Hannover machte auch heuer seinem Ruf als Austragungsort der
weltgrößten Nutzfahrzeugmesse alle Ehre. Alle namhaften Hersteller
gaben sich ein Stelldichein und präsentierten stolz ihre neuesten
technischen Errungenschaften.
Vollständig anwesend ging es auf der IAA in Hannover für die den
Markt bestimmenden Lkw-Hersteller um weit mehr als nur darum, wer
sich diesmal den Titel "Truck of the Year" sichern konnte.
Hybridtechnologie, Erdgasmodelle und Schwerlastfahrzeuge sind die
Themen, mit denen sich die großen Lkw-Hersteller aktuell intensiv
beschäftigen und das eine oder andere Modell war in Hannover bereits
zu sehen. Hinzu kamen neue Allradvarianten und die immer stärker um
sich greifende Individualisierung der einzelnen Fahrzeuge. Ganz
wesentlich dabei immer auch der Treibstoffverbrauch, der Euro 6 zum
Trotz gefühlsmäßig auf einem historischen Tiefstand angekommen ist.
Daimler - Breit gefächerte Mobilitätswelt
Wie bei den Transportern erlebt, ist auch bei den großen Trucks ein
Hauch von Optimismus zu spüren, wenngleich dieser von vielen
Unbekannten getragen wird. Geht man nach der Intensität des Auftritts
auf der IAA, so hat Daimler auch in diesem Jahr klargemacht, an wem
sich der Mitbewerb zu orientieren hat. So dunkel wie der Zugang zur
Daimler-Halle,so hell war es, wenn man erst einmal drinnen
angekommen ist. Nicht zuletzt durch eine Vielzahl an Fuso-
Canter-Modellen, die künftig um ein Topmodell mit 8,33 Tonnen höchst
zulässigem Gesamtgewicht erweitert werden, und die große Auswahl an
Sonderfahrzeugen, Autobussen und Transportern wurde demBesucher hier
eine unvergleichliche Mobilitätswelt geboten.
Die Zukunft des Lkw
Nur, wem es gelang, bis ans obere Ende der Halle vorzudringen,
entdeckte den längst medial in den Himmel gelobten Future Truck, mit
dem Daimler Nutzfahrzeug-Boss Wolfgang Bernhard am Vorabend der IAA
beim traditionellen Daimler-Empfang eingerollt ist. Am Beifahrersitz
selbstverständlich und ohne Fahrer an Bord. Damit lieferte er einen
weiteren Beweis dafür, dass diese Technologie, die Mercedes- Benz
schon vor rund 15 Jahren ganz gut im Griff hatte, ziemlich serienreif
sein dürfte. Offiziell gibt sich Daimler noch zehn Jahre bis zur
Markteinführung, wobei hier die meiste Zeit mit der Adaption
gesetzlicher Bestimmungen verbraucht werden wird. Direkt auf der IAA
war der Future Truck zum Stillstand verdammt, was dem großen
Interesse an diesem Fahrzeug jedoch keinen Abbruch tat.
Für Lasten bis zu 250 Tonnen
Ebenfalls nur statisch zu erleben und für schwerste Lasten bis zu 250
Tonnen gebaut, hat Mercedes-Benz den neuen SLT in Hannover gezeigt.
Der neue SLT markiert dabei in allen technischen Belangen die Spitze
der schweren Mercedes-Benz-Modelle. Für den fallweisen Einsatz
abseits der Straße oder einfach nur für sehr schlechte
Wetterbedingungen hat Mercedes-Benz ähnlich wie zuvor bereits MAN
eine Alternative zu bisherigen Allradantriebsvarianten entwickelt.
Bei diesem nicht durch zusätzliche Bodenfreiheit geprägten Modell
werden die Vorderräder durch Öldruck, ähnlich dem System, das bei
Baumaschinen oftmals Standard ist, angetrieben. Preislich auf dem
Niveau eines klassischen Allradantriebs ist das System auch
hinsichtlich der Traktion vergleichbar. Gespart wird somit in erster
Linie bei Luftwiderstand, Verbrauch und beim Gewicht, ist das
hydraulische System doch rund 350 Kilogramm leichter als ein
zuschaltbares Allradsystem klassischer Bauart.
