Von Italien nach Fünen, von Frankreich nach Polen: Im vergangenen
Jahr haben wir den Seat Leon ST rund 40.000 Kilometer quer durch ganz
Europa gescheucht. Probleme hat der Spanier dabei nur selten gemacht.
Olé!
Vielfach war in den Dauertest-Zwischenberichten beim Seat Leon vom
"Horrorauto für jeden Auto-Redakteur" die Rede. Der Grund dafür ist
nach einem Jahr und knapp 40.000 Kilometern klar: Der Seat Leon ST
hat sich in zwölf Monaten kaum Fehler geleistet. Motor, Fahrwerk,
Technik, Raumangebot, Komfort -für diese Preisklasse ist nahezu alles
perfekt. Aber eben nur fast und jetztmal der Reihe nach.
Spanische Augenweide
Optisch ist der Spanier ein echter Hingucker. Die sportliche Front,
das elegant abfallende Heck und die scharfen, seitlichen Kanten adeln
ihn wohl zum derzeit schönsten Kombi der Kompaktklasse. Doch der
fesche Auftritt schmälert gleichzeitig auch den Praxisnutzen des 4,54
Meter langen Wagens. Mit einem Volumen von 587 bis 1.470 Litern ist
der Kofferraum zwar alles andere als winzig, schneidet im Vergleich
mit seinen Technik-Brüdern Skoda Octavia Combi (610 bis 1.740 Liter)
und VW Golf Variant (605 bis 1.620 Liter) jedoch am schlechtesten ab.
Zur Ehrenrettung sei aber angemerkt: Wir hatten auf keiner Tour
Probleme, unser Gepäck im Laderaum unterzubringen -weder als wir zu
zweit noch als wir zu viert auf Reisen gingen.
Verwöhnender Begleiter
Einähnliches Bild hinterließ auch der Innenraum: viel Licht, wenig
Schatten. Die Unterhaltungsfeatures und das Verwöhnprogramm an Bord
sind mehr als ausreichend. Vor allem, weil die von uns gewählte
"Style"-Ausstattung unter anderem schon serienmäßig mit Lederlenkrad,
Bluetooth-Freisprecheinrichtung, Tempomat, variablem Ladeboden,
Dachreling und 17-Zoll-Alufelgen überzeugt und die gewählten Extras
wie das Österreich-Paket (LED-Scheinwerfer, Regensensor und
Klimaautomatik) beziehungsweise das Navigationssystem, die
Einparkhilfe sowie das Winterpaket (beheizbare Sitze und
Scheibenwaschdüsen) dank fairer Tarife (zwischen 700 und 1.150 Euro)
erschwinglich sind.
Blender oder Macher?
Dicke Pluspunkte kassiert der Spanier auch für die gut ablesbaren
Rundinstrumente, die übersichtlich gestaltete Mittelkonsole und die
flinke Klimaautomatik, die den Innenraum auch in der
Affenhitzeperiode rasch auf Wunschtemperatur gekühlt hat. Allerdings
könnte der Lenkradkranz dicker und die Auflösung des zentralen
Displays höher sein. Vor allem in der Navi-Ansicht wirkt die
Darstellungsqualität des Touchscreens schon etwas antiquiert. Dass es
im Cockpit vor allem nüchtern, aber alles andere als unansehnlich
zugeht, stört hingegen überhaupt nicht. Viel mehr passt es in die
VW-typische Machart, die maßgeblich von hochwertigen Materialien und
tadelloser Verarbeitung geprägt wird. Daher ist es wenig
überraschend, dass auch die Bedienung ab der ersten Minute besonders
locker von der Hand läuft.
Power fürs Volk
Mit 105 PS ist der Leon ST stark genug motorisiert. Allerdings kommt
der Selbstzünder bei hohem (deutschen) Autobahntempo sowie bei
Überholmanövern auf der Landstraße an seine Grenzen - vor allem voll
beladen. In solchen Momenten wird spürbar, dass das 1,6-Liter-
Triebwerk keine Reserven mehr hat, ihm sprichwörtlich die Luft
ausgeht. Das famose Siebengang-DSG, das die Gänge schnell und richtig
sortiert, kaschiert jedoch subjektiv die Power- Schwäche und lässt
den Leon (unbeladen) in respektablen 11,0 Sekunden auf 100 km/h
beschleunigen. Nicht zuletzt wegen der direkten, rückmeldungsstarken
Lenkung, den fein dosierbaren Bremsen und dem ausgewogenen Fahrwerk,
dasdie Spreizung zwischen Restkomfort und agilem Fahrverhalten
beherrscht, stellt der spanische Kombi jedoch ein ausgewogenes
Gesamtwerk dar. Vor allem, weil sich der Verbrauch übers Jahr
gerechnet bei 5,5 Liter Diesel eingependelt hat.
Probleme? Gab es auch!
Weniger erfreulich: Zweimal mussten wir im Zuge des Dauertests
ungeplant in die Werkstatt. Einmal war die Software Schuld, das
Ladedruck-Regelventil verlangte nach einem Update. Das zweite Mal
musste das Multimedia-Steuergerät ausgetauscht werden, da sich das
Handy nicht mehr über die USB-Schnittstelle laden ließ und die
Reifendruckkontrolle den Geist aufgegeben hatte. Bis auf den kleinen
Service bei Kilometer 30.000 und die beiden Reifenwechseltermine
legte jedoch kein weiterer Mechaniker mehr Hand an den Spanier.
Vom Abgas-Skandal war unser Autoübrigens nicht betroffen, der 105 PS
starke TDI wurde in aktuellen Modellen aber durch ein 110 PS starkes
Aggregat ersetzt. Die Fahrleistungen haben sich nur minimalst
geändert, der Verbrauch blieb gleich. Auch die Ausstattung "Style"
gibt es nicht mehr, das vergleichbare Modell nennt sich nun
"Executive".