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Die EU steigt auf die Bremse

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(c): pixabay.com/cozmicphotos

Und das wortwörtlich: Ab 2022 sollen Neuwagen unter anderem verpflichtend mit einem Speed-Limiter ausgerüstet sein. Was vorerst aber nicht heißt, dass man nicht mehr schneller fahren kann, als das Tempolimit erlaubt.

"Wir möchten ein Gespräch darüber beginnen, ob die Automobilhersteller das Recht oder sogar die Verpflichtung haben, Technologie in Autos zu installieren, die das Verhalten des Fahrers ändert, um Dinge wie Geschwindigkeit, Rausch oder Ablenkung in den Griff zu bekommen“, sagte Volvo-Vorstand Håkan Samuelsson, als er Anfang März ankündigte, dass sämtliche Volvo-Modelle ab 2020 bei 180 km/h Höchstgeschwindigkeit abgeregelt sein würden.

25.000 Verkehrstote weniger

Volvo nahm mit diesem freiwilligen Schritt eine EU-weite Entwicklung voraus, die erst ein paar Wochen später publik wurde. So einigten sich Unterhändler des EU-Parlaments und der EU-Staaten Ende März darauf, dass ab 2022 alle neu zugelassenen Fahrzeuge in Europa mit rund 30 bestimmten Sicherheitssystemen ausgestattet sein müssen. Durch die technologische Aufrüstung sollen bis 2038 über 25.000 tödliche Verkehrsunfälle verhindert werden.

Hightech-Offensive

Quasi all jene Beispiele, die Samuelsson in seiner Begründung ins Spiel brachte, sind tatsächlich Teil der geplanten Hightech-Offensive im Pkw-Bereich. So sollen unter anderem Alkolocks bei zu viel Promille den Motorstart blockieren, der Fahrer bei Müdigkeit oder Ablenkung zu einer Pause gezwungen oder eben per Speed-Limiter daran gehindert werden, das erlaubte Tempolimit permanent zu überschreiten.

Versuchte Unterbindung

Der Pakt muss zwar noch von den EU-Staaten und dem EU-Parlament tatsächlich beschlossen werden, dennoch kam es nach den ersten (unvollständigen) Medienberichten sofort zu einer hitzig-emotionalen Debatte unter Autofahrern. Grund genug, die Tempobremse genauer zu beleuchten. Im Gegensatz zum Volvo-System, das eine generelle Beschränkung auf 180 km/h vorsieht, erkennt das von der EU geplante System analog der bereits verfügbaren Verkehrszeichenerkennung und den in den Navigationssystemdaten hinterlegten Geschwindigkeiten das jeweilige erlaubte Maximaltempo. Das heißt: Während man mit einer abgeregelten Höchstgeschwindigkeit ab 2020 theoretisch in einer 50er-Zone 180 km/h fahren könnte, würde das EU-System in dieser Situation eine permanente Fahrt mit 60 km/h unterbinden. Oder zumindest die Unterbindung versuchen.

Kein Bremseingriff

Dafür wird allerdings nicht wie in den anfänglichen Medienberichten per aktivem Bremseingriff das Tempo gedrosselt, sondern der Fahrer zunächst per optischen und akustischen Signalen – ähnlich dem Ton, wenn der Gurt nicht angelegt wird – gewarnt werden. Ein aktiver Bremseingriff liegt in der Verantwortung des Lenkers. Missachtet der Fahrer dies jedoch, könnte die Motorleistung per Softwareimpuls gedrosselt werden, was ein zu schnelles Fahren unterbinden könnte. Doch jetzt kommt es: Erstens kann der Fahrer die Tempobremse per Kickdown überstimmen, also außer Kraft setzen. Das ist vor allem bei Überholmanövern auf Landstraßen wichtig, denn nur mit ordentlich Tempoüberschuss geht das auch sicher ab. Zweitens: Das System lässt sich auch permanent – also für die Dauer einer Fahrt – außer Kraft setzen. Erst nach einem erneuten Motorstart wäre es wieder aktiv.

Versteckte Förderung

Die Aufregung darüber, dass die EU quasi bei jedem Autofahrer persönlich auf die Bremse steigt, ist also unbegründet. Zumindest teilweise. Viel eher sehen Beobachter in dem Vorstoß, viele Fahrerassistenzsysteme verpflichtend in die Serienausstattung aufnehmen zu müssen, eine Maßnahme, die autonome Mobilität in Europa stark voranzutreiben.

Bedenken beim Datenschutz

Dazu kommt: Ein Großteil der Assistenzsysteme, die in drei Jahren in jedem Auto verbaut werden müssen, ist bereits heute in höheren Fahrzeugklassen erhältlich. Die Grundlage, dass der Fahrer jederzeit jedoch die Kontrolle über das Fahrzeug haben muss, wird davon nicht berührt. Weil: Autonom fährt das Fahrzeug auch mit einem serienmäßigen Geschwindigkeitswarner nicht. Und das wiederum bringt die bekannten Bedenken in puncto Datenschutz aufs Tableau.

Auch eine Frage des Preises

Durch die 30 Sicherheitssysteme wird der Autofahrer den Herstellern, dem Staat, der Versicherung oder sonstigen Partnern in der veränderten Wertschöpfungskette nämlich deutlich mehr Daten zur Verfügung stellen. Und derzeit ist immer noch nicht endgültig geklärt, wie die Datenschutzvorkehrungen bei der Umsetzung aussehen werden. Fakt ist jedoch: Systeme zur Müdigkeitserkennung etwa werden wahrscheinlich das Fahrverhalten dokumentieren. Eine „Blackbox“, die analog zu der in Flugzeugen die Daten kurz vor, während und nach einem Unfall aufzeichnet, könnte den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit unterwandern, wie deutsche Rechtsexperten monieren. Und nicht zuletzt stellt sich die Frage der höheren Kosten. Wenn schließlich auch Kleinwagen künftig serienmäßig mit 30 Sicherheitsfeatures ausgestattet sein müssen, wird das wohl oder übel auch den Preis nach oben treiben. •

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