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Wenn keiner Unrecht hat

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Die angedrohte nächste Abgasnorm bringt manch Hersteller in größere Bedrängnis. Und sie könnte das Ende des Verbrennungsmotors sogar massiv beschleunigen.

VW hat in einem offiziellen Papier zur nahenden Euro 7-Abgasnorm Stellung bezogen und ausführlich erklärt, warum man damit in dieser Form einfach nicht einverstanden sein kann. Man ging sogar überraschend stark ins Detail, was ich Ihnen jetzt ersparen möchte, zusammenfassend kann man die Kritik aber ohnehin auf ein paar elementare Punkte komprimieren. Da wären zum einen der zackig geschnürte zeitliche Rahmen. Und dann natürlich die Kosten. Jetzt sind die EU-Normen keine neue Erfindung. Es stellt sich zu Recht also die Frage, wie es eigentlich so weit kommen konnte? Weil Nummer 7 tatsächlich vieles anders machen möchte als ihre Vorfahren. Und zwar grundlegend.

Blieben die CO2-Grenzwerte zwar weitgehend unberührt, setzte man anderen Emissionen umso mehr die Daumenschrauben an, zumal zwischen den einzelnen Fahrzeugklassen nicht mehr unterschieden wird. Ein Kleinwagen muss also die gleichen Auflagen erfüllen wie ein großes Nutzfahrzeug, was schon die ersten Stirnfalten auslösen könnte – wie möge das in der Praxis funktionieren? Wirklich lange Zähne dürfte man aber bei einem anderen Punkt bekommen haben: Die Grenzwerte sind in jeder Fahrsituation einzuhalten. Immer. Überall, also theoretisch auch bei Minus 10 Grad bei Vollgas bergauf vollbeladenem Anhänger.

Wer moderne Fahrzeugtechnik ein wenig besser kennt, weiß über den großen Aufwand der Abgasnachbehandlung natürlich Bescheid. Und ebenso, dass der größte Beeinflusser für Verbrauch und Emissionsverhalten indes ein uralter Bekannter ist: der Gasfuß, und hier wird es dann ungemütlich. Sinngemäß geht aus diesem Papier hervor, dass ohne fahrbeeinflussende Maßnahmen die Euro 7 nicht einzuhalten wäre. Volllast gäbe es vielleicht nur bei optimalen Klimabedingungen, Anhängerbetrieb wäre im Kaltlauf nicht machbar und so weiter. Wer will, kann gerne das Wort Kastration gebrauchen, denn viel Hubraum würde schnell eine noch stärkere Limitierung des Potenzials hervorrufen. Andererseits hätten diese Pläne aber vor allem bei preiswerteren Modellen massive Einflüsse auf die Kosten.

Das Schaltgetriebe wäre schlagartig auf dem Abstellgleis. Ein Doppelkupplungsgetriebe gilt als Grundvoraussetzung, und gemeinsam mit Konstruktionen, die erst noch entwickelt werden müssten, wären die Mehrkosten im Nu im vierstelligen Bereich. Also weit von den paar Hundertern entfernt, von der der EU Rat gesprochen hat, was zum einen das schnelle Ende vieler Modelle zur Folge hätte. Kleinwagen sind ohnehin schon auf der Liste bedrohter Arten und nach den derzeitigen Plänen fast unmöglich. Kompakte und sogar Mittelklasse stehen ebenso auf den Prüfständen der Konzernvorstände, denn auch wenn hier der Mehraufwand finanziell irgendwie zu beziffern wäre – wie soll das innerhalb eines Jahres bis zur geplanten Einführung der nächsten Abgasklasse umgesetzt werden?

Normalerweise dauert eine Fahrzeugentwicklung all in mehr als vier Jahre – vom Lastenheft bis zur Umsetzung der Fertigung. Und auch wenn man nur ein Viertel davon Zeit hat, traut sich dennoch niemand anzufangen. Denn ohne endgültig fixierte Daten des EU-Entwurfs ist es sogar verständlich, dass sich niemand zu Milliardeninvestitionen durchringen kann. Die Einwände seitens der Industrie sind also durchaus nachvollziehbar: Es geht nicht so schnell. Und es geht nicht so billig. Und ein wenig Planungssicherheit wäre nett.

Natürlich bleibt offen, was denn nun das richtige Vorgehen wäre. Die Werke haben aus ihrer Sicht natürlich Recht. Auch wenn technisch alles machbar zu sein scheint und die Buchhalter nicht völlig in Tränen ausbrechen, könnte man die Vorgaben irgendwie schaffen, zumindest wenn man über Pkw spricht. Aber nicht innerhalb eines Jahres. Auf der anderen Seite ist das Vorgehen der EU nachvollziehbar. Wie sehr kann man der Industrie noch Glauben schenken, nach all den Schummeleien mit Abschaltautomatiken und Thermofenstern? Da geht sicher viel mehr als die Lobby-Vereine angeben und der Stand der Technik angeblich vorgibt.

Die ganze Polemik beiseite gelassen, bedeutet der derzeitige Zwischenstand jedenfalls, dass ein Großteil der derzeit am Markt befindlichen Modelle zumindest vorübergehend aus den Preislisten verschwinden würde. Die Euro 7 wäre also ein Brandbeschleuniger des Verbrennerverbots, was den Gedanken aufkeimt, ob man nicht schon viel früher als 2035 mit dieser Technologie aufhören sollte – einfach weil einem nichts anderes übrig bleibt. Zumal die riesigen Budgets, die die neue Abgasklassifizierung erfordert, vielleicht im Hochfahren der bevorzugten alternativen Antriebstechnik besser investiert wären. Im heißen Wettbewerbsumfeld mit China und den USA wäre das vielleicht keine schlechte Taktik, wobei damit die gesamte neue EU-Klassifizierung in Frage gestellt werden müsste.

Auf gut Deutsch bedeutet das also: Jeder hat Recht, auf seine Art und Weise, was die Sache noch verfahrener macht. Und dennoch wäre es vielleicht das Schlaueste, einmal etwas ruhiger an die Sache zu gehen. Noch ist nämlich nichts konkret definiert. Weder die Grenzwerte noch der Zeitrahmen, alles ist noch in der Entwurfsphase und kann/könnte/müsste/wird sich noch ändern. Und sollte die Wärmekraftmaschine noch bis 2035 durchhalten müssen, führt an Korrekturen auch kein Weg vorbei. Doch diesen schlanken Frage wird man sich stellen müssen: Will man das eigentlich? Und wie sinnvoll ist es?

Der A&W-Verlag bildet ein breites Meinungsspektrum ab. Kommentare müssen nicht der Meinung des Verlages entsprechen.

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