Mobilitätsdienstleister wie Uber, Lyft und andere sehen sich als
Zukunft der Mobilität. Die Autoindustrie überschüttet die Branche mit
Geld. Aber jetzt kommen Zweifel am Geschäftsmodell auf und damit auch
die Troubles.
Es gibt nur wenige Firmen, deren Name zu einem Gattungsbegriff wird.
Hoover stand in den englischsprachigen Ländern für jeden Staubsauger.
Soletti in Österreich für Salzstangen. Und bei Menschen, die sich
nicht mit Automarken auskennen, ist jeder Geländewagen ein Jeep. Uber
hat selbiges innerhalb weniger Jahre geschafft, zumindest in den USA.
Zu lang aus gewesen, zu viele Cocktails? "Let"s uber home!", sagt
dann der Amerikaner, wenn er meint, "to hail a ride" per App.
Ride-hailing, auch so ein Begriff, dem man plötzlich auch außerhalb
der englischsprachigen Länder laufend begegnet. "To hail" heißt
eigentlich "jemanden grüßen" und wurde im Laufe der Jahre zum
"Herbeiwacheln". Auf den britischen Inseln hält man so seit
Jahrzehnten Busse an, nicht nur Taxis.
Negative Schlagzeilen bei Uber
Heute wachelt niemand mehr, man tippt auf dem Handy herum, let"s get
an Uber. Ein paar Minuten später ist der Wagen da. Und zuvor hat
einen niemand am Telefon angegrantelt, den Straßennamen nicht
verstanden, einen in der Schleife warten lassen. Nichts. Tippen am
Handy, möglichst kein Kontakt mit Menschen. Moderne Magie! Und dann
ist es oft auch billiger als ein Taxi. Doch die Wirklichkeit schlägt
zurück: Der Pionier der neuen Mobilitätsdienstleistungen scheint aus
den schlechten Schlagzeilen nicht rauszukommen. Vorwürfe von
sexueller Belästigung im Uber-Hauptquartier. Ein Vice President
musste zurücktreten, weil man ihn gesehen hatte, wie er mit einer
Mitarbeiterin während einerFirmenfeier herumgeknutscht hat. Dann:
Berichte über Manipulationssoftware, um die Polizei auszuspionieren
und zwar in jenen Städten, in denen Uber systematisch gegen Regeln
verstieß. Weiters beschweren sich immer mehr Fahrer über miese
Arbeitsbedingungen. Vom Uber-CEO gibt es sogar ein Video im Internet,
wie er einen Uber-Fahrer zur Schnecke macht, der sich wegen neuer
Arbeitsbedingungen beschwert hat.
Google-Tochter Waymo klagt
Dann gibt es eine 20-Millionen-Dollar-Klage von Waymo gegen Uber.
Waymo ist die Google-eigene Firma, die selbstfahrende Autos
entwickeln soll. Die Sachverhaltsdarstellung lautet auf
Industriespionage. Uber weist die Vorwürfe kategorisch zurück.
Weiters diese #deleteUber-Kampagne: Als der republikanische
US-Präsident Donald Trump den ersten Versuch startete (und damit
juristisch scheiterte), Bürger aus sieben muslimischen Staaten an der
Einreise in die USA zu hindern, brach Chaos auf vielen amerikanischen
Flughäfen aus. So auch auf dem John F. Kennedy Airport im
mehrheitlich demokratischen New York. Denn die
Taxifahrer-Gewerkschaft hatte aus Protest gegen die Trump-Maßnahme
dazu aufgerufen, den Flughafen für eine Stunde nicht mehr anzufahren.
Uber brach den Streik nicht nur, sie setzten auch ihr viel
kritisiertes Surge- Pricing-Modell aus, das die Preise nach oben
treibt, wenn ein Standort sehr gefragt ist. Darauf explodierte in den
sozialen Medien der #deleteUber-Trend, also der Aufruf, die Uber-App
und den Uber-Account zu löschen.
Der schärfste Uber-Konkurrent in den USA nutzte diese goldene
Gelegenheit sofort aus, um sich als der "gute" Ride-hailing- Dienst
zu positionieren. Lyft, eine Firma, in die unter anderen General
Motors eine halbe Milliarde Dollar investiert hat, spendete eine
Million an bekannte Trump-kritische Organisationen. Mit dem Ergebnis,
dass Lyft daraufhin in die Top 4 der meist geladenen Applications für
Smartphones in den USA aufstieg.
Folgt die nächste dot.COM-Blase?