MAN -schwere Lasten als Alltag
Gewohnt eindrucksvoll fiel auch der Auftritt von MAN auf der IAA aus.
Im Mittelpunkt hier die bereits in Spanien der Fachpresse
vorgestellte D38-Motorengeneration, mit der es MAN gelingt, künftig
auch im obersten Leistungssegment eine große Auswahl an
Euro-6-Motoren anzubieten. Der neuen, in Österreich gebaute
Schwerlastzugmaschine, die wie das Modell von Mercedes-Benz auf
Zuglasten bis zu 250 Tonnen konzipiert ist, vorbehalten bleibt dabei
die 640 PS Version, während bei den anderen Modellvarianten zwischen
520 und 560 PS gewählt werden darf. Nicht minder interessant die
MAN-Idee, dem Thema Hybrid auch im Fernverkehr eine Chance zur
Treibstoffersparnis von bis zu acht Prozent zu geben.
Das in Hannover gezeigte Modell dient dabei der Erprobung des neu
entwickelten Hybrid-Systems. Erste Ergebnisse und Kalkulationen
hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit eines Hybridsystems im
Fernverkehr dürften im nächsten Jahr bekannt gegeben werden. Bereits
zu kaufen hingegen der neue Verteiler-Lkw mit Erdgasantrieb,
automatisiertem Getriebe und einer Leistung von 280 PS. Damit hat
auch MAN hier ein Euro-6-Modell am Start, das hinsichtlich des
Partikelausstoßes jedem Dieselmodell überlegen ist.
Iveco -auch mit Gas
Auch wenn es diesmal in der großen Klasse bei Iveco keine echten
Neuheiten zu bestaunen gab, die Schwerpunkte bildeten heuer die
Transporter. Die Italiener machten intensiv auf ihre Kompetenz in
Sachen Gasantrieb aufmerksam und zwar ganz egal, ob es sich dabei um
CNG oder um das für Österreich nicht relevante LNG handelt. Zu sehen
zudem ein Wettbewerbsmodell, das bei der letzten Dakar Rallye am
Start war.
Scania -maßgeschneidert
Nur ein paar Schritte weiter empfingen die Schweden, im konkreten
Fall die Scania-Modellfamilie, die Besucher. Geprägt von einem
unverändert fahrerorientierten Zugang auf ganzer Linie und dem
Festhalten an den bekannten Achtzylindermotoren, ist Scania aktuell
nicht nur in Österreich mit 17,5 Prozent Marktanteil sehr gut
unterwegs. Dazu passt dann auch das erstmals auf der IAA gezeigte -
auf 200 Stück weltweit limitierte - Topmodell, das neben einer
absoluten Vollausstattung auch 730 aus einem V8 hervorgezauberte
Pferdestärken bietet. Auch bei Scania ist Gas als Kraftstoff ein
wichtiges Thema, wobei aktuell zwischen CNG und LNG gewählt werden
darf und eine nicht unbedingt ökonomische Sechsgangautomatik in
Verbindung mit Gas immer in Kauf genommen werden muss. An einer
Version mit Schaltgetriebe wird jedoch bereits eifrig gearbeitet.
Volvo -schaltfaul
Gerüstet mit der modernsten Produktfamilie aller Zeiten, hat sich
Volvo auf der IAA ganz dem Thema Doppelkupplungsgetriebe
verschrieben. Während sich Volvo hinsichtlich eines möglichen
Verbrauchsvorteils sehr bedeckt hält, wird der Zusatzkomfort für den
Fahrer als Basis für dieses System herangezogen. Profiteur dieser
Schaltunterbrechungsreduktion ist aber auch die Sicherheit, die
dieses System speziell auf schweren Strecken bieten soll. Gut
aufgestellt ist Volvo auch dann, wenn es um Gasantrieb geht, während
das Thema Hybrid aktuell der Bussparte zugeordnet wird. Sobald die
Schweden hiereine Wirtschaftlichkeit gegeben sehen, wird auch im Lkw
(beschränkt auf den Verteilerverkehr) das Thema wieder aufgenommen
werden.
