Neue Abgastests hängen wie ein Damoklesschwert über der
Autoindustrie. Während die Ingenieure schwitzen, um die Motoren
entsprechend sauber zu machen, ist so mancher Flottenkunde ob der
neuen Spielregeln verunsichert. Wir versuchen, Licht ins Dunkel zu
bringen und erklären die neuen Testprozedere und deren Auswirkungen.
Trotz guter Verkäufe im Vorjahr ist die Autobranche nervös. Und das
nicht nur in Österreich, sondern europaweit. Grund dafür ist der neue
Verbrauchszyklus WLTP, das Kürzel steht für "World Harmonized Light
Vehicles Test Procedure" und geistert bereits seit Monaten durch die
Medien. Und wo genau liegt das Problem, könnte man nun fragen. Nun,
grundsätzlich geht es um mehr Transparenz, was den
Treibstoffverbrauch der Fahrzeuge anbelangt. Was für den Käufer eine
zunächst durchaus gute Nachricht ist. Bei näherer Betrachtung könnte
sich das aber ins Gegenteil drehen, auch für Firmenkunden. Denn durchdie neue Messmethode wird sich der ausgewiesene CO2-Ausstoß für die
allermeisten Modelle erhöhen. Und damit eigentlich auch NoVA und
Sachbezug, die ja beide an den Verbrauchs-beziehungsweise
Emissionswert gekoppelt sind. Eigentlich deshalb, da das
Finanzministerium bereits durchblicken hat lassen, bis inklusive 2019
weiterhin den NEFZ-Zyklus zur Berechnung heranzuziehen. Und auch mit
dem Auslaufen der NEFZ-Angaben 2021 wurde eine Diskussion zur
Umstellung mit den Interessensvertretern in Aussicht gestellt. Bleibt
zu hoffen, dass man sich dann auch noch daran erinnert.
Heißes erstes Halbjahr?
Die Nervosität auf Seiten der Kunden sollte damit etwas eingedämmt
sein, die Branche selbst ist aber ob der Umstellung stark gefordert.
Zudem werden einige Modelle schlichtweg aus dem Programm fallen, da
es zu großer Investitionen Bedarf, um die Fahrzeuge auf die neuen
Regeln hochzurüsten. Seit September 2017 müssen neu homologierte
Modelle bereits nach WLTP getestet werden, ab September 2018 gilt das
auch für bestehende Fahrzeuge. Einige Importeure gehen daher davon
aus, dass das erste Halbjahr bei den Verkäufen spürbar über 2017
liegen wird und sich der Markt im Herbst abkühlt. Hinter den Kulissen
läuft die Arbeit jedenfalls bereits auf Hochtouren, denn die
Ermittlung des CO2-Ausstoßes wird wesentlich komplexer als das bisher
der Fall war.
NEFZ, WLTP&RDE: Das steckt hinter den Kürzeln Da es immer wieder
vorkommt, dass zwar mit den Kürzeln NEFZ, WLTP oder auch RDE (Real
Driving Emissions) jongliert wird, aber ein entsprechendes
Detailwissen fehlt, wagen wir einen kleinen Exkurs in die Welt der
Technik. Vergleichen wir den auslaufenden NEFZ, also den Neuen
Europäischen Fahrzyklus, mit WLTP. Im Zuge eines Vortrages vor den
Mitgliedern des Fuhrparkverband Austria erklärte Dr. Werner Tober, u.
a. wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Fahrzeugantriebe
und Automobiltechnik an der TU Wien, Sachverständiger und technischer
Experte für das Verkehrsministerium,in einem sehr spannenden Referat
die Unterschiede der Messverfahren. "Im ersten Teil erfolgt die so
genannte Fahrwiderstandsermittlung", so Tober, "die dient im
anschließenden Rollenprüfstandtest als Grundlage."
Aus für die Gummi-Paragraphen Zunächst unterscheiden sich NEFZ und
WLTP noch gar nicht voneinander. Bei beiden Verfahren muss das
Fahrzeug aus circa 130 km/h ausrollen, in 10-km/h-Schritten wird
dabei die Zeit gestoppt. Die Fahrbahn muss eben und trocken sein und
darf nur geringe Windgeschwindigkeitenaufweisen, wobei es beim WLTP
zu einer Windkorrektur kommen kann. Bei den Umgebungstemperaturen
gibt es beim NEFZ keine Vorgaben, bei WLTP muss man sich in einem
Temperaturfenster zwischen plus 5 und plus 35 Grad Celsius bewegen.
