Kia EV3 – schon gefahren: Kein Jausengegner
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Lieferengpässe bei Microchips machen der Autoindustrie schwer zu schaffen. Das hat viele Ursachen, hängt primär aber mit der schwachen Position der Branche auf diesem Markt zusammen.
Der Schnee war nur noch die Draufgabe. Dass es rund um Austin, der Hauptstadt von Texas, im Februar wilde Winterstürme und damit einhergehende Stromausfälle gab, betraf zwar viele Firmen, die in der Chip-Produktion tätig sind. Die einhergehende Krise in der Autoindustrie hat dieser kurze Fertigungsausfall der begehrten Elektronikbausteine aber kaum schlimmer gemacht. Ist eh schon wurscht, wäre der passende Begriff, denn was sich hier abspielt, ist beinahe schon ein Paradigmenwechsel im Spannungsfeld von Autokonzernen und Zulieferern, wie es das so noch nie gegeben hat.
Grundsätzliche Thematik
Die klassische Zulieferindustrie beschäftigt sich traditionell praktisch ausschließlich mit dem Bau von Fahrzeugteilen. Das heißt, dass man in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis zur Branche steht und bei manchen Betrieben ist es sogar so, dass sie so eng mit einer Marke verbandelt sind, dass sie praktisch alle ihre Auflagen erfüllen müssen, um überleben zu können. Das zeige sich an der Übernahme von Entwicklungsarbeiten bis hin zu Just-in-time-Lieferungen, aber was tut man nicht alles für seinen einzigen Kunden. Eine gewohnte und perfektionierte Praxis – bis jetzt. Chip-Hersteller haben auf diese dominante Art der Zusammenarbeit nicht nur keine Lust. Sie sind auf die Autoindustrie auch überhaupt nicht angewiesen, denn sie haben eine Reihe an wesentlich interessanteren Geschäftspartnern zur Auswahl. Computer, Smartphones, ja sogar neue Backrohre benötigen Halbleiterchips und allesamt würden sie zudem weit größere Mengen abnehmen als die Fahrzeughersteller. Warum sich von denen also knebeln lassen? Eher dreht man den Spieß um und gibt den Ton an. Sie diktieren die Preise, teilweise sogar die Bestellmengen und wer das alles nicht erfüllt, tja,der hat halt Pech gehabt. Und das gilt sogar für die ohnehin schon leidgeprüfte klassische Zulieferindustrie genauso. Wirtschaft ist eben knallhart.
Notwendige Vorsicht
Dass die Autokonzerne zudem ein so schlechtes Standing am Weltmarkt für Microchips haben, liegt aber nur zum Teil an der möglichen Arroganz diverser Abteilungsleiter in den Einkaufsabteilungen. Eher auch daran, dass diese Industrie auf diesem Spielfeld nur ein kleiner Player ist. Zwar stimmt es, dass in jedem Auto Halbleiterbauteile im Wert von mehreren Hundert Euro stecken. Die Branche bildet mit insgesamt 40 Milliarden Dollar pro Jahr aber nur rund ein Zehntel des weltweiten Gesamtmarktes. Zum Vergleich: Allein Apple ist ein größerer Abnehmer als alle Autohersteller zusammen und da haben wir von den Massenherstellern wie Samsung noch gar nicht gesprochen. Der zweite Punkt, warum die Chip-Industrie so wenig auf die Fahrzeugsparte setzt: Diese verlangt nach vergleichsweise simplen Bauteilen, die nur geringe Margen abwerfen. Also gibt man anderen Kunden natürlich gerne den Vorzug. Andererseits ist gerade dieses Vorgehen für die Autohersteller eine gewisse Zwickmühle. Denn die vergleichsweise simple Technik ist ausgereift und robust und damit gerade für den Einsatz in einem Fahrzeug genau die richtige Wahl. Einen Totalausfall würde man bei seinem Handy noch schmerzhaft hinnehmen. Bei einem Pkw aber könnte das tödlich enden. Es ist also die richtige Entscheidung, nicht auf den letzten Schrei zu setzen.