Renault -Truck of the Year
In echter Feierlaune präsentierte sich die Marke Renault. Am Vorabend
des ersten Pressetages mit dem "Truck of the Year"-Titel
ausgezeichnet, kannte der Stolz auf das eigene Produkt keine Grenzen
mehr. Der Nachfolger des von 1991 bis 2013 gefertigten Magnum-Modells
mit seiner überaus charakteristischen Kabine trägt denNamen Range T
und war in der Lage, die strenge Jury auf ganzer Linie zu überzeugen.
Mitverantwortlich dafür auch die neuen 11-und
13-Liter-Motorengenerationen mit bis zu 520 PS. Hybrid-und Gasmodelle
sind bei Renault bereits in Planung, zu sehen waren sie in Hannover
jedoch noch nicht.
DAF - superleise
Wer sich zum Ende des Messerundganges auf spannende Gespräche rund um
Erdgas-und Hybridantrieb bei DAF gefreut hat, wurde bitter
enttäuscht. Schon in der Vergangenheit nicht gerade als
innovationsfreudig bekannt, überlassen die Holländer die schwierige
und zugleich auch sehr teure Entwicklung neuer Antriebe lieber dem
Mitbewerb und wenn sich dann etwas durchsetzt, macht man sich daran,
dies auch im eigenen Haus zu realisieren. Eine klare Ansage, die sich
auch in verhältnismäßig günstigen Preisen widerspiegelt. Ganz ohne
Neuheiten wollte aber auch DAF nicht dastehen, wodurch einerseits
eine extrem niedrig konzipierte Sattelzugmaschine (so sind drei Meter
Innenhöhe im Auflieger auch über der Sattelkupplung darstellbar) und
andererseits ein extrem leises Verteilerfahrzeug zu sehen waren. Mit
letzterem erfüllt DAF ein neues holländisches Gesetz für
Verteilerfahrzeuge im innerstädtischen Bereich. Mittels Knopfdruck
werden hier Leistung und Drehmoment stark eingeschränkt und die
Höchstgeschwindigkeit auf Tempo 50 limitiert. Damit und mit einer
zusätzlichen Kapselung des Getriebes gelingt es, das
Vorbeifahrgeräusch von ursprünglich 82 dB auf 72 dB zu senken, was
vom Menschen als Halbierung des Lärmpegels wahrgenommen wird. Damit
ist DAF aktuell auch die einzige Marke, der es mit einem Dieselmodell
gelingt, diese Vorschrift zu erfüllen.
Dongfeng - noch nicht für Europa
Bleibt zum Abschluss noch der mit viel Spannung erwartete Auftritt
des chinesischen Herstellers Dongfeng auf der IAA zu erwähnen. Dass
dieses verhältnismäßig junge Unternehmen in der Lage ist,
widerstandsfähige Trucks für unterschiedlichste Aufgaben zu bauen,
war schon im Vorfeld klar. Ob die gezeigte Materialqualität und hier
speziell die Detailarbeit schon jetzt ausreichen würden, um gegen die
ziemlich perfektionistisch agierenden Europäer zu bestehen, bleibt
offen. Nicht zuletzt deswegen, weil es noch keine Entscheidung über
ein Antreten am europäischen Markt gibt und demnach auch kein
konkreter Zeitplan für ein solches Vorhaben vorhanden ist.
Gefühlsmäßig werden sich die Chinesen, die heuer erstmals klar und
deutlich mitgeteilt haben, dass mit ihnen auch in der schweren Klasse
weltweit zu rechnen ist, noch ein paar Jahre abwarten, um dann mit
einem für Europa konzipierten Truck zu kommen, der den bekannten
Marken auf Anhieb auf Augenhöhe begegnet.