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Helden auf Rädern: TVR Sagaris

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TVR

Zum großen Finale und nach der x-ten Übernahme wollte TVR endlich ein grundsolides, gutes, ehrliches, tolles Auto bauen. Sie hätten es auch fast geschafft, aber die angeborene Radikalität kann man halt nicht mit einer Axt weichhacken.

 

Von all den Buden, die man unter dem Begriff der „Cottage car industry“ zusammenfasst, war TVR der Schlägertyp, der gerade noch am Herzinfarkt vorbeischrammte. Immer brutal unterwegs, nie richtig Kohle in der Tasche, aber voll motiviert für die nächste Attacke. So ungefähr kann man sich die Modelle der Marke aus Blackpool vorstellen, bei denen man teilweise das Gefühl hatte, dass sie einen am liebsten umbringen wollen, wenn man nicht wirklich eine fabulöse Fahrzeugbeherrschung hatte. Das war schon cool irgendwie. Aber auf Dauer erschien das als nicht optimalstes Geschäftsmodell, sodass man irgendwann damit anfing, eigene Motoren zu entwickeln und zu bauen. Das kann man zwar als heldenhafte Tat einstufen. Die anfangs geringe Zuverlässigkeit und die immensen finanziellen Belastungen führten aber bald zu mehrmaligen Firmenübernahmen, sodass man Mitte der 2000er-Jahre schließlich vor der Wahl stand: Alles oder nichts.

Der Sagaris galt also nicht grundlos als der wohl beste TVR aller Zeiten. Der Innenraum war besser und feiner verarbeitet denn je, die Fahrbarkeit seriöser und sicherer denn je, der allgemeine Qualitätsanspruch fast schon auf dem Niveau der Konkurrenz vom Festland, der man natürlich mehr Kunden abschwatzen wollte denn je. Das lag sicher auch am frischen Geld des wieder Mal neuen Eigentümers. All das konnte aber nichts daran ändern, dass die DNA halt doch nicht auszuschalten ist. Schlägertyp bleibt eben Schlägertyp. Und das bedeutete ebenso im Falle des Sagaris, dass man in erster Linie ein Rennauto bauen wollte, das doch auch auf der Straße funktioniert. Die zerklüftete Front hat also durchaus einen logischen Hintergrund. Die ganzen Öffnungen dienten der Abfuhr der heißen Luft der Kühler zum Beispiel. Nachdem man aber schnell draufkam, dass man durch diesen permanenten Luftstrom die Windschutzscheibe permanent verschmutzte und regelrecht mit Kieselsteinen zerschoss, verschloss man sie einfach wieder, was der brutalen Optik aber nur noch eins draufsetzt. Generell: Sagaris als Name passt zum Design wie der Faustkeil aufs Auge, steht der Begriff für nichts anderes als eine leichte Kampfaxt der nomadischen Skythen aus dem achten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, die dafür gefürchtet war, feindliche Armeen regelrecht zu zerhacken. Der Rest unterliegt der eigenen Fantasie.

Und auch sonst wirkte es ein wenig, als ob man dem tapferen Chefentwickler bewusst nicht in die Karten spielen wollte, damit vom alten Spirit möglichst viel übrig blieb. So schaffte es der tapfere Ingenieur sogar, dass es nicht mehr reinregnete, weil die Türen richtig zugingen. Oder dass der Teppich dort blieb, wo man ihn auch hinklebte. Oder dass die Motorhaube vernünftig ins Schloss fiel. Gegen all diesen Zinober musste man ja gezielt gegensteuern. Zum Beispiel mit einer typischen TVR-Eigenschaft, dem Verzicht auf jegliche Regelsysteme. Dass man entgegen einer Vereinbarung aller Hersteller aus Europa darauf verzichtet, ABS zu verbauen, kommentierte der damalige Firmenchef lapidar mit der Bemerkung, dass man dieses Memo scheinbar nicht bekommen hat. Und dass es weder Airbags noch Antischlupfsystem gab, diene sogar der Sicherheit der Insassen. Weil nämlich: Diese Dinge würden Fahrer nur in falscher Sicherheit wiegen und sie weniger aufmerksam sein lassen. Daher ist es besser, auf all diese das zu verzichten.

Viel wichtiger ist es, einen vernünftigen Motor zu verbauen. Der Speed Six getaufte Reihensechszylinder aus eigenem Anbau mit vier, später 4,5 Litern Hubraum ließ an Leistung und Dramatik nichts vermissen, das die quer und sichtbar angeschlagenen Endtöpfe an Optik genauso versprachen wie die durchsichtige Spoilerlippe am unteren Ende der Heckscheibe: Hier hat man es nach wie vor mit einem lupenreinen TVR zu tun. Vielleicht hat er ein paar Tischmanieren gelernt. Aber nur, weil es sein musste. Das Ergebnis war so oder so eine durchaus ausgewogene Fahrmaschine, der man die meisten Spinnereien abtrainieren konnte. Und zumindest dem Geschmack der Kundschaft im Königreich konnte man damit ziemlich dienen, was die Axt aber auch nicht mehr herumreißen konnte. 2006, nur ein Jahr nach Produktionsstart, war der Ofen endgültig aus und TVR musste Konkurs beantragen. Was aber noch nicht das Ende war. Natürlich fanden sich neue Eigentümer, die große Pläne verkündeten und 2008 sogar einen Prototypen des Sagaris 2 präsentierten, der es aber nie auf die Straße schaffen sollte. Auch nicht wirklich zehn Jahre später, als eine andere Firma die Konkursmasse erwarb und den Sagaris als Bausatz anbieten wollte.

War das dann das finale Ende? Jein. Nach Jahren mysteriöser Gerüchte über Neuübernahmen, millionenschweren Investitionen und dem endgültigen Verkauf der Liegenschaften durch die walisische Regierung (die auch an der Misere beteiligt war), fand sich trotz des riesigen Bergs an angehäuften Schulden wieder ein Investor, der TVR neu aufleben lassen möchte. Aber nicht mehr mit dem Speed Six, sondern rein elektrisch. Und ganz sicher nicht mehr den Sagaris.

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