Das E10-Chaos in Deutschland und die Frage nach derökologischen
Sinnhaftigkeit heizen die Debatte um einen höheren Biosprit-Anteil im
Benzin weiter an.
Ist eine Erhöhung des Bioethanol-Anteils im Benzin von derzeit fünf
auf zehn Prozent, wie sie Umweltminister Nikolaus Berlakovich ab
Herbst plant, sinnvoll? Experten betrachten die Pläne kritisch. So
spricht sich der Klimaschutzfachmann der Wiener AK, Dr. Christoph
Streissler, strikt gegen noch mehr Bioethanol im Benzin aus: "Die
Emissionen, die bei der Erzeugung von Biokraftstoffen produziert
werden, fressen die Reduktionen, die beim Einsatz dieser Stoffe
gewonnen werden, auf", resümiert der AK-Experte. Skeptisch betrachtet
das Geschäft mit Biokraftstoffen auch die Agrarökonomin der
Organisation "Food First Information and Network" (FIAN), Dipl.-Ing.
Gertrude Klaffenböck: "Der Boom von Agrofuels wurde durch Investoren
verstärkt und wird heute durch Pacht oder Erwerb riesiger Flächen in
Afrika, Asien und Lateinamerika sichtbar." Dieser "Landraub" habe das
regionale Nahrungsangebot verknapptund die Vertreibung der
Landbevölkerung forciert.
Chaos in Deutschland
In Deutschland ist seit knapp einem Jahr Benzin mit zehnprozentigem
Bioethanol-Anteil (E10) erhältlich. Die Einführung verlief nicht ohne
Ungemach: "Das Chaos war riesengroß", berichtet Rechtsanwältin Silvia
Schattenkirchner, Leiterin des Verbraucherschutzes Recht beim
Autofahrerklub ADAC.
Hauptstreitpunkte seien Bedenken hinsichtlich der E10-Verträglichkeit
einzelner Fahrzeuge, Haftungsfragen bei Schäden sowie der
Kraftstoffmehrverbrauch gewesen. "Dazu gesellte sich auch die Praxis
einiger Mineralölhersteller, kein Super E5 mit 95 Oktan mehr
anzubieten, sondern nur mehr SuperPlus mit 98 Oktan", so
Schattenkirchner. "Nur noch höherwertigen und dadurch teureren Sprit
bereitzustellen, stand in klarem Widerspruch zur in der
Bundesimmissionsschutzverordnung verankerten Bestandschutzregelung,
wonach Anbieter von Super E10 auch ein entsprechendes Superbenzin mit
E5-Qualität vorhalten müssen", sagt die Juristin. Weshalb der ADAC
Anzeigegegen insgesamt fünf Mineralölkonzerne erstattete. Mit
Erfolg: Seither wird E5 mit 95 Oktan an den meisten Tankstellen
wieder angeboten.
Industrie wehrt sich
Die Argumente der Biosprit-Gegner können die Erzeuger von Bioethanol
nicht nachvollziehen. Christine Göller, Sprecherin der
österreichischen Agrana: "Mit 210.000 Kubikmeter jährlich im Werk
Pischelsdorf/NÖ produzieren wir bereits genug Bioethanol, um den
Bedarf für Österreich abdecken zu können. Für die E10-Einführung
müssen daher keine zusätzlichen Ackerflächen herangezogen werden."
Aktuell werden 50 Prozent der Produktion exportiert.Österreich
verzichtet durch die Exporte und die Nichtnutzung im Inland
gegenwärtig auf CO 2 Einsparungen von rund 190.000 Tonnen, für die
vom Staat vom Weltmarkt Verschmutzungsrechte zugekauft werden müssen.
Bei der Produktion, bei der rund 500.000 Tonnen regionales Getreide
verarbeitet werden,entstehen gleichzeitig auch 175.000 Tonnen
gentechnikfreie Futtermittel.
Um eine Verunsicherung wie in Deutschland zu vermeiden, schlägt
Agrana vor Einführung von E10 in Österreich begleitende Maßnahmen
vor: Etwa die Erstellung einer Liste aller E10-tauglichen Fahrzeuge
durch die Hersteller und die Kennzeichnung im Rahmen
der§-57a-Überprüfung.