FLOTTE&Wirtschaft hat Volker Mornhinweg, Leiter Mercedes-Benz Vans,
zum Exklusivinterview getroffen undüber E-Nutzfahrzeuge, Drohnen und
unnötiges Schickimicki gesprochen.
Herr Mornhinweg, was war der Grund für das Ende der Partnerschaft mit
Volkswagen beim Sprinter?
Wir haben die Zusammenarbeit, wie vertraglich definiert, letztes Jahr
beendet, da wir festgestellt haben, dass wir die Produktionskapazität
selbst benötigen. In den ersten beiden Monaten hat sich heuer
herausgestellt, dass die Entscheidung richtig war. Die Zusammenarbeit
war kooperativ und gut, jeder geht jetzt seinen Weg.
Sind Sie mit Absatz und Kundenfeedback des Citan zufrieden?
Wir sind sehr zufrieden, letztes Jahr haben wir circa 26.000
Einheiten abgesetzt, ein Wachstum von 20 Prozent. Für uns war das
Produkt sehr wichtig, da uns ein Einstiegsmodell gefehlt hat. Die
Kunden können somit alle Segmente von uns bekommen.
Renault bringt ein Batterie- und Reichweitenupdate des Kangoo ZE, ist
geplant, einen elektrischen Citan anzubieten?
Die Frage haben wir uns natürlich schon vor ein paar Jahren gestellt.
Wir waren mit dem Vito E-Cell die ersten, die einen rein elektrischen
Transporter angeboten haben. Die Nachfrage war am Anfang sehr gut,
aber nicht so nachhaltig. Das Produkt war sehr gut, wir haben heute
noch 1.000 Modelle im Markt und bekommen gutes Feedback. Wir selbst
haben dabei viel gelernt, der Bedarf hat sich damals aber nicht, wie
prognostiziert, entwickelt.
Wann kann man mit einem Serienmodell eines rein elektrischen
Nutzfahrzeuges bei Mercedes rechnen und in welchem Segment?
Wir entwickeln aktuell ein Fahrzeug, mit dem wir 2018 in den Markt
gehen werden. Ob Vito oder Sprinter ist noch offen, durch die
modulare Bauweise ist der Einsatz in beiden Baureihen möglich. Es ist
auch nicht ausgeschlossen, dass wir im Small-Van-Segment aktiv
werden, aber eins nach dem anderen.
Die Fahrzeugvernetzung spielt eine immer größere Rolle. Die noch
junge Abteilung "Future Transportation Systems" hat maßgeblich an der
Studie "Mercedes Vision Van" mitgearbeitet, ab wann kann man mit
einem Einsatz neuer Technologien in der Serie rechnen?
Wir wollten aufzeigen, was wir demnächst im Markt anbieten. Dieses
Jahr werden wir über Mercedes Pro die ersten Telematik-Services
anbieten, Software und Applikationen. Die Vernetzung ist ein
Türöffner weiterer Services, daher volle Kraft voraus.
Wie weit ist die Drohne noch weg?
Wir wollen vom reinen Hersteller hin zum Anbieter von Gesamtlösungen,
da sehen wir Möglichkeiten, spezifischer zu werden. In der zweiten
Jahreshälfte werden wir die ersten Piloten im Feldversuch haben, nur
darüber lernt man.
Was wäre ein Szenario für einen Test?
Es gibt zum Beispiel inÖsterreich Alpentäler, wo es Paketzusteller
besonders schwer haben und aufgrund der Geografie nur wenige Pakete
täglich zustellen können. Das ist für mich ein gutes Beispiel,
Drohnen einzusetzen. Aber auch im medizinischen Bereich, wo etwa bei
hohem Verkehrsaufkommen der Einsatz einer Drohne Sinn macht und viel
schneller ist als das Lieferfahrzeug.
Welche Rolle wird der neue Mercedes Pickup im Nutzfahrzeugsegment
einnehmen?
Ziel war, ein Fahrzeug in Richtung Lifestyle zu entwickeln, das
Feedback von Medien und Kunden war enorm positiv. Am Ende wird das
Fahrzeug geschäftlich wie privat eingesetzt werden.
Wie viel Mercedes steckt in dem Auto, das aus einer Kooperation mit
Nissan (dem Navara) stammt?
Optisch sind wir komplett eigenständig, auch bei der Bedienung gibt
es absolutes Mercedes-Feeling. Wir verfolgen unsere eigene
Philosophie bei der Abstimmung von Fahrwerk, Getriebe, Motor und so
weiter und das wird man auch spüren.
Hat man da vom Mercedes Citan gelernt, hier standöfter der Vorwurf
im Raum, zu nah am Kangoo zu sein ...
Da muss man fair sein und das Segment anschauen. Das
Small-Van-Segment ist extrem preissensitiv und da stellt sich die
Frage, wie weit gehe ich und wo macht es Sinn. Der Pickup ist da aber
eine ganz andere Nummer, beim Citan würde das aber keiner bezahlen.
Rechnen Sie damit, dass sich die Nutzfahrzeugsparte irgendwann einmalähnlich stark diversifiziert, wie das bei den Pkw-Modellen der Fall
ist? Oder bleiben die klassischen Segmente bestehen?
Ich glaube, dass die Segmente fließend sind. Wenn man zum Beispiel
den kleinsten Sprinter hernimmt, ist er von der Länge wie ein Vito,
aber so hoch, dass man darinnen stehen kann. Es gibt Kunden, die das
benötigen oder darauf Wert legen. Aber in Richtung Crossover oder
ähnlichen Varianten sehe ich das jetzt nicht gehen. Ein Nutzfahrzeug
darf durchaus gefallen, aber Schickimicki ist nicht nötig.
Sie waren rund fünf Jahre für AMG verantwortlich, abseits von den
Produkten, können Sie uns sagen, wo der größte Unterschied für Sie
persönlich zu Ihrer jetzigen Aufgabe liegt?
Besonders die unmittelbare Nähe zum Kunden hat enorm Spaß gemacht.
Beim Nutzfahrzeug ist eine so enge Beziehung zum Kunden natürlich
kaum möglich. Aber durch die Eröffnung neuer Geschäftsfelder gibt es
in einigen Bereichen auch wieder eine Kundennähe, wie sie früher bei
AMG war, und das freut mich.