zwängen, wird zunächst einmal das Lenkrad
abgenommen, dann lässt sich nicht der Sitz, sondern die Pedalerie
adjustieren, selbst mit knapp zweiMetern findet man eine gute
Sitzposition. Die Größe wird dann eher mit der etwas knapp bemessenen
Höhe der Frontscheibe des GT-Modells zum Problem, wer keine Lust hat,
zerschellte Fliegen nach der Autobahnhatz von der Stirn zu kratzen,
sollte trotzdem ab einer gewissen Körpergröße zum Helm greifen. Und
cooler ausschauen tut man ja damit auch. Hab ich mir jedenfalls
eingeredet ...
Der Bayer ist allzeit bereit
Wir wechseln in den BMW. Wenn die BMW Motorsport GmbH das magische
"M" an einem BMW-Modell anbringt, dann ist klar, dass sich unter dem
Blechkleid ernsthafte Renntechnik verbirgt. Im Falle des M2 heißt das
sechs Zylinder, Turboaufladung, 370 PS und ein Drehmoment von satten
465 Newtonmetern, das über ein unglaubliches Band von 1.400 bis 5.560
U/min anliegt. Und genau so fährt sich der Bayer auch. Turboloch gibt
es nicht einmal im Ansatz, die Muskeln des Zweitürers sind permanent
angespannt,jederzeit bereit für einen mächtigen Sprint. "Ein echter
Sportwagen, gar keine Frage", attestiert Hannes. "Die Power ist
eindrucksvoll, dazu kommt die aufgrund der kompakten Abmessungen
tolle Agilität. Der M2 ist so etwas wie der Nachfolger des Ur-M3,
knackig und kompakt und gut zu kontrollieren."
Burnout-Automatik im M2
Apropos kontrollieren, BMW vertraut auf gute Selbsteinschätzung, per
Fahrerlebnisschalter lässt sich die Charakteristik von "Comfort" auf
"Sport" oder "Sport+" hochschrauben. Das ESP bleibt in allen Stufen
aktiv, erlaubt aber größere Driftwinkel. In Sport+ wird zudem die
Traktionskontrolle deaktiviert. Schaltet man das ESP komplett ab,
erlaubt der M2große Driftwinkel, die von der Stellung des Gaspedals
mitbestimmt werden. Während der X-Bow akustisch zwar durchaus präsent
ist, böllert der Bayer schärfer und prägnanter, was auch ein
Verdienst des Doppelkupplungsgetriebes ist, dem man eine
uneingeschränkte Empfehlung aussprechen kann. Die Gangwechsel
erfolgen entweder vollautomatisch oder per Schaltwippe am Lenkrad, in
jedem Fall aber immer untermalt von brünftigem Geröhre. Wer den
dezenten Auftritt schätzt, wird mit keinem der drei Autos glücklich
werden, der BMW legt aber noch ein Schäuferl nach, hat er doch nicht
nur eine Launch-Control, die für maximale Beschleunigung aus dem
Stand sorgt, sondern auch eine Burnout-Automatik. Kein Scherz. Diese
hört auf den Namen "Smokey Burnout" und ermöglicht auch weniger
begabten Fahrern, die Reifen in Rauch aufgehen zu lassen und zwei
schwarze Striche auf die Straße zu zaubern ... Das Cockpit ist
BMW-typisch ergonomisch perfekt, gleiches gilt für die mehrfach
verstellbaren Sportsitze. Dass man wie bei BMW üblich, viele tausend
Euro in Sonderausstattungen versenken kann, überrascht ebenso wenig
wie der Grundpreis von 68.620 Euro und 12 Cent. Viel Geld für viel
Fahrspaß.Aber auch das ist in der automobilen Welt nichts Neues.
Focus RS als Sonderangebot
Wobei man die Aussage etwas relativieren muss, wenn man sich mit dem
Ford Focus RS, dem Dritten in unserem Rennsportbunde, beschäftigt.
46.950 Euro sind fast ein Schnäppchenpreis für das Gebotene. Satte
350 PS und Allradantrieb gibt es normalerweise nicht für unter 50.000
Euro. Der ausschließlich mit Schaltgetriebe angebotene Focus RS steht
dem BMW akustisch um nichts nach, das drehzahlabhängige Knallen der
Sportauspuffanlage ist immer wieder ein echter Genuss. Die
Recaro-Sitze bieten hervorragenden Seitenhalt, sind aber selbst für
kleinere Personen zu hoch montiert, Höhenverstellung gibt es leider
keine. Dafür hat der Ford einen eigenen, einzigartigen Drift-Modus.
Bis zu 70 Prozent der Antriebskraft werden dabei auf die Hinterachse
geleitet, hier wiederum wird die Kraft stufenlos auf die beiden Räder
übertragen. Unter Zuhilfenahme der Querbeschleunigung und des
Lenkwinkels assistiert das System dem Fahrer, wer"s übertreibt, der
wird mittels ESP-Eingriff wieder auf den Pfad der Tugend gebracht.
Das Fahrwerk zeigt sich im Race-Mode unbarmherzig hart, ist aber auch
in der Standard-Einstellung nicht sonderlich gnädig mit den
Passagieren.
Vom sofortigen Fahrspaß bis zur ernsthaften Rennaction
"Ein starkes Package", meint jedenfalls Danzinger, "wenngleich zum
Beispiel die Lenkung auf der Rennstrecke nicht ganz so exakt ist wie
jene der anderen beiden Autos." Und auch wenn der RS mit X-Bow und
BMW - was die motorsportlichen Gene betrifft -nicht ganz mithalten
kann, so ist er ohne Frage der mit Abstand beste Allrounder des
Trios. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger verfügt er über vier Türen,
umlegbare Rücksitze, eine praktische Heckklappe und hat Platz für
fünf Personen. Dank Allradantrieb sind Traktionsprobleme ein
Fremdwort für den Überdrüber-Focus, ganz im Gegenteil zu X-Bow und
M2. "Mit dem Ford kann man einsteigen und Spaß haben, er istdeutlich
leichter zu beherrschen als BMW und KTM. Wenn es allerdings ans Limit
auf der Rennstrecke geht, dann liegt der X-Bow klar vor dem BMW und
dem RS bleibt nur Rang drei", resümiert Danzinger. Abschließend noch
ein Blick auf die Verbrauchswerte der drei Testprobanden. Auf der
Rennstrecke istdie Skala klarerweise nach oben ziemlich offen. Wer
im normalen Straßenverkehr unterwegs ist und die Leistung nicht
permanent abruft, der kommt bei allen drei Autos mit rund elf Litern
über die Runden.