Der neue Porsche 911 Turbo S beschleunigt in 3,1 Sekunden auf 100
km/h und pickt auf dem Asphalt, dass es eine Freude ist. Einziges
Problem: der Preis von 242.816 Euro ...
Kennen Sie das, wenn Ihre Kollegen plötzlich sehr nett zu Ihnen sind,
Ihnen Komplimente machen und sich sehr um Ihr Wohlbefinden kümmern?
Kann sein, dass Sie Geburtstag haben. Kann aber auch sein, dass man
etwas von Ihnen will. Ab dem Zeitpunkt, zu dem im Testautokalender
der Porsche 911 Turbo S eingetragen war, gab es jedenfalls Kollegen,
die besonders nett und zuvorkommend waren. Ob man da nicht einmal
mitfahren könne, schließlich habe man ja schon als Kind ein
Matchbox-Auto des 911 Turbo besessen. Schon unglaublich, wie aus
gestandenen Männern wieder Kinder mit besonders treuherzigem Blick
werden.
560 PS und Allradantrieb
Zugegeben, es ist auch verständlich. Sehr sogar, wenn man die ersten
Meter mit dem Überflieger absolviert. Beim Starten wird man vom
typischen Boxer-Sound empfangen, die Soundkulisse ist präsent, aber
nicht aufdringlich. Unangenehm sind die fehlenden Ablagen, das Handy
muss jedes Mal in die aufklappbare Mittelkonsole, schade. Bevor mir
Porsche-Puristen aber das Messer ansetzen, ja, dieses Auto hat andere
Qualitäten. Stolze 560 PS leitet das 3,8-Liter-Triebwerk an alle 4
Räder weiter, die Mehrheit der Pferde verbeißt sich im Normfall an
der Hinterachse in den Asphalt. Die monumentalen Räder im Format
305/30 ZR20 (vorn 245/35 ZR20) bemühen sich, jeglichen Schlupf zu
unterbinden, dass das Winterschuhwerk weicher ist als die
Sommer-Pneus, merkt man dennoch.
Fährt sich wie ein VW Golf -wenn man möchte
Der Pilot - Fahrer wäre in dem Fall zu banal -hat die Wahl zwischen 3
unterschiedlichen Fahrmodi. Spielt er nicht auf der Knöpferlklaviatur
in der Mittelkonsole, ist der Golf-Modus aktiv. Golf-Modus? Heißt
natürlich nicht wirklich so, bietet aber ein dermaßen einfaches
Handling, dass es sich mit dem Überporsche völlig unaufgeregt im
Automatik-Modus durch die Stadt gondeln lässt. Aber keine Sorge,
drückt man das Gaspedal tiefer durch, lässt man selbst im
Normal-Modus 99 Prozent aller Verkehrsteilnehmer stehen. Wer es etwas
ambitionierter angeht, aktiviert den Sport-Modus, gern auch in
Kombination mit demButton für die straffere Dämpferabstimmung. Der
911er schärft seine Sinne, der Grinser des Piloten wird breiter.
Bei Sport plus geht die Post ab
Auto und Fahrer sind aufgewärmt, jetzt geht"s ans Eingemachte. Mit
der nötigen Portion Ehrfurcht wird das Programm "Sport plus"
aktiviert. Der Supersportler quittiert das mit Freude, das
Doppelkupplungsgetriebe schaltet 2 Gänge runter. Das Auto weiß, jetzt
will er"s wissen, der Typ hinterm Lenkrad. Und der wechselt jetztin
den manuellen Getriebe-Modus, um sich kurz darauf zu ärgern. Die im
Lenkrad integrierten Schalt-Tasten sind echte Spaßbremsen. Simple
Schaltwippen, wo links runter und rechts rauf geschaltet wird, hat
zwar jeder Polo GTI, im Porsche 911 Turbo S kosten diese aber extra.
Bitte dort das Kreuzerl beim Bestellen nicht vergessen. Genug
gemeckert. Wer"s drauf anlegt, beschleunigt in 3,1 Sekunden auf 100
km/h, Schluss ist erst bei 318 km/h. Nicht minder beeindruckend die
riesigen Keramik-Bremsscheiben mit 6 Kolben vorn und 4 hinten. Fading
ist ein Fremdwort, selbst mehrere Vollbremsungen bringendie
Brutalo-Stopper nicht aus der Ruhe. Eine Wohltat ist die mitlenkende
Hinterachse. Bei niedrigen Geschwindigkeiten lenkt diese entgegen der
Vorderachse und reduziert somit den Wendekreis auf ein
rekordverdächtiges Niveau. Bei höherem Tempo lenken die Hinterräder
dann parallel zu den Vorderrädern, was der Agilität zugute kommt.
Beim Verbrauch ist die Skala nach oben offen, Überland und ohne Eile
sind aber auch 10 Liter möglich, Respekt. Beim Preis hört der Spaß
leider auf: 242.816 Euro sind eine Ansage.