Dr. Werner Gruber ist Experimentalphysiker an der Universität Wien
und Direktor der Wiener Sternwarten und des Planetariums. Durch
Bücher und Bühnenauftritte ist er als "Physiklehrer der Nation"
bekannt.
Gerade im Sommer gibt es eines, was alle vermeiden möchten: Stau. Man
fährt rechtzeitig weg, man meidet die Hauptverkehrswege und dann
trifft es einen doch. Nichts geht mehr, alle Automobile stehen und
wenn man Pech hat, gibt es noch strahlend schönes Wetter. Sprich, die
Sonne knallt auf das Dach und durch die Scheiben und es wird wirklich
heiß.Ganz automatisch taucht die Frage der kleinen Mitfahrer auf der
Rückbank auf: Mama, Papa, ich muss Lulu
Die Ursachen für Staus
Aber warum kommt es zu einem Stau? Eigentlich muss man da schon etwas
genauer sein, denn es gibt auch noch den stockenden Verkehr. Bei
diesem bewegt man sich zumindest mit einer Geschwindigkeitüber 10
km/h, allerdings ist man langsamer als 30 km/h.
Steht man still oder legt man 10 Kilometer in weniger als einer
Stunde zurück, dann staut es sich. Trotzdem, warum kommt es zum Stau?
30 Prozent aller Staus entstehen durch Baustellen und 25 Prozent
durch kurzfristige Verkehrsstörungen wie Unfälle. Der Rest geht auf
zu viele Fahrzeuge in zu kurzer Zeit zurück. Normalerweise verträgt
eine Straße zwischen 1.500 und 2.000 Fahrzeugen pro Spur und Stunde.
Werden nun auf einer Autobahn einzelne Spuren gesperrt, wird es
problematisch.
Der Domino-Effekt
Es gibt aber auch den Stau aus dem Nichts. Fahren viele Fahrzeuge in
einer Kolonne, also ein meist zu geringer Sicherheitsabstand, dann
reicht es, wenn einzelne Fahrzeuge leicht abbremsen. Was passiert?
Die nachfolgenden Fahrzeuge bremsen auch ab, wissen aber nicht was
vorn los ist und bremsen dann noch stärker ab. Das machen ein paar
Fahrzeuge und schon bremst ein Fahrzeug so stark, dass es stehen
bleibt.
Kein Lerneffekt bei Stauverursachern
Natürlich bleiben dann die nachfolgenden Fahrzeuge auch stehen. Bis
es dann wieder weitergeht, braucht es noch einige Zeit.
Interessanterweise erleben die Stauverursacher den Stau gar nicht -es
gibt damit auch kein Lernverhalten. Einen solchen Stau kann man
eigentlich nur durch einen etwas größerenSicherheitsabstand und eine
hohe Aufmerksamkeit vermeiden. Durch den höheren Sicherheitsabstand
müssen die nachfolgenden Fahrzeuge nicht so schnell bremsen und der
Verkehr fließt.
Geschwindigkeitsbeschränkungen kontraproduktiv?
Passiert ein Fahrzeug eine Unfallstelle, so schauen die Insassen des
Autos gern, was denn da so passiert sei und werden dabei langsamer.
Kommen sie zu einer Baustelle, dann werden sie auch langsamer, weil
es meistens Geschwindigkeitsbeschränkungen gibt. Dies mag aus
Sicherheitsgründen notwendig sein, vom Standpunkt der Physik ist es
kontraproduktiv. In der Physik kennen wir den Bernoulli-Effekt.
Dieser beschreibt das Verhalten einer Flüssigkeit in einem Rohr.
Kommt diese nun zu einer Verengung, dann wird sich in der Verengung
dieFlüssigkeit viel schneller bewegen. Der Grund liegt darin, dass
sich nach der Verjüngung die Flüssigkeit ja wieder geordnet bewegen
soll. Da sich eine Flüssigkeit nicht zusammendrücken lässt, sie
behält ihr Volumen, muss sie sich schneller an der Verengung bewegen.
Der Durchfluss -die Menge der Flüssigkeit pro Zeit -muss in allen
Bereichen gleich groß sein.
Der Stau muss (noch) erduldet werden
Das bedeutet, wenn die Fahrzeuge die Flüssigkeitsteilchen sind und
die Autobahn das Rohr darstellt, dann wäre die Unfallstelle die
Verjüngung. Damit es zu keinem Stau kommt, sollten sich die Fahrzeuge
an der Gefahren-oder Baustelle schneller bewegen. Allerdings wäre das
nicht ganz ungefährlich.
Also müssen wir entweder den Stau erdulden oder wir erfinden ein
elektronisches System, welches das Fahrzeug mit der richtigen
Geschwindigkeit durch den Stau lenkt. Das braucht zwar noch ein
wenig, aber wir arbeiten dran.