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Verbote hängen in der Luft

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Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts haben deutsche Kommunen die Möglichkeit, Fahrverbote für Dieselautos auszusprechen. Ausgenommen davon sind vorerst nur die neuesten Euro-6-Dieselmotoren, die besonders wenig Stickoxid (NO ) ausstoßen. Österreich unterschreitet die europäischen Luftreinhaltegrenzwerte sogar, weshalb keine Beschränkungen der individuellen Mobilität geplant sind. Auswirkungen auf die Alpenrepublik könnte die Gesetzgebung im Nachbarland aber dennoch haben.

In Deutschland herrscht dicke Luft. Und das in doppeltem Wortsinn. Das Bundesverwaltungsgericht erklärte die Dieselfahrverbote nämlich Ende Februar für rechtens. In Beamtendeutsch bedeutet das: Die Richter in Leipzig wiesen die Revision der Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gegen die von örtlichen Verwaltungsgerichten geforderten Fahrverbote in Stuttgart und Düsseldorf zurück. Deren Urteile seien nicht zu beanstanden, erklärte der Vorsitzende Richter Andreas Korbmacher und ebnete mit dieser Rechtsprechung künftig 70 deutschen Städten -darunter Hamburg, München oder Stuttgart - den Weg für die Verhängung von Einfahrtsverboten und Straßensperren für gewisse Dieselfahrzeuge, wenn der von der EU festgesetzte Grenzwert für Stickoxid (NO überschritten wird.


Fahrverbote, Straßensperren, Tempolimits? Seit dem Jahr 2010 gilt EU-weit als maximale Oberbelastung 40 Mikrogramm NO je Kubikmeter Luft. Zwar wird die Belastung seit Jahren bundesweit betrachtet sukzessive geringer, aber in den betroffenen 70 Kommunen wird der Grenzwert noch immer häufig überschritten. Mancherorts nur um zwei Mikrogramm, anderenorts gleich um 40 Mikrogramm. Den betroffenen Städten stehen zur Senkung der Luftbelastung nun mehrere Maßnahmen offen. Auf der einen Seite können sie nun dank der ausgesprochenen richterlichen Regelung ältere Fahrzeuge, die von einem Dieselmotor der Euro-4-Normoder niedriger angetrieben werden, aus der Stadt aussperren beziehungsweise von einzelnen Straßen verbannen. Für Fahrzeuge der Euro-5-Klasse ist derzeit eine Übergangsfrist bis in den Spätsommer 2019 in Planung. Besonders emissionsarme Euro-6-Diesel der neuesten Generation wären laut dem aktuellen Setting bei einer Überschreitung der NO -Grenze nicht von den Fahrverboten betroffen. Andererseits können die Kommunen bei einer geringen Überschreitung des Grenzwerts um wenige Mikrogramm auch nur die Tempolimits verringern, da dies in manchen Fällen ausreichen würde, die NO Mikrogramm jeKubikmeter Luft zu drücken.

 

Wie soll das kontrolliert werden?

 



Bei all dem stellen sich jedoch einige Fragen: Wie etwa soll die Einhaltung dieser Fahrverbote kontrolliert werden? Schließlich kann ein automatisches System oder ein menschlicher Kontrolleur saubere von unsauberen Dieselfahrzeugen im Vorbeifahren nur schwer unterscheiden. Deutschlandweit wird deshalb die Einführung einer neuen blauen Plakette diskutiert, die die neuesten Euro-6-Diesel kennzeichnen und eine einfacheKontrolle möglich machen soll. Gleichsam klingt die Sperrung von besonders stark belasteten Streckenabschnitten nach einer schnellen und einfachen Lösung. In der Praxis würden viele Autofahrer die Sperrungen aber wohl einfach auf einer anderen Route umfahren und damit die Emissionen in bisher weniger stark belastete Bereiche der Stadt verteilen. Dass jedoch täglich mehrere tausend Fahrzeuge in Wohngebiete ausweichen, kann nicht Sinn der Übung sein.



