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Weisel für den Diesel

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Stuttgart ist erst der Anfang. Unter dem Druck von Gerichten und Umweltaktivisten werden weitere Städte Dieselfahrzeuge bei Feinstaubalarm aussperren. Die Wirtschaft protestiert, Autobesitzer sprechen von Enteignung, die Autoindustrie bekommt Absatzhilfe von unerwarteter Seite.

Das Thema ist heikel. Im Büro von Jörg Leichtfried, Bundesminister für Verkehr, Infrastruktur und Technologie, wollte man auf Anfrage von FLOTTE&Wirtschaft zum Stuttgarter Dieselauto-Bann prinzipiell nichts sagen. "Wir kommentieren nicht die Vorhaben einzelner Kommunen", so eine Sprecherin des Ministers. Für die gesetzliche Basis allfälliger Fahrverbote für Dieselfahrzeuge bei Feinstaubalarm, das Immissionsschutzgesetz-Luft, sei außerdem das Umweltministerium verantwortlich. Es vergingen hingegen nur wenige Tage, nachdem Stuttgart im deutschsprachigen Raum mit dem Verbot vorgeprescht war, und dieWiener Grünen griffen die Pläne der Parteifreunde aus Baden-Württemberg auf und wollen dem Diesel auf gut wienerisch den Weisel geben.

Machbarkeitsstudie in Wien

Anfang März bestätigte Wiens Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou der Tageszeitung "Kurier", dass sie für Fahrverbote "für alte Dieselfahrzeuge" durchaus Sympathie habe. Sie begründetet ihre Einstellung so: "Die Stickoxid-Belastung in der Stadt ist sehr hoch. Und heuer hatten wir 19 Tage Feinstaubalarm, doppelt so viele wie im gesamten Jahr 2016. Unsere Kinder haben das Recht, in einer Stadt aufzuwachsen, in der die Luft nicht krank macht." Nun würde die Vassilakou politisch unterstellte Wiener Magistratsabteilung 18 (Stadtentwicklung und Stadtplanung) eine Machbarkeitsstudie veranlassen. Jedenfalls: Das Immissionsschutzgesetz-Luft verpflichtet die Landeshauptleute, Maßnahmen zu setzen, wenn die Feinstaubbelastung bestimmte Grenzwerte überschreitet. Auf deren Basis dürfen etwa seit 2014 alte Stinker-Lkw der Klasse Euro 1 in Ostösterreich nicht mehr fahren, seit 2016 gilt das auch fürEuro-2-Lkw.

Verwaltungsgerichte machen Druck

Stuttgart sieht sich als Feinstaubmetropole. Laut den eigenen Messungen der Stadt seien im -auch in Schwaben - heizintensiven Jänner 2017 an 20 Tagen die Grenzwerte überschritten worden, im Februar weitere 14 Mal. Ein Jahr zuvor war es milder, die Zahl der Alarmtage war halb so hoch. Neben einem Verbot, sogenannte "Komfortkamine" zu betreiben, reagierte das von einer grün-schwarzen Regierung geführte deutsche Bundeslandmit einem Verbot für Diesel-Pkw der Schadstoffklassen bis Euro 5, bei Feinstaubalarm auf den Hauptverkehrsrouten ins Stadtgebiet von Stuttgart einzufahren. Stuttgart steht rechtlich unter Druck: Ende Mai hatte ein Verwaltungsgericht die Landesregierung aufgefordert, für das Gebiet der Landeshauptstadt einen Aktionsplan aufzustellen. Damit wurde der Klage von Anrainern stattgegeben.

