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Für viele KMU in Österreich könnte die Einführung der Normverbrauchsabgabe für leichte Nutzfahrzeuge die finanzielle Überlastung bedeuten. Dabei drohen vor allem im EPU-Bereich zahlreiche Insolvenzen.
KMU sind das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft. Das ist die Wahrheit, greift aber zu kurz. Eigentlich müsste es heißen: KMU sind das Skelett, das Fleisch, die Eingeweide sowie das Herz und Gehirn der österreichischen Wirtschaft. Ganze 99,6 Prozent aller hierzulande registrierten Unternehmen sind nämlich Klein- und Mittelbetriebe.
Im Jahr 2018 – jüngere Zahlen gibt es laut „KMU Forschung Austria“ noch nicht – erwirtschaften sie 504 Milliarden Umsatz. Dabei waren 87 Prozent der KMU Kleinstbetriebe mit weniger als zehn Beschäftigten. Dazu zählen auch die EPU (d.h. Unternehmen mit einem einzigen Beschäftigten), die knapp 40 Prozent aller Unternehmen ausmachten. Rund elf Prozent der KMU sind Kleinunternehmen (zehn bis 49 Beschäftigte) und ein knappes Prozent mittlere Unternehmen (50 bis 249 Beschäftigte).
NoVA für KMU eine Katastrophe
Henning Heise, Obmann Fuhrparkverband Austria (FVA): „Von all diesen Unternehmen waren sind dem Gewerbe und Handwerk 236.000 Unternehmen zuzuordnen. Dazu kommen 6.200 Kleintransporteure, 48.000 Tourismusbetriebe und 25.100 Unternehmen, die Waren herstellen. Und sie haben eines gemeinsam: Für sie ist die Einführung der Normverbrauchsabgabe für leichte Nutzfahrzeuge eine Katastrophe, denn ihre Fuhrparkkosten werden sich ab 1. Juli 2021 massiv erhöhen.“
Nutzfahrzeuge sind alternativlos
Denn klar ist: „Die Transporter, Pritschen, Kühltransporter, Lieferwägen, Personentransporter und Verkaufswagen sind Werkzeuge auf vier Rädern, sie bedingen das Kerngeschäft der Unternehmen. Sie brauchen die Nutzfahrzeuge um Werkzeug, Material, Waren, Lebensmittel, Gäste oder sonstige Erzeugnisse zu ihren Kunden zu transportieren. Geht ein Fahrzeug kaputt oder ist wirtschaftlich ein Totalschaden, muss ein Neues angeschafft werden. Eine Alternative dazu gibt es nicht. Und ja, ein Teil der Unternehmen kann aufgrund der Anforderungen auf ein Lastenrad oder eine elektrisch angetriebene Alternative umsteigen – aber das ist die Minderheit.“, so Heise.
Fahrzeughandel wird überrannt
Und es kam, wie es vor einer massiven Steuererhöhung kommen musste: Aufgrund der Übergangsfrist (mit unterschriebenem Kaufvertrag bis Ende Mai und einer garantierten Auslieferung bis 31. Oktober 2021 können Nutzfahrzeuge noch ohne NoVA zugelassen werden) wird der Fahrzeughandel gerade überrannt – und hat Mühe die Nachfrage zu bedienen. Heise: „Teilweise verbuchen Händler, Importeure oder Handelsgesellschaften mehr als 500 Prozent mehr Kundeninteresse gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Der Großteil der daraus resultierenden Verkäufe sind freilich Vorziehkäufe – Firmen ersetzen bzw. beschaffen sich jetzt Fahrzeuge, deren Kauf sie eigentlich in den nächsten Monaten und Jahren geplant hatten – weil sie sich ein paar Tausender pro Fahrzeug sparen wollen.“
Bald heißt es: Ausverkauft!
Deshalb sichern sich die großen Fahrzeughandelsgesellschaften aktuell alle freien Nutzfahrzeugkontingente in Europa und verfrachten sämtliche verfügbaren Transporter, Pritschen und Co nach Österreich. Heise: „Es wird zusammengezogen was möglich ist, weil nur so die Vorziehkäufe zu bedienen sind. Das betrifft vor allem die mittelgroßen und großen Transporter, wie beispielsweise den Fiat Ducato, den Mercedes Sprinter oder den VW Transporter. Aber auch andere Basisfahrzeuge für Sonderaufbauten sind bereits schwer zu bekommen hört man aus der Branche.“ Und bald wird es wohl heißen: Ausverkauft. Und damit wird einem (Groß-)Teil der Unternehmen die NoVA quasi aufgezwungen. Und der Nutzfahrzeug-Handel? Der wird nach der Hochphase im zweiten Halbjahr 2021 in eine Depression rutschen – und aus der wohl auch nicht mehr so schnell emporklettern.