Weitere Beschränkungen geplant? Fakt ist: Die Fahrverbote werden sowohl Private als auch Pendler, Handwerker und Dienstleister treffen, da sie hauptsächlich Dieselautos fahren. Und Fakt ist auch: Dem Diesel -und im weitesten Sinn dem Verbrennungsmotor -weht in Europa ein härterer Wind entgegen. Mehr als 200 Städte haben bereits eine Art von Beschränkung eingeführt, beabsichtigen die Einführung oder wollen die bestehenden Beschränkungen noch weiter verschärfen. So plant etwa Oslo ab 2024 ein Einfahrtsverbot für jegliche Verbrennungsmotoren in der Innenstadt, Paris will ab 2025 den Diesel komplett aus der Stadt verbannen und die Zeit dahin mit Fahrverboten, die zwar nur Autos bis zur Emissionsklasse Euro-2 betreffen, überbrücken. London will ebenfalls in sieben Jahren zur "Null-Emissions- Zone" werden und die Zahl der Autofahrten um drei Millionen pro Tag reduzieren. Auch in Madrid dürfen schon derzeit an Tagen mit besonders starker Stickoxidbelastung nur halb so viele Autos in die Stadt fahren wie gewöhnlich und ab 2025 sollen wie in Paris die Selbstzünder überhaupt aus der Innenstadt verbannt werden.

 

Was plant Österreich?

 


Und in Österreich? Hier herrscht aufgrund einer Vielzahl von undifferenzierten Boulevardberichten und mäßig recherchierten Qualitätszeitungsstorys unter Dieselfahrern gröbere Verunsicherung. Völlig zu Unrecht, denn laut Angaben des Umweltministeriums liegt Österreich sogar unter den EU-Emissionsvorgaben und erreicht den Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm gar nicht. Insgesamt seien von den 114 heimischen NO -Messstationen 2017 nur elf Mal überhöhte Grenzwerte registriert worden. Ebenso bemühen sich die Politik, Branchenvereinigungen und Mobilitätsclubs um Beruhigung der Situation. Verkehrsminister Norbert Hofer teilt mit, dass über Fahrverbote "nicht ernsthaft beraten wird". Selbst die Wiener Grünen sehen in Fahrverboten nur eine "ultima ratio" und fordern, um die Luftqualität zu verbessern, stattdessen den weiteren Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel. ÖAMTC und ARBÖ sehen Fahrverbote "als keine geeignete Maßnahme" beziehungsweise wünschen sich die verstärkte "Förderung von alternativ angetriebenen Fahrzeugen". Selbst der Bürgermeister -auch in Österreich können Städte selbstständig über Fahrverbote entscheiden - des smoggeplagten Graz, Siegfried Nagl, will sich an das Ergebnis der Volksbefragung vor sechs Jahren halten, als die Grazer Bürger gegen eine Einführung einer Umweltzone stimmten. 



Dennoch Auswirkungen spürbar? Aufgrund dieser vergleichsweise geringen NO -Belastung gibt es derzeit keinen Handlungsbedarf, Fahrverbote in Österreich umzusetzen. Eine Auswirkung könnte die Diskussion jedoch dennoch haben, denn je größer und häufiger das Thema undifferenziert in den Medien auftaucht, umso stärker geraten die Preise für die gebrauchten Dieselautos unter Druck. Ebenso wird es wohl Auswirkungen auf Österreich haben, wenn etwa von Deutschland aufgrund der Fahrverbotsthematik unverkäufliche Euro-5-Diesel-Fahrzeuge als Schnäppchen nach Österreich schwappen, wie es Ing. Josef Schirak, Sprecherdes Einzelhandelsausschusses, prognostiziert. Günstigere Gebrauchte, die aufgrund eines allgemeinen Wertverfalls den Markt fluten, haben zwar für den antizyklischen Privatkäufer einen Vorteil, für die Flottenkunden könnten sie sich bei Leasingverträgen durch einen geringeren Restwert allerdings zum Bumerang entwickeln. Dessen sollte man sich bewusst sein, vor allem, weil davon -mangels ausreichender Kenntnis in der Bevölkerung und der Politik über die Emissionsarmut moderner Diesel -auch die Euro-6-Diesel betroffen sein könnten. Damit ergäbe sich eine paradoxe Situation, denn somit würden österreichische Dieselfahrer die Auswirkungen von Fahrverboten zu spüren bekommen, obwohl die nur außerhalb der Landesgrenzen gelten.



(Von Mag. Pascal Sperger)

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