Bei den Aerodynamik-Optimierungen wird künftig wohl zurückhaltenderals bisher agiert. So mancher Hersteller hat bisher die Fugen bei der
Karosserie abgeklebt, wodurch der Luftwiderstand und somit auch der
Fahrwiderstand spürbar geringer wurde. Optimiert wurde auch bei den
Reifendimensionen, für die NEFZ-Tests war die Verwendung der
zweitbreitesten Variante vorgeschrieben. Wenn ein Hersteller zum
Beispiel zwei ident breite Reifen in der Erstausrüstung hat, wurde
eine dritte, schmälere Version zusätzlich aufgenommen, mit der dann -
ganz legal - der Test gefahren wurde. Apropos legal, die Hersteller
haben natürlich alles daran gesetzt, den Test bis an seine Grenzen
auszunutzen: "Der Test ist mit der Zeit gewachsen, ursprünglich
dienten die Messungen nur dazu, um zu kontrollieren, ob der
Katalysator funktioniert. Viele Richtlinien sind einfach nicht mehr
konform mit modernen Autos. 2009 wurde ein Beschluss gefasst, einen
neuen, weltweit gültigen Testzyklus, nämlich WLTP, ins Leben zu
rufen." In den USA ist die Übernahme von WLTP allerdings noch offen."
Deutlich mehr Praxisnähe Zurück zum Testprozedere. Wäre NEFZ nicht
auf Teufel komm raus optimiert worden, lägen die Fahrwiderstände
zwischen zehn und 60 Prozent (!) höher. Kein Wunder, dass die
Praxisverbräuche immer mehr vom Normverbrauch abweichen. Wurde der
Fahrwiderstand berechnet, wird selbiger auf dem Rollenprüfstand
abgebildet, womit wir beim 2. Teil des Messverfahrens angelangt
wären. Unter Laborbedingungen, sprich ohne Sonne, Regen, Wind,
Kurven, Steigungen oder Gefälle wird hier ein fix vorgegebenes
Geschwindigkeitsprofil gefahren. Und auch das unterscheidet sich
deutlich zwischen NEFZ und WLTP. So wurde etwa die mittlere
Geschwindigkeit von 34 auf 47 km/h angehoben, die
Höchstgeschwindigkeit von 120 auf 130 km/h. Die
Beschleunigungsvorgänge sind deutlich stärker und einen
Konstantfahranteil, sprich längeres Fahren mit identer
Geschwindigkeit, gibt es gar nicht mehr. Zudem sind die Schaltpunkte
nicht mehr fix vorgegeben, sondern werden spezifisch ermittelt.
Unterm Strich also alles Maßnahmen, die deutlich mehr Praxisnähe
haben als bisher.
Jedes Extra wirkt sich künftig auf den Verbrauch aus Diese Tatsache
könnte auch Auswirkungen auf künftige Motorengenerationen haben,
schließlich sind die Downsizing-Triebwerke - Motoren mit wenig
Hubraum und Turboaufladung - vielfach ein Ergebnis der im Hinblick
auf den NEFZ-Test gemachten Optimierungen. Die Technikerhaben auch
die Start-Stopp-Automatik hinterfragt, hier wurde aber auch mit der
neuen Norm die Sinnhaftigkeit bestätigt. Durch WLTP werden die
Normverbräuche gegenüber NEFZ um durchschnittlich 20 Prozent steigen,
bei kleinvolumigen Motoren übrigens mehr als bei großen. Was den
Auto-Importeuren je nach Land und Steuergesetz besonders
Bauchschmerzen verursachen dürfte, ist die Tatsache, dass künftig
jede Sonderausstattung beim CO2-Ausstoß berücksichtigt wird. Umgelegt
auf Österreich bedeutet das, dass sich nach der Übergangsfrist durch
den Kauf von Extras -von breiteren Reifen oder einer Dachreling bis
zu allen gewichtsrelevanten Ausstattungen - auch NoVA und Sachbezug
ändern können. Die dahinterliegenden Berechnungen halten aktuell
ganze Abteilungen auf Trab, schließlich müssen die Daten zum Beispiel
im Online-Konfigurator hinterlegt sein.
