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Viele sehen im Pontiac Aztek das schirchste Auto der Welt und den Inbegriff des amerikanischen Versagers. Doch hinter der Optik steckten durchaus bahnbrechende Ideen.

Man kann von der amerikanischen Autoindustrie und deren Geschichte vieles lernen. Zum Beispiel, wie man dank Massenproduktion viel Geld verdienen kann. Wie man dank Massenproduktion tolle Ideen leistbar machen kann. Wie man dank Massenproduktion tolle Ideen dann meist miserabel umsestzt. Oder wie man dank Massenproduktion mehr Wert aufs Marketing legen muss. Aber auch: Wie man dank Massenproduktion oftmals Fehler einfach nicht rechtzeitig erkennt. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele. Der Chevrolet Corvair zum Beispiel war bei Weitem nicht so schlimm, wie ihn die Allgemeinheit kaputtredete, doch wurde er mit „nur“ 1,8 Millionen Exemplaren für GM dennoch zum Flop. Oder aber der Pontiac Aztek. Ein Auto für Millenials – die seinerzeit aber gerade einmal Krabbeln konnten.

Zu Beginn dieses Jahrtausends rollte wieder einmal eine Welle der Veränderung durch die Autobranche. Diesel setzte sich immer mehr durch. Klassische Karosserieformen verloren an Strahlkraft. Und auch die Rolle des Autos fing an, über die ursprüngliche Rolle als Verkehrsmittel hinauszuwachsen. Wenn es darum geht, Einfallsreichtum zu beweisen, galten die Ingenieure der US-Firmen schon immer als ziemlich inspiriert. Und bei Pontiac nahm man es sich in den 1990ern quasi als Lebensaufgabe, das Thema Familientransporter sexy zu machen. Man denke nur an den Trans Sport – ein Minivan, der eher wie Captain Futures Firmenraumschiff aussah als ein nüchternes Transportmittel. Ja und für das neue Jahrtausend hatte man etwas ganz anderes im Sinn.

Die neue Nüchternheit durfte sich ruhig in einem Design äußern, das pragmatischer an das Thema heran ging. Dafür viel mehr Nutzwert bieten sollte. So gab es beim Aztek zum Beispiel die Möglichkeit, ein Zelt an den Kofferraum anzubauen, um so in der Wildnis ruckzuck eine komfortable Unterkunft zu haben. Damit man auch an diese entlegenen Orte gelangen konnte, beauftragte man sogar extra Magna in Graz, einen Allradantrieb zu entwickeln. Es gab also nichts, was man mit dem Aztek nicht machen konnte. Kein SUV zwar, aber dafür ein wahres MPV – vier Räder und zahlreiche Möglichkeiten. Doch dann fingen die Buchhalter des GM-Konzerns an, einmal zu rechnen.

Los ging es mit der Plattform. Die ursprünglich für den Aztek ausgewählte Basis des Astro Van ließ man auslaufen. Zu ineffizient und zu hoch die Verbräuche, hieß es. Somit gab es auch keine Möglichkeit mehr, den coolen Entwurf von Designer Tom Peters auch nur annähernd in die Tat umsetzen zu können. Die feine Klinge, auf dem sich nüchterne Designs bewegen, kippte somit auf die Seite des plumpen Biederlings, der überhaupt keine Ausstrahlung hatte und nichts von dem Kultauto besaß, das der damalige Pontiac-Chef seinen Händlern versprach.

Um dennoch die Werbetrommel zu rühren, stellte man das drahtige Konzeptfahrzeug – das verdächtig nach dem viel später erst auf die Welt gekommenen BMW X6 aussieht – aber noch ein Jahr vor Markteinführung fröhlich auf diversen Messen aus, was nur dazu führte, dass die Enttäuschung aller bei der Lancierung des Aztek umso größer war. Das soll der coole neue Pontiac sein? Thanks, but, no thanks.

Es kam also wie es kommen musste. Die Erwartungen des in Mexiko produzierten Fünftürers blieben bereits im ersten Jahr 2001 weit hinter den Erwartungen. Auch das bereits 2002 hastig durchgeführte Facelift nutzte nichts. Die Nachfrage wollte einfach nicht nach oben klettern. 2005 verkaufte man mit knapp über 10.000 Exemplaren nur mehr die Hälfte des Durchschnittswerts der letzten Jahre, was alles in allem für einen Massenhersteller wie General Motors eine massive Niederlage ist. Und somit bemerkte auch kaum jemand, dass nach nur vier Jahren der Aztek aus den Preislisten verschwand.

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