Eine Pilgerreise der etwas anderen Art: Unterwegs mit dem Renault Zoe
von Wien nach Mariazell und retour. Eine Reiseüber Verzicht, innere
Ruhe, freundliche Motorradfahrer und warum Radfahrer enorme Vorteile
beim Stromsparen haben.
Etwas nachtragend ist unser Strom-Dauertestwagen. Nämlich dann, wenn
es darum geht, die (theoretische) Reichweite anzuzeigen. Da wir ihn
grundsätzlich bei jeder sich bietenden Gelegenheit aufladen, kommt er
selten in die Verlegenheit, sein Maximum ausreizen zu müssen. Und so
begrüßt er uns mit lediglich 131 Kilometer Reichweite, als wir unsereRunde bei der Smatrics-Station in der Bergmillergasse im Westen Wiens
beginnen. Die geplante Route sollte uns über Pressbaum, Altlengbach
und Hainfeld durch die Kalte Kuchl über den Ochssattel, das Gscheid
und den Kreuzberg nach etwa 125 Kilometern nach Mariazell führen.
Allerdings ist das nur der erste Teil, denn es gilt noch den
Josefs-und Annaberg zu bezwingen, da die anvisierte Ladestation erst
nach etwa 170 Kilometern in Lilienfeld zur Verfügung steht.
Immer mit der Ruhe
Wir sind zu zweit unterwegs, einerseits, um es unserem Zoe nicht zu
einfach zu machen, andererseits, weil etliche Stunden im Auto ohne
Klimaanlage und vor allem ohne Radio (selbst Radio Maria ist verboten
-alles Stromverbraucher, und wir wollen ja Verzichtüben!) einfach
kurzweiliger sind. Außerdem lässt sich so die Reise besser genießen.
Der wenige Verkehr kommt unserer defensiven Fahrweise sehr entgegen.
Meist ein paar km/h langsamer als erlaubt, gleiten wir Richtung
Pressbaum. Da es stetig leicht bergauf geht, ändert sich an unserer
prognostizierten Reichweite nicht viel. Erst die Abfahrt vom
Rekawinkler Berg bringt uns ein paar Extrakilometer.
Zwei-Gang-Zoe
Der bevorzugte Bergabgang ist vorwiegend nicht D, sondern N -somit
lässt sich immer viel Schwung auf die folgenden Flachpassagen
mitnehmen. Bei D wird durch die Rekuperation zwar Energie
zurückgespielt, diese geht aber wieder für das Beschleunigen drauf.
Zweifel kommen auf
Dieses Spiel soll uns aufgrund der Topografie die ganze Rundeüber
begleiten. Immerhin stehen knapp 3.000 Höhenmeter am Programm. Über
Eichgraben und Altlengbach geht es über die Klammhöhe, der ersten
längeren Bergwertung, vor allem durch die lange, stetig ansteigende
Anfahrt. Nach der Abfahrt stehen die Zeichen noch lang nicht auf
Erfolg, stehen doch den gefahrenen 50 Kilometern eine Reichweite von
nur noch 95 Kilometern gegenüber. Auf der B18 Richtung Hainfeld wird
es hektisch. Viel Verkehr und etliche nervöse Autofahrer wollen
selbst dann nicht akzeptieren, warum man mit 60 km/h fährt, wo doch
70 erlaubt wären, wenn man sie vorbeiwinkt. Entspannter und
freundlicher agieren hier die Motorradfahrer, welche sich fast
ausschließlich bedanken.
Gesunder Egoismus ist gefragt
Aber eine Pilgerfahrt soll ja auch keine Vergnügungsreise sein, daher
gilt es alles zu erdulden und dem eigenen Plan zu folgen. Die Kalte
Kuchl lädt ohnehin zum Genießen ein und so parken wir inmitten der
Motorräder für ein Frühstück. Kurz vor dem Ochssattel, 43 Kilometer
vor Mariazell, fehlen uns immer noch knapp 20 Kilometer bis
Lilienfeld und mit dem Gscheid wartet noch ein weiterer Berg auf uns.
Hier kommt unsere Rennraderfahrung ins Spiel: Bergauf so
kräftesparend wie möglich, bergab den Schwung so weit wie möglich
nützen.
Ein Kerzerl in Mariazell
In Mariazell fügen wir uns nahtlos ins klassischen Pilger-Touristen-
Bild ein, besuchen die Basilika, zünden Kerzerln an (nicht für die
Weiterfahrt, das wäre zu banal!), kaufen Lebkuchen(-herzen, die
später noch ein dankbares Motiv sein werden) und genießen den
Hauptplatz und das Panorama. Und rechnen aus,dass es sich eigentlich
ausgehen sollte, da ja nur mehr der Josefsberg und der kurze Anstieg
hinauf zum Annaberg zu bewältigen sind. Jetzt belohnen uns die vielen
Bergabpassagen. Ein kurzer Tour-Report-Check: Dass wir 99 von 100
möglichen Ökopunkten erreicht haben, übertrifft alle Erwartungen. Am
Josefsberg haben wir auch endlich die geplante Sollreichweite. 42
Kilometer stehen 131,8 gefahrenen gegenüber. Lilienfeld. Wir kommen!
Oder auch nicht ...
Anna, den Berg hamma!
Und jetzt brauchen wir ein neues Ziel. Vom Annaberg rollen wir zügig
bergab und bald wird klar, dass wir unser Ziel erreichen. Kurz vor
der Ladestation haben wir noch etwa 30 Kilometer Reserve. Die nächste
Ladestation in Altlengbach liegt 43 Kilometer entfernt und die
Klammhöhe noch dazwischen. Trotzdem wagen wir die Weiterfahrt,
wenngleich wir uns bei der Renault Assistance absichern, denn diese
garantiert im Fall eines Liegenbleibens eine Abschleppung. Trotz der
Fahrweise eines buddhistischen Friedensmönchs fällt die Reichweite
schneller ab, als wir Kilometer machen können. Kurz vor der Klammhöhe
zeigt unser Zoe zwölf Kilometer an, ab da nur nochdie Aufforderung
zu tanken, ohne weitere Infos zur Reichweite. Allerdings geht"s ja
auch wieder bergab. Dank ambitionierter Downhill-Fahrweise, bei
welcher wir abwechselnd Rekuperieren und Schwung holen, kommen wir
dennoch recht flott bis Altlengbach. Auch unser Ziel, die
Smatrics-Ladestation an der A1, erreichen wir. Wenngleich die Anzeige
"Begrenzte Leistung" klar macht, dass es jetzt bald endgültig aus
ist.
Willkommene Pause
Die willkommene halbstündige Ladepause nutzen wir für ein
Fernfahrermenü. Anschließend (Reichweite 155 Kilometer -und wir haben
nicht mal ganz aufgeladen!) geht"s auf der Autobahn Richtung Wien.
Plötzlich erscheint alles sehr hektisch rund um uns. Zurück in der
Bergmillergasse stehen 11,2 Kilowattstunden Durchschnittsverbrauch.
Dass die rekuperierte Energie nur drei Kilowattstunden beträgt, ist
den langen Segelphasen geschuldet. Es war ein schöner Ausflug,
speziell durch die Entschleunigung.
Ab Jänner 2017 wird der Zoe übrigens auch mit einem 41-kWh-Akku
erhältlich sein und damit theoretisch 400 Kilometer weit fahren.
Italien, wir kommen!