Praxistests als Ergänzung Um zu überprüfen, wie sich der
Schadstoffausstoß unter realen Bedingungen entwickelt, gibt es
zusätzlich zu WLTP noch RDE, "Real Drive Emission". Das Testfahrzeug
führt das Labor quasi huckepack mit und ermittelt mit verschiedenen
Fahrern und auf definierten Strecken den realen Schadstoffausstoß,
mit Schwerpunkt auf NO und Partikel. Da die Vergleichbarkeit durch
Wettereinflüsse und unterschiedliche Streckenprofile aber nicht so
exakt möglich ist wie bei WLTP, ist RDE eine zusätzliche Messung. Die
ist aber insofern wichtig, als derzeit die Typgenehmigungen der NO
-Werte im NEFZund jenen im Realbetrieb oft um mehr als das
hundertfache voneinander abweichen. Das gehört künftig der
Vergangenheit an, so Tober: "Je mehr Fahrzeuge mit zumindest
Euro-6d-TEMP auf unseren Straßen unterwegs sind, desto drastischer
fällt die Verbesserung der Luftqualität in Zukunft aus."
Euro 6 ist nicht gleich Euro 6 Aufpassen muss man bei der genauen
Definition der Abgasnorm. Die neuen Prüfverfahren WLTP und RDE
erfüllen nur jene Fahrzeuge, die nach der erwähnten Euro-6d-TEMP-Norm
eingestuft sind, Euro 6 beziehungsweise Euro 6a/b/c erfüllen diese
Norm nämlich noch nicht. Tober rechnet damit, dass sich einige
Hersteller in bestimmten Segmenten vor allem vom Dieselmarkt
zurückziehen könnten, da der Aufwand für die Abgasnachbehandlung
schlichtweg zu groß wird. Der Produktionspreis für einen
durchschnittlichen Vierzylinder-Turbodiesel - ohne Entwicklungskosten
- liege bei rund 1.400 Euro, für eine entsprechende
Abgasnachbehandlung sei nochmals eine ähnliche Summe zu
veranschlagen.
Das Fazit Zunächst liegt der Ball bei den Fahrzeugherstellern, ihre
Modellpalette auf WLTP und RDE vorzubereiten. Die
Verbraucherinformationen wie Prospekte müssen übrigens noch nicht
zwingend adaptiert werden, die EU-Kommission empfiehlt eine
einheitliche Umstellung mit dem 1. Jänner 2019. Für die Kunden gibt
es vom Finanzministeriums noch eine Schonfrist bis Ende 2019. So lang
werden - mittels eines speziellen Umrechnungsfaktors -die WLTP-Werte
in NEFZ-Werte zurückgerechnet,diese bilden weiter die Basis für NoVA
und Sachbezugsgrenze, die aktuell ja bei 124 Gramm pro Kilometer
liegt und jedes Jahrum weitere drei Gramm fallen wird.
In diesem Zusammenhang ist zu hinterfragen, ob auch die Car-Policys,
die oftmals CO2-Grenzen beinhalten, auf NEFZ-oder WLTP-Daten
zugreifen, was einen, je nach Fahrzeug, gravierenden Unterschied
ausmachen kann. Besonderes Augenmerk sollte auch auf jene Autos
gelegt werden, die jetzt auf Basis des aktuellen NEFZ-Wertes
angeschafft, aber erst nach Inkrafttreten der WLTP-Norm ausgeliefert
beziehungsweise zugelassen werden, da es hier zu unterschiedlichen
Angaben beim CO2-Ausstoß kommen kann.
Eines gilt laut Toberübrigens als fix: Das neue WLTP-Testverfahren
bietet den Herstellern so gut wie keine Möglichkeit mehr, Lücken
auszunutzen. Zudem hat die Typgenehmigungsbehörde die Möglichkeit,
das Fahrzeug jederzeit zu überprüfen. Sollte es durchfallen, würde
die Typgenehmigung des entsprechenden Modells zumindest wackeln. Und
das will sicher kein Hersteller riskieren.