Corona
Als strafverschärfend kamen zu dieser eh schon heiklen Situation die Nachwehen der Covid-Krise dazu – und das gleich doppelt. Da praktisch alle Werke am Höhepunkt der Lockdowns vor einem Jahr weltweit still standen, stornierte man natürlich alle Chip-Bestellungen. Dessen Hersteller hatten aber keine Probleme, diese Verluste auszugleichen, ganz im Gegenteil. Seither boomen nämlich Produkte der Unterhaltungselektronik. Jeder deckt sich für die langen Tage daheim ein, entsprechend haben die Hersteller von Smartphones, Smart TV und Tablets den Halbleitermarkt so gut wie leergekauft.
Dieser Trend hält nach wie vor an, die Geschäfte laufen dank der höherwertigeren Produkte sensationell, entsprechend mussten sich die Vertreter der Autofirmen nach dem Anlauf der Produktion bei den Chip-Herstellern nicht nur hinten anstellen, sie sind auch im Ansehen noch weiter abgerutscht, da man mit ihnen einfach nicht so gute Geschäfte machen kann.
Machtgefüge und Auswirkungen
Es dauerte also nicht lang, ehe die ersten Hiobsbotschaften aus den großen Autowerken dieser Welt in den Nachrichtenagenturen eintrudelten. Bei Renault geht man davon aus, dass man heuer rund 100.000 Autos nicht bauen wird können. Ford musste Werke in Louisville (Kentucky) und Köln zeitweise anhalten. Als Notlösung lasse man bestimmte Teile bei zwei Modellen einfach weg, um sie dann zu komplettieren, sobald die notwendigen Chips angeliefert werden. Besonders ärgerlich, da hier auch das meistgebaute Fahrzeug der Welt, der Pick-up F-150 betroffen war, mit dem Ford richtig Kohle macht. Grob geschätzter Gewinnentgang: an die 2,5 Milliarden Dollar. Toyota ging es mit dem Werk im tschechischen Kolin nicht besser. Hier standen die Fließbänder für zwei Wochen still. Ärgerlich vor allem: Für dieses Werk stehen demnächst hohe Investitionen an, da künftig dort nicht nur der Aygo, sondern auch der Yaris montiert werden soll.
VW konnte allein in den chinesischen Betrieben 50.000 Autos nicht montieren, wobei es VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh in einem Interview auf den Punkt brachte: "Wir haben ein gravierendes Problem, aber das hat nicht nur die Autoindustrie allein." Schließlich beträfe es langjährige Zulieferer ebenso, was die Autoproduktion noch mehr ins Stocken bringen kann. Wie es weitergehen wird, ist natürlich schwer einzuschätzen. VW-China-Chef Stephan Wöllstein geht davon aus, dass es erst im zweiten Quartal zu einer Entspannung kommen könnte. Geht es nach Infineon-Strategievorstand Helmut Gassel sogar erst etwas später, wie er in einem Interview verriet: "In der ersten Jahreshälfte rechnen wir nicht mit nennenswerten Entlastungen." Und bei Audi kam auch noch dazu, dass eine Ladung elektronischer Bauteile am Suez-Kanal im Stau stand, weil ein querstehendes Schiff beinahe den gesamten Welthandel blockierte. Wenn einmal der Wurm drin ist ...
Rohstoffmangel
Wäre das nicht alles schon genug, tut sich eine andere Branche mit dem neuerstarkten Interesse der Autoindustrie schwer: die Siliziumproduktion. Das wichtigste Ausgangsmaterial für Chips stammt zu einem großen Teil aus chinesischer Hand und dort war man von der immensen Nachfrage gerade in den letzten Monaten schlicht überwältigt. Und zwar dermaßen, dass sie noch lang nicht auf dem Niveau vor der Corona-Krise arbeiten, was derzeit auch nicht ausreichen würde. Noch weiter wurde die Situation durch massiven Strommangel verschärft. Eine lange Trockenperiode drückte auf den Output der Wasserkraftwerke, sodass laut der Deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in den 20 größten chinesischen Schmelzanlagen von der jährlich nutzbaren Kapazität von fünf Millionen Tonnen Silizium derzeit gerade einmal nur knapp 2,2 Millionen abgebaut werden.
Wie geht's weiter?
Wenig erbauend kann gesagt werden: abwarten und die Auflagen der Chip-Hersteller erfüllen. Das würde zwar den ganzen Produktionsplan der Autofirmen über den Haufen werden, da man wieder größere Mengen abnehmen und Lagerbestände aufbauen müsste. Aber alles noch besser, als einen erneuten Produktionsausfall hinzunehmen.
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