Auf der Suche nach einer Prise Amerika ohne Unannehmlichkeiten im
mitteleuropäischen Alltag braucht sich der US-affine Autofahrer
keinen riesigen Pickup mehr zu importieren.
Aus den USA kommen viele herrliche Klischees. Nur die Automobile der
ur-amerikanischen Marke Ford, die wir hierzulande sehen, erfüllen
leider nur allzu selten unser von Cowboystiefeln, BBQ und Hulk Hogan
geprägtes Bild vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Mit dem Edge
injiziert Ford aber einen Schuss US-Genetik in die europäische
Modellpalette. Den Abmessungen nach ist der Edge natürlich für einen
Amerikaner zu klein: 4,8 mal 2 mal 1,7 Meter ist nur für Europa
stattlich. Steht man dann in freier Wildbahn vor dem Wagen, wirkt er
imposanter als angenommen. Auf den ersten Blick könnte er größere
Räder als die serienmäßigen Zwanzigzöller durchaus vertragen. Die
bullige hohe Front mit dem Vignale-Wabengrillist sowieso
amerikanisch wie ein Stetson.
Der Büffel in dir
Im Inneren dominieren feine Häute, die allerdings
unverständlicherweise gerade dort den Griff aufs Plastik freigeben,
wo bei der Bedienung des Touch-Displays die Hand zu liegen kommt. Die
mit feiner Wabensteppung veredelten Sitze heimsen zwar in Sachen
Seitenhalt und Schenkelauflage keine Zusatzpunkte ein, fallen aber
auch bei flotterer und/oder längerer Fahrt nicht weiter negativ auf.
Was die Farbe des Gestühls betrifft: Nur der Mutige greift zum Beige,
für Drive-in-Esser und Familienväter, die ohne Magengeschwür altern
wollen, empfiehlt sich die Alternative in dunklem Anthrazit.
Beim Motor rümpfen kleinkarierte US-Fact-Checker vermutlich die
Nasen, anstatt erfreut den holzfällerischen Charakter des
2,0-Vierzylinder-Diesels zur Kenntnis zu nehmen. Calm down, boys: 450
Newtonmeter und 210 PS werden mit den zwei Tonnen ganz gut fertig.
Die Traktion kann ohnehin höchstens beim Bremsen ausgehen, da der
Edge nur mit Allradantrieb ausgeliefert wird. Das Fahrwerk, im
Testwagen um 299 Euro extra sportlich abgestimmt, flößt ausreichend
Vertrauen ein, damit man all diese Dynamik auch ausprobieren mag. Und
im Versuch bestätigt sich wieder einmal: Wer genug Kraft mitbringt,
braucht nicht ruppig zu werden, sondern kann kultiviert und gut
dosierbar anschieben, was dem Edge auch im Zusammenspiel mit der
sechsgängigen Power- Shift-Automatik gelingt. Diese ist in der
stärkeren Dieselversion obligatorisch.
No Big Block
Eine Benzin-Alternative bietet Ford uns Alpenrepublikanern gar nicht
erst an, schon gar keinen vieltöpfigen, wie er im Land der Freiheit
bevorzugt würde. Doch auch mit Selbstzünder wird die Freude an der
Ford-Bewegung nur vom Durst limitiert, der sich irgendwo zwischen
europäischem Gutmenschentum und amerikanischer Großspurigkeit bei 9
Liter/100 km einpendelt.