Rückenschmerzen sind eine "Volkskrankheit", fast 80 Prozent der
Österreicherinnen und Österreicher sind davon mehr oder weniger stark
betroffen. Das Kreuz mit dem Kreuz ist auch für viele Autofahrer ein
leidiges Thema.
Die Gründe für das Leiden sind vielfältig -gleichwohl sind sich die
Experten einig: Das falsche Sitzen -ob am Arbeitsplatz, auf der Couch
zu Hause oder im Auto -ist neben mangelnder Bewegung einer der
wichtigsten Einflussfaktoren bei der Volkskrankheit Rückenschmerzen.
Wer als Autofahrer aktiv etwas dagegen tun möchte, kann sofort
beginnen. Denn neben einem ergonomischen Autositz sind die richtige
Sitzeinstellung und Sitzposition des Fahrers wichtig, um
Rückenschmerzen gar nicht erst aufkommen zu lassen oder um diese zu
verringern. Hersteller aus der Automobilindustrie arbeiten
kontinuierlichdaran, Autositze möglichst "rückenfreundlich" zu
gestalten. So blickt unter anderen der deutsche Spezialist Recaro auf
langjährige Erfahrung bei der Entwicklung von rückenschonenden
Lösungen zurück.
Auf die richtige Sitzposition kommt es an
"Wer seinen Sitz richtig justiert und darin die passende Position
einnimmt, hat schon einen wichtigen Schritt für die Ergonomie und
damit für seinen Rücken getan", sagt Elmar Deegener, Vice President
und General Manager bei Recaro Automotive Seating. Was viele nicht
wissen: Mit der richtigen Sitzposition sinkt auch das
Verletzungsrisiko im Fall eines Unfalls, denn der Wirkungsbereich der
Airbags ist genauauf diese Lage optimiert. "Die Zeit für die
richtige Einstellung der Fahrzeugsitze lohnt sich daher in jedem
Fall."
Rückenschmerzen lassen sich vermeiden
Dies bestätigt auch Primaria Dr. Ingrid Heiller, Leiterin des
Instituts für Physikalische Medizin und Rehabilitation in den Wiener
Krankenhäusern Barmherzige Schwestern und Orthopädisches Spital
Speising.
"Die richtige Einstellung des Sitzes ist das Um und Auf", so Heiller.
Letztendlich ließen sich damit auch Rückenschmerzen bei längeren
Fahrten hintanhalten oder gar weitgehend vermeiden.
Was Sie tun können, wenn Ihnen Rückenschmerzen die Fahrt zur Qual
machen und ab welchem Zeitpunkt Sie unbedingt einen Arzt konsultieren
sollten, verrät Dr. Heiller im Interview (Kasten rechts).
Expertin Prim. Dr. Ingrid Heillerüber Rückenschmerzen, deren
Ursachen und wie sie beim Autofahren vermieden werden können.
Was sind die Ursachen von Rückenschmerzen während des Autofahrens?
Lange Autofahrten sind eine starke Belastung für die Bandscheibe. Die
Druckverhältnisse sind beim Sitzen prinzipiell sehr hoch. Dadurch
wird der Bandscheibe Wasser entzogen, was sie dünner macht. Beim
Liegen passiert genau das Gegenteil, Flüssigkeit diffundiert in die
Bandscheibe. Längeres Sitzen ist also immer ein Problem. Zusätzlich
kommt es durch die Sitz-beziehungsweise Fehlhaltung - vor allem dann,
wenn der Sitz nicht richtig eingestellt ist -zu Muskelverspannungen.
Letztere können infolge zu Konzentrationsschwierigkeiten führen. Es
gibt also einerseits Rückenschmerzen aufgrund der Belastung der
Bandscheibe und andererseitsals Folgeerscheinung muskulärer
Verspannungen der Rücken-und Nackenmuskulatur.
Welche Maßnahmen wirken vorbeugend gegen Rückenschmerzen und
Verspannungen?
Wichtig ist die richtige Sitzhöhe, wobei hier zu beachten ist, dass
der Kopf während der Fahrt nicht gehoben oder gesenkt werden muss. Zu
beachten ist außerdem, dass die Nackenstütze richtig angepasst ist.
Diese sollte am Oberrand des Kopfes enden. Bei der Sitzeinstellung
sollte eine gute Erreichbarkeit der Pedale gegeben sein, das heißt,
ein Kniedurchstrecken sollte vermieden werden. Entscheidend ist auch
die Sitzneigung. Die Sitzposition sollte nicht zu gerade, sondern
leicht nach hinten positioniert sein, sodass man nicht im rechten
Winkel, sondern mit leicht geneigtem Rücken nach hinten aufsitzt.
Optimal ist einNeigungswinkel von etwa 110 Grad.
Besonders zu betonen ist, dass Vielfahrer, die unter chronischen
Rückenschmerzen leiden ein Lordosekissen benützen (sofern nicht im
Sitz eingebaut). Damit lässt sich der Rücken ins Hohlkreuz bringen,
die Hohlkreuzstellung entlastet die Bandscheiben.
Was kann man tun, um Rückenschmerzen zu vermeiden?
Ich empfehle, zumindest alle drei Stunden die Fahrt zu unterbrechen
und mindestens 20 Minuten Pause zu machen. Wichtig ist es, die
Wirbelsäule zu entlasten. Neben einem kurzen Spaziergang gibt es auch
Übungen wie das "Becken kippen".
Grundsätzlich sollte man nicht warten, bis man total verspannt ist
und sich Nacken und Rücken reibt, sondern rechtzeitig pausieren. Als
Entlastung für die Halswirbelsäule rate ich zu einer einfachen Übung
im Sitzen: Man versucht den Kopf gerade zu halten, das Kinn ins
Doppelkinn zu schieben und gegendie Nackenstütze zu drücken, dies
entlastet die Halswirbelsäule.
Ab welchem Zeitpunkt sollte ein Arzt konsultiert werden?
Bei längeren anhaltenden Rückenschmerzen, die auch durch
Bewegungstherapie nicht besser werden, sollte unbedingt ein Facharzt
für Orthopädie oder Physikalische Medizin aufgesucht werden. Ein
sofortiger Besuch ist dringend angeraten, wenn bandförmig Schmerzen
ins Bein oder von der Halswirbelsäule inden Arm ausstrahlen, denn
dabei könnte es sich um einen Bandscheibenvorfall handeln.
Welche Vorbeugung empfehlen Sie Vielfahrern?
Berufsfahrerinnen oder Personen, die extrem häufig lange Strecken
zurücklegen müssen, rate ich zum Besuch eines Fitnesscenters und
Absolvierung eines Krafttrainings, ein- bis zweimal pro Woche, rund
30 Minuten. Denn das beste Training für die Wirbelsäule ist immer
noch das Krafttraining. Durch langes Sitzen werden Rücken-und
Bauchmuskulatur extrem schwach, mit diesem Training lässt sich der
Muskelerschlaffung entgegenwirken.