Zwiegespaltene Bevölkerung

In München wurde vom bayerischen Verwaltungsgericht einer ähnlichen Klage der Lobbying-Organisation Deutsche Umwelthilfe (DUH) stattgegeben. Auch München und der Freistaat Bayern müssten ein Fahrverbot für Diesel vorbereiten. Ob es tatsächlich auch kommt, hängt von einem laufenden Verfahren auchfür das deutsche Bundesverwaltungsgericht ab. Die DUH will jedenfalls derzeit in mehr als einem Dutzend deutscher Städte rechtlich ein Dieselfahrverbot durchsetzen. In insgesamt 62 Kommunen sieht man die Notwendigkeit. Die Bevölkerung in Stuttgart ist jedenfalls zwiegespalten. Der Südwestdeutsche Rundfunk SWR veröffentlichte kürzlich eine Umfrage, wonach je die Hälfte der Stuttgarterinnen und Stuttgarter das Verbot begrüßt beziehungsweise ablehnt. Die Ankündigungen zeigten aber sofort Wirkung: Die Neuzulassungen von Diesel-Pkw gehen in Deutschland stark zurück.

"Kalte Enteignung"

Seitens des Autofahrerklubs ADAC heißt es: "Das Aussperren von knapp 13 Millionen Dieselautos aus Innenstädten wirkt wie eine Enteignung und ist gleichzeitig ein gigantisches Konjunkturprogramm für die Automobilindustrie. Sinnvoll wäre es stattdessen, längst vorhandene Abgastechnologien konsequent einzusetzen und durchdachte Verkehrskonzepte zu realisieren". Der ÖAMTC übernimmt das Bild, spricht gar von "kalter Enteignung" und weist darauf hin, dass vor allem jene sozialen Schichten getroffen würden, die nicht einfach so ein neues Euro-6-Fahrzeug kaufen könnten. Möglicherweise ist das mit ein Grund, warum die Bürgermeisterpartei SPÖ in Wien die grünen Pläne bis Redaktionsschluss noch nicht einmal richtig kommentiert hat.

Hunderttausende Fahrzeuge betroffen

Auch die Wirtschaft in den Kommunen läuft Sturm gegen die Pläne. Den Unternehmen, die Firmenflotten und Dienstwagen betreiben, sei nicht zumutbar, dass sie alle neue Fahrzeuge kaufen müssten. Auch die Autoindustrie sagt, dass eine Umrüstung von Euro 5 auf Euro 6 in den meisten Fällen technisch sehr komplex und daher wirtschaftlichHumbug wäre. Gegen allfällige Neukäufe wird verständlicherweise vonseiten der Hersteller nicht argumentiert.

Das Thema ist, wie gesagt, heikel. Vor allem für Menschen, die ihr Auto beruflich nutzen. Denn betroffen wären in ganz Österreich geschätzt 360.000 Diesel-Pkw bis Abgasnormen Euro 5, die gewerblich und von Gebietskörperschaften angemeldet sind. Zusätzlich noch einmal 260.000 Lkw.

Dieselverbote europaweit im Trend

Trotz aller Kritik gehen Kommunen europaweit gegen den Diesel vor. In Oslo wurde wegen des Wintersmogs heuer im Jänner erstmals das Einfahrverbot für private Dieselautos exekutiert. Die Pendler wurden gezwungen, öffentliche Verkehrsmittel zu verwenden. Überfüllte Züge, Verspätungen und deftige norwegische Schimpfwörter in Richtung Politik waren die Folge. In Paris gibt es heuer eine Plakette, ohne dieman nicht mehr in bestimmte Gebiete der französischen Hauptstadt einfahren darf. Auch Brüssel plant ab 2018 ein Verbot, London will die bestehende Einfahrtsgebühr für schadstoffintensivere Baujahre anheben.

Der Feinstaub bleibt ...

Das Thema ist nicht nur heikel, sondern -wie so oft heutzutage - auch ein gewisser Hype. Das Ende des Dieselmotors wird bereits ausgerufen. Hersteller von Hybridfahrzeugen sehen eine weitere Chance gekommen, in den scharf rechnenden Flottenmarkt hineinzukommen. Indessen hat laut der "Süddeutsche Zeitung" die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg wissenschaftlich folgendes festgestellt: Nicht die Dieselabgase sind der Hauptverursacher der hohen Feinstaubbelastung, sondern "Aufwirbelungen und Abriebprozesse" würden "eine wesentliche Rolle" spielen. Sprich: Selbst mit utopischen 100 Prozent Elektroauto- Bestand bildet sich aufgrund von Reifen- und Fahrbahnabrieb weiterhin Feinstaub.

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