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Inside the Box

Sicherheit hat immer etwas mit Vernunft zu tun, heißt es. Eine These, die der Bricklin SV-1 wohl bewusst durchbrechen wollte. Das allein sollte ihm aber nicht zum Verhängnis werden.

Viele Personen gründen in ihrem Leben eine Autofirma, mit der sie alles verändern wollen, im Endeffekt aber dann nur den Bach runtergehen. Der Klassiker und das typische Schicksal eines Kleinserienherstellers. Ja und dann gibt es da noch Malcolm Bricklin. Der Unternehmer aus Pennsylvania ist an sich schon eine Story Wert, da er nicht nur Subaru of America gründete und in den 1980ern den Zastava Yugo in die USA importierte. Er gilt als wahres automobiles Stehaufmännchen, der auch mit Fiats sein Glück versuchte und als letzten Schachzug Luxusautohändler davon überzeugen wollte, Kunsthändler werden zu wollen. Erst 2020 meldete er die Firma Visionary Vehicles an, die dreirädriges Elektrovehikel bauen möchte. Aber bleiben wir bei dieser Geschichte lieber bei General Vehicles – Bricklins Bude von 1974, die er dazu gründete, ein eigenes Auto auf den Markt zu bringen.

Ein Auto, das vor allem eine Antwort auf die wichtiger werdenden Crash-Normen sein sollte. Der Name war mit SV-1 (Safety Vehicle 1) damit mehr als logisch. Die Coupé-hafte Form mit Flügeltüren da schon eher weniger. Und die Bauform erst recht nicht. Es reichte nämlich nicht, die für Kleinhersteller damals übliche Lösung eines Stahlrahmens mit einer GFK-Hülle anzuwenden. Stattdessen konstruierte er eine Fahrgastzelle aus Stahl, die für hohe Crash-Sicherheit sorgen sollte, da ein Überrollkäfig gleich mit integriert wurde. Darauf kam dann eine GFK-Karosse, die zudem noch mit Acrylformen bestückt wurde – gleich in der Wagenfarbe imprägniert. Das war nicht nur neu (und damit cool), man ersparte sich auch den gesamten Lackiervorgang. Bricklin dachte den Sicherheitsgedanken wirklich konsequent zu Ende, weswegen es einen Aschenbecher und Zigarettenanzünder nicht einmal gegen Aufpreis gab, da der Erbauer Rauchen im Auto als zu unsicher erachtete.

Bewusstes Weglassen war jedenfalls doppelt schlau, denn viel Budget für aktive Sicherheit war so oder so nicht vorhanden. Also schnappte man sich Achsen und Bremsen vom AMC Hornet, die als nicht besonders gut galten, aber preiswert und vor allem verfügbar waren – AMC musste damals schon jede Geldquelle aufgreifen, die sich anbot. Motorisch blieb man mit Achtzylindern äußerst konservativ, wobei die durch Abgasreinigungsauflagen kastrierten Motoren von Anfangs AMC – später Ford – zwar 5,2 beziehungsweise 5,9 Liter Hubraum hatten. Die Leistung fiel mit 129 PS aber mehr als bescheiden aus, die der flotten Optik alles andere als gerecht wurde. Und zudem Zeit Lebens mit Überhitzung zu kämpfen hatten, denn die Formgebung hatte wenig Sinn für Kühlluftöffnungen. Und überhaupt: Beim Design dürfte es bei Malcolm Bricklin irgendwie generell durchgegangen sein.

Das knapp 4,5 Meter lange Coupé verfügt nämlich nicht nur über Klappscheinwerfer, sondern vor allem über Flügeltüren. Ein starker Kontrast zu den wuchtigen Stoßfängern, die die ganze Optik irgendwie verzerrten, dafür aber selbst einen Aufprall mit 19 km/h locker wegsteckten. Das eigentliche Problem des SV-1 war aber die Tatsache, dass man die hohe Sicherheit mit nach oben schwingenden Türen leider doch nicht so wirklich gut kombinieren konnte. Damit der Seitenaufprallschutz – nichts weiter als ein massives Metallteil – auch hoch genug platziert war, musste dieser wie auch die Fenster, Fensterhebermotoren usw. in den Türen untergebracht werden. Jeweils brachten diese Schwingen somit an die 50 Kilogramm auf die Waage, was die je zwei elektrohydraulischen Dämpfer erst einmal stemmen mussten, wenn jemand den Bricklin entern wollte – was auch nicht immer funktionierte.

Weil normale Türgriffe bei aufschwingenden Lösungen nicht funktionieren, verfügte der SV-1 nur über Taster in den Seitenwänden, die über ein Stellglied die Türen entriegelten. War aber die Autobatterie leer, funktionierten diese nicht – und der Einstieg blieb jedem verwehrt. Immerhin ist man an der frischen Luft, werden jetzt ehemalige SV-1-Fahrer entgegnen. All jene nämlich, die mit kollabierenden Hydraulikdämpfern zu kämpfen hatten und sodann das Türgewicht alleine haben stemmen müssen, wenn sie ihr Fahrzeug verlassen wollten – was buchstäblich eine schwere bis unmögliche Aufgabe war. Ganz zu schweigen, wenn die Tür im offenen Zustand auf einmal nach unten krachte, wo sich gerade jemand befand – aber egal, bis diese Ereignisse eintrafen, gab es General Vehicles nämlich schon lange nicht mehr.

Das lag aber nur bedingt an den konstruktiven Mängeln des SV-1. Eher an den explodierenden Kosten. Die angekündigten 3.000 Dollar konnten nicht gehalten werden. Da die Produktion so komplex war, ging der SV-1 mit einem Preis von 9.780 Dollar an den Start – 3.000 Dollar mehr als eine damalige Corvette kostete, die dazu noch wesentlich besser verarbeitet war.

Vor allem aber scheiterte das Projekt an der zu schlauen Denkweise seines Erfinders. Als Produktionsstandort wählte Bricklin nämlich die kanadische Provinz New Brunswick aus. Die Arbeitslosenrate betrug dort in den 1970ern an die 25 Prozent, für jeden Lokalpolitiker war eine Autofirma somit ein gefundenes Fressen. Es lief auch tatsächlich alles gut am Anfang. Von Mitte 1974 bis Ende 1975 arbeiteten gut 1.200 Leute bei Bricklin, wenn auch mehr schlecht als recht, da die hiesigen Arbeiter keine Ahnung von Autos hatten und lieber jagen gingen. Die Auftragslage war gut, 40.000 Bestellungen lagen vor – und eigentlich hätte sich jeder freuen können, nur war das ganze Unterfangen leider nie rentabel.

Ob sich das mit der Zeit und steigenden Stückzahlen geändert hätte? So genau weiß das niemand mehr. Als das die örtliche Regierung jedenfalls Wind von den wahren Zahlen bekam, strich man ruckzuck sämtliche finanziellen Zuschüsse – und schickte General Vehicle damit in den Konkurs – nach nur 2.854 gebauten SV-1. Und Malcolm Bricklin? Der eröffnete nur wenige Jahre später seine nächste Firma.

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