Die technischen Details
Euro-6d-TEMP: Die EU legt in Verordnungen die Emissionsgrenzwerte für
Kraftfahrzeuge fest. In der Emissionsstufe Euro-6d-TEMP sind in einer
RDE-Fahrt sowohl die Euro-6-Stickoxidgrenzwerte als auch die
Euro-6-Grenzen für die Partikelanzahl unter Berücksichtigung
gesetzlich definierter Konformitätsfaktoren zu bestätigen. Weiterhin
sind wie in der EmissionsstufeEuro 6c die Euro-6-Grenzwerte auch im
Labor gemessen nach WLTP zu bestätigen. Euro-6d-TEMP gilt für neue
Emissions-Typen seit dem 1.9.2017, für alle Neuzulassungen ab dem
1.9.2019. Ab 2020 sind Emissionen nach dem Nachfolgestandard Euro 6d
zu ermitteln.
NEFZ: Bisher wurden Abgas-und Verbrauchswerte in Europa nach dem NEFZ
(Neuer Europäischer Fahrzyklus) ermittelt. Mit dem Ziel, Kunden
herstellerübergreifend vergleich-und reproduzierbare Werte zur
Verfügung zu stellen, trat 1970 der erste europäische Fahrzyklus
inkraft. 1992 wurde dieser über den Stadtverkehr hinaus erweitert.
Seit der Berücksichtigung des Kaltstartanteilsim Jahr 2000 wurde der
NEFZ nicht mehr grundlegend verändert. Bis Ende 2020 werden für jedes
Neufahrzeug weiterhin NEFZ-Werte parallel zu den WLTP-Werten
ermittelt, um die Flottenzielerreichung überprüfen zu können.
RDE: RDE steht für "Real Driving Emissions" und ist ein Straßentest
zur Überprüfung von Schadstoffemissionen. In Verbindung mit der
Einhaltung von Emissionsgrenzwerten unter Anwendung von
Konformitätsfaktoren soll für Partikel ab der Emissionsstufe Euro 6c
nach WLTP beziehungsweise zusätzlich für NO ab derEmissionsstufe
Euro-6d-TEMP überprüft werden, dass die Euro-6-Grenzwerte auch in
Straßentests innerhalb der gesetzlich gültigen Rahmenbedingungen
nicht überschritten werden. In der Vergangenheit fanden
Abgasmessungen zur Typengenehmigung ausschließlich auf Prüfständen
statt. Seit März 2016sind Emissionen innerhalb eines definierten
Rahmens auch im realen Fahrbetrieb nachzuweisen. Seit September 2017
müssen für neue Emissions-Typen im RDE sowohl für Stickoxide NO als
auch für die Partikelanzahl PN die Euro-6-Schadstoffgrenzwerte unter
Anwendung von Konformitätsfaktoren in Straßentests eingehalten
werden. Ab 1. September 2019 gilt dies für alle Neuzulassungen.
WLTP: Die Abkürzung steht für "Worldwide Harmonized Light Vehicle
Test Procedure". Dieses Prüfverfahren ermittelt Verbrauchs-und
Abgaswerte eines Fahrzeugs auf einem Rollenprüfstand. Seit dem 1.
September 2017 wird der WLTP schrittweise eingeführt und löst das
vorherige Prüfverfahren NEFZ sukzessive ab. Der WLTP ist durch seine
dynamische Ausrichtung deutlich näher am tatsächlichen Fahrgeschehen
als bisher. Gleichzeitig sind viele Anforderungen zum Beispiel an die
Ermittlung von Fahrwiderständen oder die Durchführung des Rollentests
gegenüber dem NEFZ deutlich verschärft worden. Insbesondere diese
geänderten Randbedingungen führen zu einem numerischen Anstieg der
CO2-Werte, obwohl sich die Effizienz der Fahrzeuge durch das neue
Messverfahren nicht ändert.
" Bis Ende 2019 gewährt das Finanzministerium eine Schonfrist, so
lang dient der NEFZ als Berechnungsgrundlage für NoVA und Sachbezug."
" Im Vergleich zum NEFZ bieten WLTP und RDE deutlich realitätsnähere
Abgasund Verbrauchswerte."