Dem Großteil sind die Auswirkungen noch nicht bewusst
Dabei ist davon auszugehen, dass ein Großteil der KMU in Österreich die Auswirkungen der NoVA-Einführung noch gar nicht registriert hat. Heise: „Zu groß ist derzeit die allgemeine Ablenkung durch die Sorgen aufgrund der Corona-Pandemie und ihren direkten wirtschaftlichen Folgen auf das eigene Unternehmen. Das wiederum ist Glück im Unglück für die gut organisierten größeren Betriebe im Land, die vielfach eigene Fuhrparkleiter installiert haben und denen die Tragweite der NoVA seit Monaten bewusst ist. Wer dazu noch den Stammkunden-Status beim Händler des Vertrauens hat, der konnte auch noch größere Bestellungen platzieren. Freilich nur dann, wenn Corona die Kriegskasse noch nicht berührt hat.“
10 Pritschen = 176.300 Euro Mehrkosten
Ausnahmen bestätigen die Regel, wie Heise erklärt: „Aus der Praxis wissen wir, dass selbst große Bauunternehmen mit mehreren hundert Fahrzeugen vor einem Beschaffungsproblem stehen. Wer beispielsweise im Frühjahr zehn Pritschen kaufen wollte, dem wurde vielfach schon vor Wochen gesagt, dass sich die Lieferung vor dem Stichtag nicht ausgehen würde.“
Dazu ein kleines Rechenbeispiel: Ein Iveco Daily Pritschenwagen wird durch die NoVA ab 1. Juli 2021 um knapp 11.500 Euro teurer, bei 10 Fahrzeugen summiert sich die Mehrbelastung für das Unternehmen auf 115.000 Euro. Und damit ist bekanntlich das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. 2024 wird die NoVA je Pritsche schon 17.630 Euro ausmachen, sich bei 10 Fahrzeugen also auf 176.300 Euro summieren. Heise: „Das zahlt kein KMU aus der Portokasse, das geht an die Substanz!“
2021 eröffnet die Abwärtspirale
Bei verblechten Transportern ist die Belastung ungleich kleiner – ebenso bei den Pickups. Heise: „Ja, manche hatten einen V8-Pickup als Kleinlaster im Schlupfloch typisiert – in Summe sind das aber wenige Einzelpersonen und ihr Handeln war eher Lifestyle orientiert. Richtig hart wird es die EPUler im Transportbereich treffen. Der typische Amazon-Pakerl-Auslieferer landet wegen der NoVA nämlich doppelt in der Misere – und da geht’s um Existenzen. Viele in der Branche leben schon heute von der Hand in den Mund und ist es kaum vorstellbar, dass sich die Betroffenen jetzt ein neues Fahrzeug leisten können. De facto wird es für sie mit jedem Jahr der automatisierten NoVA-Erhöhung sogar noch schwieriger. Auch weil die L3H3-Transporter mit viel Ladevolumen, das für die hohe Anzahl der täglich auszufahrenden Pakete gebraucht wird, noch stärker von der NoVA betroffen sind als das durchschnittliche Nutzfahrzeug.“
Mehrheit wird Fahrzeuge länger nutzen
Diese Unternehmer – und viele die derzeit wegen Liquidität- oder Lieferengpässen nicht kaufen konnten – werden ihre alten Transporter so lange Fahren wie es geht. Heise: „Viele freiberuflichen Paketdienstleister werden dann wahrscheinlich durch einen Motor- oder Getriebeschaden in die Insolvenz rutschen.“
Der Fuhrparkverband Austria setzt sich seit der Gründung mittels Informationsveranstaltungen, Know-how-Transfer und der Kommunikation von Optimierungspotenzial für eine Reduktion der CO2-Emissionen in der betrieblichen Mobilität ein. Heise: „Die Dekarbonisierung ist wichtig und richtig – doch an der Einführung der NoVA für Nutzfahrzeuge können wir angesichts der Perspektiven keinen Nutzen für die Umwelt oder die Wirtschaft erkennen. Im Gegenteil: Wir glauben durch die längere Nutzung der Fahrzeuge werden die CO2-Emissionen auf dem heutigen Niveau stagnieren und nicht sinken – parallel dazu wird es viele Betriebe an den Rand des Ruins treiben, vor allem jene, die auf ihre Fahrzeuge angewiesen sind, prekär bezahlt werden oder aufgrund eines harten Konkurrenzkampfs die Mehrkosten nicht an die Kunden weiterverrechnen können. Wir glauben, all das kann nicht im Interesse einer modernen Regierung sein.“
Unser aller Leben wird teurer
Dabei ist klar: „Viele Unternehmer sind aus persönlichen, ökologischen Gründen bereit auf ein Elektrofahrzeug umzusteigen. Doch sie können es vielfach nicht, weil das aktuelle Angebot – gerade im Nutzfahrzeugbereich – ihre Bedürfnisse nicht erfüllt. Solange das nicht der Fall ist, ist die NoVA ein gemeiner Anschlag auf Wirtschaft bzw. Unternehmen, die die Mehrkosten an die Kunden weiterreichen werden und damit das Leben aller Staatsbürger verteuern wird.“
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