Und schließlich die vielen Unfälle der angeblich selbstfahrenden
Autos. Marke Volvo. Ein PR-Desaster auch für die Schweden in
chinesischem Besitz. Ende März gab Uber nach einem Frontalcrash in
Arizona bekannt, die selbstfahrenden Autos würden aus dem Verkehr
gezogen. Vorübergehend, so die Firma. Uber ist trotzdem ein Symbol,
nicht nur für Ride-hailing. Auch für die dot. Com-Blase des zweiten
Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts. Die erste Blase war rund um 2000
implodiert. Damals wurden Firmen an den Börsen in schwindelnde Höhen
hochgejazzt, von denen niemand wusste, was sie eigentlich tun, außer,dass es irgend etwas mit Internet zu tun hat. Was gleich ist im
Vergleich zu früher: Die Öffentlichkeit giert nach einer Story.
Funktioniert das Business-Modell?
Eine Story ist: Heute haben die neuen Dienstleister wie Uber ein
"disruptives" Business- Modell. Aber ob es funktioniert, ist eine
andere Frage. Die sich immer mehr Experten stellen. Uber ist zwar in
aller Munde, sogar Teil von Songtexten in den USA, aber schreibt nach
wie vor riesige Verluste. Wie hoch genau, weiß man nicht, weil
Uber-Anteile nur von Privatinvestoren gehalten werden (einer davon
ist immerhin Toyota). Aber laut Schätzungen der Finanzwelt haben sie
2016 rund drei Milliarden Dollar verblasen, nach 2,2 Milliarden ein
Jahr zuvor. Und das bei nach wie vor rasant steigenden Umsätzen.
Angeblichgibt Uber aber pro einem Dollar, das es umsetzt, 1,6 Dollar
wieder aus.
Alle Autohersteller möchten Uber sein
Nun sieht es danach aus, dass die Firmenleitung den immensen
Kostendruck unter anderem an die Angestellten weiter gibt. Denn
Preiserhöhungen sind angesichts der Konkurrenz nicht mehr drinnen.
Und die Industrie investiert weiter en gros: Volkswagen stieg bei
Gett ein, der israelischen Uber-Konkurrenz. Und kreiert darüber
hinaus mit Moia eine eigene Marke für selbstfahrende Autos und
entsprechende Dienstleistungen. GM überschüttete Lyft mit Geld. Der
mit Opel zweitgrößte europäische Autohersteller PSA hat als Marke
Free2Move kreiert. Nur um ein paar Beispiele zu nennen. In China ist
indessen mit Didi Chuxing ein Ride-hailing- Riese herangewachsen,
größer als Uber mittlerweile (dessen Geschäft in China wurde im
Vorjahr übernommen) und "ubervollgepumpt" mit Investorengeldern.
Angesichts dessen tönt es aus allen Autofabriken, man wolle kein
reiner Autofabrikant mehr sein, sondern ein Mobilitätsdienstleister.
Alle sind wir Uber.
In der Zwickmühle
Trotzdem dämmert es vielen Investoren mittlerweile: Wir finanzieren
die billigen Fahrten der begeisterten Kunden. Man fragt sich
zunehmend, ob Ride-hailing in der Art überhaupt gewinnbringend
betrieben werden kann. Die Zweifel am Geschäftsmodell der angeblich
so revolutionären Mobilitätsdienstleister wieUber und Lyft sind ja
berechtigt. Denn neben den technologischen Vorteilen, dem Bestellen
eines Transports via App, war es doch vor allem der niedrigere Preis
im Vergleich zu etablierten Taxi-Unternehmen, der die Leute in Massen
zum Umsteigen bewegte. Das heißt: Uber selbst hat den Markt plötzlich
extrem preissensitiv gemacht, indem es suggeriert hat: Ihr müsst
nicht geregelte Tarife bezahlen, wir nehmen Euch auch billiger mit.
Das heißt, würde Uber plötzlich die Preise, sagen wir, verdoppeln,
würde es sich selbst die Geschäftsgrundlage entziehen und
Glaubwürdigkeit einbüßen. Die Verluste würden sinken, aber die
Wachstumsraten wären weg.
Wirtschaftskreislauf
"There is uberhaupt no such thing as a free ride", könnte man ein
bekanntes Zitat abwandeln. Irgendjemand trägt immer die Kosten, die
eine Taxifahrt tatsächlich verursacht. Wenn es nicht der Fahrgast
ist, dann ist es der Investor. Immerhin werden Jobs geschaffen. Und
die dafür dankbaren Lenker geben es billiger -und können weniger
ausgeben beimWirt ihres Vertrauens. Dann leidet der wieder.
Verdammte Kreislaufwirtschaft. Kein Wunder, dass Uber am fahrerlosen
Taxi arbeitet. Nur, die Entwicklung verschlingt ebenfalls Milliarden.